Die baden-württembergische Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz hat am Montag im Untersuchungsausschuss zur Polizei-Affäre erneut ihr konsequentes Handeln gegen den beschuldigten Inspekteur der Polizei betont. "Ich habe das schärfste Schwert gegen ihn gezogen", sagte Hinz am Montag im Landtag in Stuttgart. Sie habe ihm verboten, die Dienstgeschäfte weiter zu führen und sei der Überzeugung, in dem Fall sehr konsequent gehandelt zu haben.
Opposition: Hinz hätte mehr tun können
Die Opposition im Landtag sieht das anders. SPD-Obmann Sascha Binder sagte nach der Befragung: "Wenn man das schärfste Schwert nutzt, sollte man damit umgehen können, und sich nicht ins eigene Fleisch schneiden." Hinz habe bei der Anzeige der Staatsanwaltschaft wichtige Informationen vorenthalten. "Sie hat eben nicht alle Mittel genutzt, die notwendig waren", kritisierte Binder. Auch die FDP-Abgeordnete Julia Goll widersprach Hinz. "Es ist nicht wirklich das schärfste Schwert", stellte die Juristin klar. "Es gäbe auch noch die Kürzung der Dienstbezüge."
SWR-Redakteurin Astrid Meisoll aus der Redaktion Landespolitik hat am Montag aus dem Landtag in Stuttgart berichtet:
U-Ausschuss dreht sich um sexuelle Belästigung
Vor einem Monat wurde Hinz bereits acht Stunden lang befragt, am Montag ging es weiter. Der Ausschuss dreht sich um sexuelle Belästigung in Landesbehörden, um Beförderungspraktiken bei der Polizei und um die Weitergabe eines Anwaltsschreibens durch Innenminister Thomas Strobl (CDU). Ein inzwischen suspendierter Inspekteur der Polizei soll Ermittlungen zufolge im November 2021 in Stuttgart eine Polizeibeamtin sexuell belästigt haben.
Auch Innenminister Strobl stand in der Folge des Vorfalls unter Druck. Er hatte nach eigenen Angaben ein Schreiben des Anwalts des Inspekteurs an einen Journalisten weitergereicht. Die Ermittlungen gegen ihn wurden gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt.
Innerhalb der Polizei Baden-Württemberg sei seither die Sensibilität für solche Fälle noch höher geworden, sagte Hinz. Angesprochen auf die insgesamt 87 bekannt gewordenen Fälle sexueller Belästigung bei der Landespolizei, sagte die Polizeipräsidentin: "Es sind 87 Fälle und jeder einzelne davon ist einer zu viel - und das gilt erst recht für den Inspekteur der Polizei." Das seien aber 87 Fälle in einer Organisation mit 35.000 Kolleginnen und Kollegen. Es sei wichtig, darüber differenziert zu diskutieren und zu schauen, ob es womöglich ein "größeres Dunkelfeld" geben könnte.
Sekt-Runde nach Mitarbeitergespräch? Hinz räumt Fehler ein
Schon bei den Befragungen Ende Februar hatten die Abgeordneten irritiert auf Hinz' Schilderungen reagiert, dass sie selbst an dem Tag, an dem der fragliche Vorfall passiert sein soll, zuvor mit dem Inspekteur und der betroffenen Frau während eines Mitarbeitergesprächs Sekt getrunken habe. Hinzu räumte sie nun indirekt ein, dass das ein Fehler gewesen sei. "Heute würde ich das restriktiver handhaben." Sie widersprach aber dem Eindruck, als gebe es regelmäßig solche Sekt-Runden im Ministerium. Sie könne aber nicht genau sagen, ob zum Beispiel freitags in manchen Büros öfter Alkohol getrunken werde. "Ich mache am Freitagnachmittag keinen Kontrollgang durch das ganze Gebäude, um festzustellen, ob Kolleginnen und Kollegen irgendwo zusammensitzen und Alkohol konsumieren." Wenn Beförderungen oder Geburtstage anstünden, werde durchaus noch ein Glas Sekt getrunken.
CDU schlägt Dienstvereinbarung zu Umgang mit Alkohol vor
Grünen-Obmann Oliver Hildenbrand kritisierte Hinz, eine "Karrierebegleitung bei klirrenden Sektgläsern" hätte ihr doch komisch vorkommen müssen. "Aus meiner Sicht hat sie da einen großen Fehler gemacht." Die Polizeipräsidentin habe nicht klären können, "was ist dienstlich, was ist privat. Hier scheinen die Übergänge fließend, die Grenzen scheinen auch für die beteiligten Akteure zu verschwimmen." Das werfe kein gutes Licht auf Spitzenbeamte. Es gelte, den alten Spruch zu beachten: "Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps." Auch aus Sicht der CDU-Abgeordneten Christiane Staab darf es eine "Vermischung von Personalgespräch und Sektrunde nicht geben". Sie schlug vor, das künftig zu unterbinden. "Vielleicht wäre eine Dienstvereinbarung Sucht oder Alkohol durchaus überlegenswert."
Beschlagnahmung Handy versäumt?
Bei den Befragungen Ende Februar hatte Hinz detailliert die damaligen Abläufe aus ihrer Sicht geschildert und ihr Vorgehen im Zusammenhang mit dem vom Dienst suspendierten Inspekteur verteidigt. Es ging dabei auch um die Frage, ob sie ein privates Handy des beschuldigten Inspekteurs damals hätte beschlagnahmen müssen.
Hinz erklärte erneut, es habe keine rechtliche Grundlage dafür gegeben, das private Handy des Inspekteurs einzuziehen - obwohl dieser einen Teil seiner dienstlichen Kommunikation über dieses Mobiltelefon abwickelte. Die Polizeipräsidentin sagte, alle wichtigen Beweismittel wie etwa das Videotelefonat zwischen der Bewerberin und dem Inspektor sowie eine längere WhatsApp-Kommunikation, seien gesichert worden. Erst knapp zwei Monate später habe man nach weiteren Vorwürfen der Staatsanwaltschaft das Privathandy einziehen können. Allerdings hat der Inspekteur demnach bis dahin das ursprüngliche Handy bereits ausgetauscht. Hinz hält es nach eigener Aussage nicht für wahrscheinlich, dass dies eine Verurteilung des Inspekteurs verhindert.
Für Grüne wäre es "schlechter Witz", wenn Hinz als erste stolperte
Der SPD-Obmann Sascha Binder widersprach: "Der Inspekteur der Polizei hatte alle Möglichkeiten, Beweismittel untergehen zu lassen." Der AfD-Abgeordnete Hans-Jürgen Goßner sagte ebenfalls, Hinz hätte das Privathandy sofort einziehen müssen. Binder hält die Polizeipräsidentin für schwer angeschlagen - dennoch müsse zuerst Innenminister Strobl zurücktreten. "Die logische Konsequenz wäre, dass der Innenminister den Weg frei machen." Dessen Nachfolger würde dann sicher nicht an der Polizeipräsidentin festhalten.
Hildenbrand hielt Hinz zugute, dass sie die Wertekampagne in der Polizei vorantreibt, womit sie sich nicht nur Freunde gemacht habe. Aus seiner Sicht wäre es ein "schlechter Witz", wenn nun ein weiblicher Polizeipräsident als erste über diese Affäre stolpere. Der Grünen-Politiker betonte, als Konsequenz aus dem Untersuchungsausschuss müsse man sich die Führungsstrukturen in der Polizei genauer anschauen. Es gebe einfach zu viele Führungsfiguren." Diese breite Spitze irritiert mich doch sehr." Hier sei eine Verschlankung angebracht. Er kann sich auch vorstellen, dass die übrig bleibenden wenigen Positionen dann von politischen Beamten besetzt werden.