Lange galten Wölfe in Deutschland als ausgerottet, doch allmählich erobern die Tiere ihre frühere Heimat zurück. Dabei werden auch Rufe nach dem Abschuss von "Problemwölfen" zum Schutz von Weidetieren laut. Landwirte im Schwarzwald fordern etwa wolfsfreie Zonen. Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) oder Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) aus Bad Urach (Kreis Reutlingen) wollen den Abschuss einzelner Wölfe oder ganzer Rudel vereinfachen.
Dabei ist die Zahl der Wölfe zumindest in Baden-Württemberg vergleichsweise gering - gerade einmal vier sesshafte Tiere werden derzeit gezählt (Stand: September 2023). Naturschützer bemängeln, die Debatte werde oft nicht sachlich geführt und würde unbegründet Ängste schüren. Wölfe gelten in Deutschland als streng geschützt.
Die wichtigsten Fragen zum Thema werden hier beantwortet. Klicken Sie auf einen der Punkte, um direkt zur Antwort zu springen:
- Wie viele Wölfe leben in Baden-Württemberg?
- Wie oft werden Nutztiere in BW von Wölfen gerissen?
- Wie haben sich die Wolfszahlen in BW entwickelt?
- Wird sich der Wolf weiter ausbreiten?
- Dürfen Wölfe abgeschossen werden?
- Welche Schutzkonzepte gibt es für Weidetiere?
- Was fordert die Landwirtschaft?
- Welche Pläne hat die Politik?
- Wie reagieren Naturschützer?
- Welche Bedeutung haben Wölfe für Ökosysteme?
Wie viele Wölfe leben in Baden-Württemberg?
In Baden-Württemberg sind bislang vier Wölfe sesshaft. Als sesshaft gilt ein Wolf, wenn er über mehr als ein halbes Jahr lang in einem bestimmten Gebiet eindeutig nachgewiesen werden kann. Ein Einzeltier lebt im Nordschwarzwald, drei weiter Wölfe im Südschwarzwald, darunter ein Paar. Die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg ging im Frühjahr davon aus, dass dieses bereits Nachwuchs bekommen hat - und damit ein Rudel, also ein Familienverband, entstanden ist.
Zum Vergleich: Deutschlandweit wurden im Monitoringjahr 2021/2022 161 Wolfsrudel und 43 Paare vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) und der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) gezählt.
Wie oft werden Nutztiere in BW von Wölfen gerissen?
Grundsätzlich reisen Wölfe hauptsächlich Schafe und Ziegen, im Schwarzwald auch immer wieder Rinder. Laut Landesumweltministerin Thekla Walker (Grüne) gab es in Baden-Württemberg 2022 20 solcher Nutztierrisse. Im ersten Halbjahr 2023 seien es sieben gewesen. Bundesweit lag die Zahl der Übergriffe 2022 laut DBBW bei mehr als 1.000.
Wie haben sich die Wolfszahlen in BW entwickelt?
Seit etwa der Jahrtausendwende kehren Wölfe wieder nach Deutschland zurück. In Baden-Württemberg werden die Tiere seit 2015 immer wieder nachgewiesen. Eine Liste aller Nachweise führt das Landesumweltministerium. 19 wurden bislang genetisch erfasst, wobei davon einige wieder abgewandert sein dürften. Im Bundesvergleich sind die Wolfszahlen in Baden-Württemberg verhältnismäßig gering.
Wird sich der Wolf in den kommenden Jahren weiter ausbreiten?
Bislang ist Baden-Württemberg vor allem ein Durchgangsland für Wölfe. Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) geht davon aus, dass die Zahl der sesshaften Tiere und die der Rudel in den kommenden Jahren steigen dürfte. Das Land habe dabei für die europäische Wolfspopulation eine besondere Bedeutung: Bislang sind die Wolfsbestände der Alpenregion von denen im Nordosten Europas getrennt. Baden-Württemberg könne hier eine Art Brückenkopf bilden.
Besonders geeignete Regionen für Wölfe sind in Baden-Württemberg der Schwarzwald, der Odenwald, der Schwäbisch-Fränkische Wald oder die Schwäbische Alb.
Dürfen Wölfe abgeschossen werden?
Grundsätzlich sind Wölfe in Deutschland streng geschützt. Abgeschossen werden dürfen sie nur in Ausnahmefällen - um etwa Menschen oder die Landwirtschaft zu schützen. In Bezug auf den Schutz von Rindern hat Baden-Württemberg dazu im Frühjahr 2023 ein neues Herdenschutzkonzept vorgestellt. Demnach soll es möglich sein, einen Wolf abzuschießen, wenn er innerhalb von sechs Monaten in derselben Region Rinder mehrfach trotz Schutzmaßnahmen angreift.
Welche Schutzkonzepte gibt es für Weidetiere?
Im Frühjahr hat Baden-Württemberg sein Herdenschutzkonzept nachgebessert. Damit sollen Rinder besser vor Wolfsangriffen geschützt werden. Der vielleicht ungewöhnlichste Ansatz: Auch Lamas sollen die Herden verteidigen. Hintergrund ist, dass diese laut Umweltministerium hundeähnliche Tiere nicht mögen, das mit lauten Warnungen zum Ausdruck bringen oder Wölfe sogar in die Flucht schlagen können. Eine andere Möglichkeit sind Elektrozäune.
Kälber müssen außerdem besser geschützt werden, tagsüber gehütet und nachts im Stall untergebracht werden. Helfen alle Schutzmaßnahmen nicht und greift derselbe Wolf mehrfach an, ist ein Abschuss möglich.
Umgang mit dem Wolf: Was fordert die Landwirtschaft?
Vor allem im Schwarzwald sorgen sich Landwirtinnen und Landwirte um ihre Tiere. Aus ihren Reihen kommt unter anderem die Forderung nach wolfsfreien Zonen im Biosphärengebiet Schwarzwald. Auch solle die Population des Wolfes gedeckelt werden. Wolfssichere Zäune sehen einige kritisch - sie halten eine flächendeckende Umsetzung, auch an steilen Hängen für schwierig.
Was plant die Politik?
Grundsätzlich wird der Wolf durch deutsches, europäisches und internationales Recht geschützt. Für den Schutz von Nutztieren und die Regelungen zum Artenschutz sind die Bundesländer zuständig.
Die EU-Kommission hat angekündigt, den Schutzstatus der Wölfe zu überdenken. In einigen europäischen Regionen sei die Zahl der Wölfe eine Gefahr für Nutztiere und potentiell auch für Menschen geworden, erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Zuvor hatte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) angekündigt, sie wolle den Abschuss von Wölfen erleichtern. Dieser müsse schneller und unbürokratischer möglich sein, wenn Tiere gerissen werden, sagte sie der "Welt". Bis Ende September will Lemke dazu konkrete Vorschläge vorlegen. Der Initiative schloss sich Bundesagrarminister Özdemir an.
In Baden-Württemberg forderte zuletzt Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU), das Schutzniveau für Wölfe zu senken. Seine Ministerkollegin Walker hingegen mahnt eine sachliche Debatte an und verweist auf die eher geringen Wolfszahlen im Land. Eine aktive Bejagung oder wolfsfreie Zonen seien nicht mit geltendem Recht vereinbar, sagte sie dem Landesjagdverband.
Wie reagieren Naturschützer auf die Abschussforderungen?
Der Naturschutzbund Baden-Württemberg (NABU BW) bezeichnet den Abschuss von Wölfen nach Weiderissen als nicht zielführend und wirbt für präventive Schutzmaßnahmen. Durch einen Abschuss würden sich im schlechtesten Fall Rudelstrukturen auflösen und neue Wölfe die frei werdenden Reviere besetzen und erneut die Schutzmaßnahmen testen, erklärt Alexandra Ickes, die beim NABU BW für Artenschutz zuständig ist.
Der Wolf werde "immer wieder für politischen Wahlkampf missbraucht", so Ickes. Auch die Medien würden unbegründet Ängste schüren, um Klicks zu generieren. Ähnlich wie Umweltministerin Walker drängt der NABU BW auf eine sachliche Debatte.
Welche Bedeutung hat der Wolf für Ökosysteme in BW?
Funktionierende Ökosysteme sind komplex und haben sich meist über viele Jahre hinweg eingespielt. Als Raubtiere können Wölfe unter anderem den Wildbestand regulieren. Das kann sich positiv auf das Wachstum von Bäumen auswirken, deren Triebe etwa von Rehen gefressen werden. Auch fressen Wölfe häufig kranke und schwache Tiere, wodurch deren Bestand gewissermaßen "gesund" gehalten wird, erklärt der NABU BW. Wie genau sich der Wolf auf die heutigen Wälder in Baden-Württemberg auswirkt, ist noch nicht ausreichend erforscht.