Dutzende Menschen tanzen in einem Club zur Musik.

Corona-Pandemie, Inflation und Co.

Clubsterben in BW: Gehen Studierende weniger feiern?

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Luisa Bleich
SWR-Redakteurin Luisa Bleich Autorin Bild

Erst Corona, dann die Inflation - die Clubszene in Baden-Württemberg hat es seit Jahren nicht leicht. Eine Theorie: Vor allem junge Menschen gehen seltener in Clubs.

Die Krisen der vergangenen Jahre sind auch am baden-württembergischen Nachtleben nicht spurlos vorüber gegangen. Laut der nachtökonomischen Studie Stuttgart, die 2023 veröffentlicht wurde, sehen 50 Prozent der Stuttgarter Bars und Clubs ihre Existenz bedroht.

Menschen tanzen in einer Disko in Stuttgart
Menschen tanzen in einer Diskothek in Stuttgart.

Clubsterben in Baden-Württemberg

Nils Runge, Nachtmanager der Stadt und Region Stuttgart, ist der Meinung: "Clubsterben besteht". Das Problem begrenzt sich dabei aber nicht nur auf die Landeshauptstadt. Laut dem Mannheimer "Night Mayor", also Nachtbürgermeister Robert Gaa, ist Clubsterben in ganz Baden-Württemberg und sogar deutschlandweit ein Thema. In Mannheim selbst musste während der Corona-Pandemie allerdings kein Club schließen. "Da sind wir mit einem blauen Auge davongekommen", meint Gaa.

Nachtmanager Runge glaubt, dass das Thema Clubsterben zu lange ignoriert worden sei. Das Land Baden-Württemberg scheint in der Zwischenzeit allerdings bemerkt zu haben, dass eine starke Club- und Musikkultur auch ein Vorteil für einen starken Wirtschaftsstandort sein kann.

Auf der Webseite des Kunstministeriums steht dazu: "Mit rund zwei Milliarden Euro Umsatz, davon rund 559 Millionen in Baden-Württemberg, ist die Musikwirtschaft nicht nur künstlerisch, sondern auch ökonomisch von hoher Bedeutung." Auch Staatssekretär Arne Braun aus dem Kunstministerium meint: "Eine vitale Clublandschaft ist ein Standortvorteil, sie macht Städte und Gemeinden attraktiv." Bis Herbst soll deswegen ein Konzept erarbeitet werden, wie die baden-württembergische Popkultur gefördert werden könnte.

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Nachtmanager wünschen sich Förderungen für Clubkultur

Denn: Ohne Förderung geht es nicht. Dieser Ansicht sind auch Stuttgarter Nachtmanager Runge und Mannheimer "Night Mayor" Gaa. Die Gründe, die die beiden dafür nennen, sind vielfältig. Allen voran: die multiplen Krisen der vergangenen Jahre und die Inflation, die in allen Lebensbereichen und damit auch im Nachtleben deutlich spürbar ist.

Coronakrise, Energiekrise, Inflation - Menschen haben weniger Geld zur Verfügung. Dadurch ist Feiern gerade auch für eine junge, nicht so finanzstarke Zielgruppe gar nicht so einfach geworden.

Runge berichtet, dass seit der Pandemie weniger Menschen feiern gehen würden. In manchen Clubs würde das Stammpublikum ausbleiben. Aber auch die Inflation spiele eine Rolle. "Night Mayor" Gaa sagt dazu: "Es gehen weniger junge Leute feiern, insbesondere bei den Studis". Studierende würden zwar weiterhin auf Uni-Partys gehen, danach ginge es aber für die Wenigsten weiter in den Club.

Auch für die Pforzheimer Studentin Romina sind die Auswirkungen der Inflation spürbar. Die 26-Jährige geht durch deswegen lieber in Clubs mit günstigeren Eintritten und verzichtet auf Getränke vor Ort. Auch der Mannheimer Student Felix findet, dass abends ausgehen "extrem teuer" geworden sei. In Bars entscheidet er sich deswegen lieber für ein günstigeres Getränk.

Clubs besuchen er und seine Freundinnen und Freunde ohnehin kaum. Aber nicht allein wegen der Eintrittspreise. Der 21-Jährige führt das vor allem darauf zurück, dass er mitten in der Zeit der Corona-Lockdowns volljährig geworden ist. "Ich bin nie dazugekommen, weil der Anfangskontakt gefehlt hat und dann einfach nie hergestellt wurde", sagt Felix. Das beobachtet auch Justus Bartlewski, Sprecher von Clubkultur Baden-Württemberg. "Die junge Generation, die während Corona 18 geworden ist, hat sich nicht daran gewöhnt in Clubs zu gehen", so Bartlewski. Auch Staatssekretär Arne Braun ist der Ansicht, dass die Corona-Pandemie in diesem Bereich Spuren hinterlassen habe und sich das Feierverhalten deswegen im Vergleich zu vorherigen Generationen unterscheiden würde.

Viele schülerinnen und schüler feiern freidlich auf der Neckarwiese.
Schülerinnen und Schüler aus Heidelberg feiern ihren Schulabschluss gerne auf der dortigen Neckarwiese.

Studierende zieht es nicht in Clubs

Auch der 22-jährige Student Marco aus Stuttgart zieht Bars oder Alternativangebote wie WG- oder Uni-Partys einem Clubbesuch vor. Als er für sein Bachelor-Studium nach Stuttgart gezogen sei, habe gerade der zweite Lockdown angefangen. "Ich hatte lange Zeit wirklich den Eindruck, dass es kaum Optionen gibt, um in Stuttgart wegzugehen", sagt Marco. Nachtmanager Nils Runge vermutet, dass viele junge Menschen wie Marco durch die Corona-Pandemie das Angebot in ihrer Stadt gar nicht kennen. Auch Justus Bartlewski von Clubkultur Baden-Württemberg sieht das ähnlich.

Dass die junge Generation aber generell weniger feiern gehen würde, lässt sich laut Runge, Gaa und Bartlewski allerdings nicht beobachten. Junge Menschen gehen "anders feiern", meint Runge. Veranstaltungsformate von jungen Kollektiven seien demnach immer gut besucht. Das beobachtet auch Bartlewski von Clubkultur Baden-Württemberg. Er glaubt, dass das unter anderem an proaktiven Awareness-Konzepten liegen würde, die man bei solchen Veranstaltungen eher finden würde als in Clubs. So besucht beispielsweise auch die 23-jährige Studentin Hanna aus Mannheim gerne kleinere Veranstaltungen "mit gut durchdachten Awareness-Konzepten".  

Sicherheit und Awareness im Nachtleben

Die Themen Sicherheit und Awareness beschäftigen auch Nachtmanager Runge in Stuttgart und "Night Mayor" Gaa in Mannheim. Die nachtökonomische Studie Stuttgart hat dahingehend immerhin ergeben, dass sich einige Menschen im Stuttgarter Nachtleben unsicher fühlen. In der Studie heißt es dazu: "Mehr als jeder dritte Gast empfand die Sicherheit nur als ausreichend oder schlechter. Jeder sechste Gast geht deswegen seltener aus". Auch in Mannheim haben sich die Bürgerinnen und Bürger zuletzt unsicherer gefühlt.

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Das bestätigt auch die 26-jährige Studentin Maike. Sie fühlt sich im Stuttgarter Nachtleben nur dann sicher, wenn sie in einer größeren Gruppe unterwegs ist. Die Studenten Felix und Marco berichten ebenfalls, dass es Stadtteile und Orte gibt, an denen sie sich unwohl fühlen. Studentin Romina aus Pforzheim fühlt sich vor allem am Stuttgarter Schlossplatz unsicher, wenn sie an den Wochenenden zum Feiern in die Stadt kommt. Sie hat Angst vor kriminellen Übergriffen. Über Feiern in Pforzheim sagt sie: "Ich glaube, ich wäre nicht weggegangen, wenn ich allein hätte heimlaufen müssen".

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Robert Gaa kennt solche "Vermeidungsstrategien", also, dass man aus Angst zu Hause bleibt oder nur in einer größeren Gruppe feiern geht, aus seinem eigenen Umfeld.

Das ist auf jeden Fall ein Zustand, den ich so als nicht akzeptabel ansehe. Da müssen wir dringend nachbessern.

Kampagne "nachtsam" für sicheres Feiern gehen

In Stuttgart, Mannheim aber auch in anderen baden-württembergischen Städten wie Tübingen oder Ravensburg gibt es deswegen in einigen Einrichtungen das Projekt "nachtsam". Ziel der Kampagne, die vom baden-württembergischen Sozialministerium finanziert wird, ist es, dass sich alle Feiernden im Nachtleben wohlfühlen. Dafür werden beispielsweise Mitarbeitende entsprechend geschult.

Nils Runge sucht als Nachtmanager direkt den Kontakt zu Einrichtungen des Nachtlebens und versucht beispielsweise Awareness-Konzepte in Clubs zu etablieren. Dass viele Veranstalter das Thema Awareness mittlerweile selbst in die Hand nehmen, weiß auch Staatssekretär Arne Braun. Ob das Land diese Bemühungen in der Zukunft finanziell unterstützen wird, hänge aber vom nächsten Haushalt ab, so Braun.

Dass es Studierende nicht mehr in Clubs zieht, wie es in den Vorgängergenerationen noch der Fall war, stellt Clubbesitzer und -besitzerinnen vor neue Herausforderungen. Junge Menschen bleiben aber nicht etwa zu Hause. Nachtmanager Runge meint dazu: "Feiern werden wir immer". Gefeiert wird also noch - nur eben anders.

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