Aaron Daubner betreibt eine Art rollenden Supermarkt. Zeitungen, Brot, Früchte, Konserven und Schokoladenosterhasen - alles in einem kleinen Lastwagen. Er fährt jeden Tag raus aufs Land in die Gemeinden rund um Pforzheim, in denen die Häuser älter werden und viele Fensterläden geschlossen sind. Dorthin, wo der Ortskern langsam ausstirbt und der Supermarkt fehlt.
Es gibt weit und breit keinen Laden mehr
Daubners erster Stopp heute: Bretten-Ruit, rund 1.500 Einwohner. Gerade ältere und nicht mehr mobile Kunden machen bei dem 25-Jährigen ihren ganzen Wocheneinkauf, weil es weit und breit keine Läden mehr gibt. Seine Kundschaft erzählt von den "goldenen Zeiten", als Ruit noch einen eigenen Laden, eine Post und Banken hatte. Mittlerweile ist selbst der Geldautomat verschwunden. Arztpraxis und Apotheke gibt es nicht. "Alles weg", sagt eine ältere Kundin, "beschissen fühlt sich das an."
Daubner profitiert mit seinem rollenden Supermarkt natürlich von den Nöten hier auf dem Land. Aber er macht sich auch Sorgen um seine Kundschaft: "Die älteren Leute im ländlichen Raum fühlen sich total vergessen und vernachlässigt."
In Mehrstetten bringen sich die Bürger stark ein
Dieses Gefühl scheinen die Bürgerinnen und Bürger in Mehrstetten (Kreis Reutlingen) auf der Schwäbischen Alb nicht zu haben. Auch hier leben rund 1.500 Menschen. Der Ort hat eine Grundschule mit Ganztagsbetreuung, eine Bank, eine Post und Glasfaseranschluss. Als der letzte Kaufladen vor ein paar Jahren aus Altersgründen geschlossen wurde, hat direkt in der Ortsmitte der nächste mit angeschlossenem Café aufgemacht. Der neue Dorfladen gehört den Genossenschaftsmitgliedern und den Bürgern von Mehrstetten, viele engagieren sich hier ehrenamtlich.
Strukturschwache Gemeinden können von anderen profitieren
Warum entwickeln sich die ländlichen Kommunen so unterschiedlich? Generell gebe es in Baden-Württemberg keine großräumig abgehängten Regionen, sagt Jörn Birkmann vom Institut für Raumordnung und Entwicklungsplanung der Universität Stuttgart. "Es gibt einzelne Gemeinden, die sich deutlich unterdurchschnittlich entwickeln." Direkt nebenan könne dann wieder eine Kommune sein, die gerade boomt.
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Die Gründe dafür seien sehr verschieden. Die eine Kommune habe beispielsweise eine Hochschule in der Nähe und ziehe junge Menschen an. Eine andere Kommune sei von einem speziellen Industriezweig abhängig und erlebe vielleicht gerade einen Strukturwandel. Aber Birkmann sieht darin auch eine Chance: Eine strukturschwache Gemeinde könne von der boomenden Gemeinde nebenan profitieren, wenn beide enger zusammenarbeiten. Die Landesregierung könne Anreize dafür schaffen, damit solche Kooperationen für beide Seiten von Vorteil sind.
Die Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen, Nicole Razavi (CDU), sagte dazu in der SWR-Sendung "Zur Sache! Baden-Württemberg", dass wichtige Entscheidungen vor Ort gefällt und Planung dort gemacht werden müssten. "Was wir hoch achten, ist die kommunale Eigenständigkeit, und die Kommunen entscheiden in erster Linie mal selber", so Razavi. Sie verwies in diesem Zusammenhang noch einmal auf bestehende Förderungen für strukturschwächere Räume.
"Wir werden als Gemeinde allein gelassen"
Markus Giesa (Freie Wähler) aus dem Gemeinderat in Trichtingen bei Rottweil meint: "Wir werden als Gemeinde allein gelassen. Wir bekommen neue Vorschriften und müssen die umsetzen." Er sei zum Beispiel schockiert, weil die Grundschule im Ort geschlossen werden soll. Die kleine Gemeinde könne die Vorgaben der Landesregierung mit Ganztagsbetreuung und großer Mensa nicht erfüllen. Der Gemeinderat habe sich deswegen aus finanziellen Gründen für die Schließung entschieden.
In Trichtingen sind viele Einwohner frustriert. Hier gibt es nicht mal einen mobilen Supermarkt. Gaststätten und Läden sind zu. "Wenn man schaut, wo man herkommt mit einem intakten Dorf, wird es einem wirklich Angst. Wo steuert das Dorf hin?", fragt sich Giesa.
Auch in Mehrstetten auf der Alb gebe es noch Luft nach oben, sagen viele Bürger. Der Bus zum Beispiel fahre äußerst selten und es könnte sich auch mehr Industrie ansiedeln. Aber Christiane Striebel, die vor kurzem zum zweiten Mal Mutter geworden ist, genießt das Leben hier und will in Mehrstetten bleiben. "Die Gemeinde hat viel investiert, zum Beispiel in den Kindergarten", sagt die junge Mutter, "es gibt viele Möglichkeiten zum Einkaufen und der Arzt ist hier in der Nähe." Sie hofft, dass sich auch ihr jüngster Spross Luca irgendwann einmal aktiv in das Dorfleben einbringen wird.