"So lassen wir mit uns nicht umgehen"

25.000 Bosch-Beschäftigte protestierten deutschlandweit gegen Stellenabbau

Stand
Autor/in
Christof Gaißmayer
Onlinefassung
Petra Thiele
SWR-Wirtschaftsredakteurin Petra Thiele

Bosch will weltweit über 7.000 Stellen streichen, ein Großteil davon in BW. Trotz Tausenden protestierenden Beschäftigten will der Konzern an seinen Plänen festhalten.

Seit Monaten streiten sich Management und Arbeitnehmervertreter beim Technologieunternehmen Bosch wegen eines geplanten Stellenabbaus. Aus Sicht des Konzerns ist der Schritt notwendig, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Doch der Unmut in der Belegschaft wächst. Am Mittwoch haben an mehreren Standorten von Bosch Tausende Beschäftigte gegen die Stellenstreichungen protestiert. Allein vor die Konzernzentrale in Gerlingen (Kreis Ludwigsburg) sind mehr als 10.000 Menschen gekommen, wie Betriebsrat und IG Metall mitteilten.

Die Gewerkschaft und die Arbeitnehmervertretung hatten zu der Kundgebung unter dem Motto "Zukunft baut man nicht alleine, man gestaltet sie gemeinsam" aufgerufen. Weitere Aktionen gab es laut IG Metall und Betriebsrat in Bayern an den Standorten Bamberg, Ansbach, Nürnberg und Blaichach/Immenstadt, im thüringischen Eisenach, in Hildesheim und Salzgitter (Niedersachsen) sowie in Homburg (Saarland) - mit weiteren etwa 15.000 Teilnehmern.

Die Protest-Botschaft lautet: "Stopp, so geht es nicht weiter"

Die Lage bei Bosch belastet nach eigenen Aussagen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der geplante massive Personalabbau bedrohe nicht nur Tausende von Arbeitsplätzen, sondern stelle auch die Zukunft, Innovationen und soziale Verantwortung in Frage, heißt es in dem Protestaufruf.

Alle, die an den Protesten teilnehmen, hätten eine Botschaft, sagte der Betriebsratschef der Zuliefersparte, Frank Sell, am Mittwoch in Gerlingen. "Die Botschaft ist: Stopp, so geht es nicht weiter. So lassen wir mit uns nicht umgehen. Stoppt diesen wahnsinnigen Personalabbau." Bereits in den vergangenen Jahren seien 4.000 Stellen im Zulieferbereich abgebaut worden, so Sell.

Man protestiere, weil man über Chancen sprechen wolle. Zentrale Gespräche würden bislang von der Geschäftsführung jedoch abgelehnt: "Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: So ein Riesenunternehmen. Und dann wird uns mitgeteilt: Der Personalabbau soll Standort für Standort verhandelt werden. Nach dem Motto: Teile und herrsche."

Die Stimmung im Unternehmen hat sich verändert

Viele Bosch-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter sind mittlerweile darüber entsetzt, wie sich die Stimmung im Unternehmen verändert hat. Auch Tim Reule, Ingenieur und Betriebsrat bei Bosch in Schwieberdingen (Kreis Ludwigsburg) sagt, den "sozialen Bosch" von früher gebe es nicht mehr.

Im ganzen Bosch-Kontext gesehen: So hart war es noch nie. So unpersönlich war es noch nie und so distanziert war es noch nie.

Außerhalb von Europa ist der Verbrennungsmotor noch gefragt

Bosch plant, alleine in Deutschland im Automobilbereich in den nächsten Jahren rund 3.200 Stellen abzubauen. Im Bereich Verbrennertechnologie, in dem Tim Reule als Ingenieur arbeitet, will das Unternehmen an den Standorten Schwieberdingen und Stuttgart-Feuerbach 1.500 Stellen streichen. Die Firma gibt an, wegen des von der Politik verordneten Aus für Diesel- und Benzinmotoren brauche man in Zukunft weniger Entwicklerinnen und Entwickler.

Doch da außerhalb Europas Verbrennungsmotoren noch lange nachgefragt werden, bewertet Bosch Mitarbeiter Tim Reule den Plan des Unternehmens ganz anders: "Ich glaube, wir reden hier von einer Verlagerung und nicht von einem Abbau." Schaue man sich Entwicklungschancen der nächsten Jahre an, seien die eher gleichbleibend. "Nur halt nicht in Deutschland", so Reule.

Tim Reule, Ingenieur und Betriebsrat bei Bosch in Schwieberdingen sagt, den sozialen Bosch von früher gibt es nicht mehr.
Den "sozialen Bosch" von früher gebe es nicht mehr, sagt Bosch-Betriebsrat und Ingenieur in Schwieberdingen, Tim Reule.

Trotz Protesten: Bosch hält an geplantem Stellenabbau fest

Trotz der Proteste am Mittwoch will man bei Bosch an den geplanten Stellenstreichungen festhalten. Das Unternehmen habe Verständnis für die Sorgen der Belegschaft und sei zum Dialog bereit, erklärte der Stiftungskonzern am Mittwoch. "Wir gehen mit Augenmaß vor und wollen mit den Arbeitnehmervertretern sozialverträgliche Lösungen finden". Denkbar seien etwa Vorruhestandsregelungen und Qualifizierungsprogramme für Wachstumsbereiche. Betriebsbedingte Kündigungen schließt eine Vereinbarung für die knapp 80.000 Beschäftigten der Zuliefersparte in Deutschland bis Ende 2027 aus.

"An dem notwendigen Stellenabbau kommen wir jedoch nicht vorbei", sagte Personalchef Stefan Grosch. Das müsse außerdem schnell gehen. "Denn wir haben bereits an vielen Stellen Überkapazitäten und die Herausforderungen nehmen weiter deutlich zu." Wettbewerbs- und Preisdruck hätten sich stark erhöht.

Bosch-Betriebsrat: Verhandlungen einseitig vom Unternehmen auf Eis gelegt

Der Ärger bei vielen Bosch-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern ist groß. Den Jobabbau wollen sie sich nicht gefallen lassen. Zumal die Verhandlungen über die Bedingungen der Stellenstreichungen vom Unternehmen einseitig auf Eis gelegt worden seien, so der Betriebsrat. Damit sich das ändert und die Verhandlungen weiter gehen können, gibt es Druck. Die Arbeitnehmervertreterinnen und -vertreter aus dem Automobilbereich hatten deshalb zu Protesten aufgerufen.

Neben dem geplanten Stellenabbau will Bosch nach Betriebsratsangaben auch gut 10.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf ihre tarifliche Arbeitszeit zurückstufen - von 40 auf 35 Stunden. "Wir können es nicht akzeptieren, dass Tausende von Menschen auf Entgelt verzichten und gleichzeitig das Unternehmen erfolgreiche Gewinne macht", sagte Betriebsratschef Frank Sell.

Foto: Betina Starzmann
Tausende Bosch-Mitarbeitende protestierten gegen den geplanten massiven Stellenabbau bei dem Autozulieferer. Auch am Himmel über Stuttgart machten sie am Mittwoch auf ihr Anliegen aufmerksam.

Bosch steigerte 2023 seinen Gewinn auf 4,6 Milliarden Euro

Bosch steht mit Blick auf die Zahlen seiner aktuellen Bilanz gut da: Der operative Gewinn des Konzerns stieg 2023 auf 4,6 Milliarden Euro - zuvor waren es 3,8 Milliarden Euro. Die Transformation in der Autoindustrie kostet aber auch viel Geld, neue Produkte müssen entwickelt werden. Deshalb steht die Profitabilität aller Bereiche und Abteilungen in dem Konzern auf dem Prüfstand.

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