Bei der traditionellen Dreikönigskundgebung der Liberalen in Stuttgart hat FDP-Chef Christian Lindner mehr Investitionen in die Bildung junger Menschen gefordert. "Dieses Land muss mehr tun für Bildung und für Forschung", sagte Lindner am Freitag. "Damit das wirklich einen Unterschied macht, brauchen wir in den nächsten Jahren in jedem Jahr eine zusätzliche Bildungsmilliarde." Lindner nahm Bezug auf fehlende Fachkräfte und forderte einen flexibleren Arbeitsmarkt und eine andere Einwanderungspolitik. Es müsse schwerer werden, in den Sozialstaat zuzuwandern, und es müsse leichter werden, in den Arbeitsmarkt einzuwandern, sagte Lindner, der in der Bundesregierung das Amt des Finanzministers ausübt.
Lindner forderte von den Koalitionspartnern eine Kurskorrektur in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Eine Wiederwahl der Ampelkoalition bei der nächsten Bundestagswahl werde "nur gelingen, wenn wir das Land wieder auf die wirtschaftliche Erfolgsspur zurückführen", sagte er. Die Koalition müsse weniger auf Umverteilung setzen und mehr auf Wachstum. Dafür nehme die FDP auch Konflikte mit den Partnern in Kauf, sagte Lindner.
Der FDP-Fraktionsvorsitzende im baden-württembergischen Landtag, Hans-Ulrich Rülke, äußerte sich nach dem Dreikönigstreffen im SWR-Fernsehen:
Klimaaktivisten stören Treffen
Während Lindners Rede erhoben sich Klimaaktivisten von ihren Plätzen auf der Empore und störten die Veranstaltung. Sie entrollten Transparente und sangen "We shall overcome". Eines der Transparente trug die Aufschrift "Klimakollaps = Wirtschaftskollaps". Auf dem anderen stand: "Besser nicht regieren als falsch. Darum Tempolimit sofort." Lindner reagierte mit bissigem Humor und riet den Aktivisten, sich in der Oper festzukleben - dann könnten sie zumindest sonst niemanden behindern.
Ukraine-Krieg und Panzerlieferungen Thema bei Dreikönigstreffen
Zuvor hatte sich die FDP zu Beginn ihres Dreikönigstreffens mit dem Krieg in der Ukraine befasst. Der Chef der baden-württembergischen FDP, Michael Theurer, sagte, die FDP habe seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine befürwortet, das Land stärker und schneller zu bewaffnen. Es habe sich bewährt, dass die Liberalen mehrfach bei ihrer eigenen Linie geblieben seien.
Ukraine: Junge Liberale fordern Kampfpanzer-Abgabe
Kurz vor Beginn des Treffens in Stuttgart haben die Jungen Liberalen (Julis) die Lieferung des Kampfpanzers Leopard 2 an die Ukraine gefordert. Die Bundesvorsitzende der Julis, Franziska Brandmann, sagte am Freitagmorgen, wer ein zeitnahes Ende des Krieges wolle, der müsse der Ukraine liefern, was sie brauche um ihn zu gewinnen. Und weiter: "Nur ein ukrainischer Sieg stellt die europäische Friedensordnung wieder her." Dazu zeigten die Jungen Liberalen vor dem Stuttgarter Opernhaus Transparente.
Strack-Zimmermann: Marder ist nicht alles
Auch die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), hat sich für eine Lieferung des Leopard 2 ausgesprochen. Im Interview mit dem Fernsehsender phoenix sagte sie am Freitagmorgen: "Wenn das mit dem Marder jetzt läuft, ist das wirklich gut, wichtig, erfreulich - aber es ist nicht alles." Konkret müsse sich die Bundesregierung jetzt darauf vorbereiten, den deutschen Kampfpanzer Leopard 2 vorzuhalten.
Landespolitiker greifen Bundes- und Landesregierung an
Sowohl Theurer als auch der Fraktionsschef im Stuttgarter Landtag, Hans-Ulrich Rülke, griffen vor allem die CDU an. Theurer sagte, Deutschland sei in keinem guten Zustand übergeben worden. Theurer kritisierte die Ausrüstungsmängel bei der Bundeswehr, die aus seiner Sicht auf CDU- und CSU-Verteidigungsminister und -ministerinnen zurückzuführen sind. Wo war die Bundeskanzlerin, fragte der FDP-Landesvorsitzende. Außerdem sei Deutschland unter CDU-Führung abhängig geworden von russischen Energieimporten.
Rülke betonte, die Liberalen müssten im Bund zwar Kompromisse machen, aber die Partei sei sichtbar. Das sei der Unterschied zur grün-schwarzen Landesregierung, wo die CDU mittlerweile nicht mal mehr in Form homöopathischer Globuli nachweisbar sei.
Dorn im Auge vieler Liberaler: Ampelkoalition im Bund
Auch die Regierungsbeteiligung der FDP ist Diskussionsthema in der Partei. Dass die FDP in der Bundesregierung in der Ampelkoalition mitregiert und dass Christian Lindner seinen Wunschposten als Finanzminister innehat, hat sich nach Ansicht vieler Parteimitglieder nicht ausgezahlt. Im Gegenteil: Viele Anhänger und Anhängerinnen fremdeln offenbar damit, dass die FDP zusammen mit SPD und Grünen regiert. Bei den Landtagswahlen im vergangenen Jahr gab es Rückschläge für die FDP, im aktuellen Deutschlandtrend liegt sie bundesweit bei sechs Prozent.
FDP in BW will AKWs weiter betreiben
Auch auf die Atompolitik ging Lindner in seiner Rede im Stuttgarter Opernhaus ein. Er forderte erneut ein abermaliges Verschieben des Atomausstiegs in Deutschland. Genau das hatten die Liberalen im Land schon einen Tag zuvor bei ihrem Landesparteitag in Fellbach (Rems-Murr-Kreis) getan. Dort forderten die Delegierten in einem Leitantrag eine Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke über den 15. April hinaus. Der Parteitag beschloss den Antrag mit großer Mehrheit. Darin fordern die Liberalen auch den Ankauf weiterer Brennelemente, um die Atomkraftwerke mindestens bis 2026 weiter betreiben zu können.
Dreikönigstreffen mit langer Tradition
Die Liberalen beginnen seit mehr als 140 Jahren ihr politisches Jahr am 6. Januar mit dem Treffen in Baden-Württemberg. Traditionell will sich die FDP dabei auf ihre Werte besinnen und zu Beginn des neuen Jahres Selbstbewusstsein zeigen.