Ich mache mir Sorgen um unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt, die Bilder vom Fähranleger in Schlüttsiel haben mich erschüttert. Ein Minister, der wegen eines wütenden Mobs nicht an Land kann - unfassbar. Deshalb bin ich erleichtert, dass es den Landwirten heute in Baden-Württemberg gelungen ist, einen besseren Ton zu treffen und Krawallmacher an den Rand zu drängen - zumindest habe ich das so wahrgenommen.
Versäumnisse liegen weiter in der Vergangenheit zurück
Jeder hat das Recht, seinen Unmut auf die Straße zu tragen. Doch stimmt eigentlich der Adressat, sind die Proteste in dieser Vehemenz gerechtfertigt? Die verfehlte Entwicklung in der Agrarpolitik allein dieser Regierung anzulasten, ist ein Witz. Das Höfesterben begann nicht mit dem Amtsantritt der Ampel.
Kostendeckende Preise gibt’s für Landwirte seit Jahrzehnten nicht und über mangelnde Wertschätzung regen sich die Bauern ebenso lange auf. Eine Debatte über die Zukunft der Landwirtschaft würde sich also lohnen. Aber sind Landstraße oder Autobahnauffahrt dafür die geeigneten Orte?
Sorge um gesellschaftlichen Zusammenhalt
Okay, die Ampel-Koalitionäre haben sich die Proteste selbst eingebrockt mit ihren Schnellschüssen. Zu Recht hat die Bundesregierung einen Teil der Beschlüsse wieder zurückgenommen. Doch das reicht den Landwirten nicht - so wie Gastronomen nicht verstehen wollen, dass die Politik nach Corona die Mehrwertsteuer wieder auf Normal gestellt hat und Spediteure fordern, dass die höhere Maut wieder einkassiert wird.
Politik aber geht anders: Ihr Ziel ist es, die Lasten fair zu verteilen oder umgekehrt: Allen etwas zuzumuten. Das ist manchmal schmerzhaft und selten spektakulär, aber vor allem funktioniert es nur, wenn darüber ein breiter Konsens besteht. Dieser ist Voraussetzung für gesellschaftlichen Zusammenhalt - doch gerade regieren nur Wut und Empörung.