Schlagzeilen über ein sogenanntes Geheimtreffen mit rechtsextremen Absichten, bröckelnde Umfragewerte, Gerichtsauseinandersetzungen in Sachen Verfassungsschutz - es sind schwierige Zeiten für die AfD. In Münster verhandelt das Oberverwaltungsgericht derzeit über eine Klage der AfD gegen ihre Einstufung als rechtsextremistischer Verdachtsfall.
Am Mittwoch soll das Urteil fallen, ob der Verfassungsschutz die Partei beobachten darf oder nicht. Auch über die Einstufung der "Jungen Alternative" und den inzwischen aufgelösten völkischen "Flügel" als "gesichert rechtsextremistisch" soll entschieden werden.
Gleichzeitig werfen neue Recherchen des Bayerischen Rundfunks (BR) erneut die Frage auf, ob die AfD noch auf demokratischem Boden steht. Mehr als 100 Mitarbeitende mit Verbindungen zu Organisationen, die von deutschen Verfassungsschutzbehörden als rechtsextrem eingestuft werden, sollen AfD-Bundestagsabgeordnete demnach beschäftigen - auch aus Baden-Württemberg.
Unter den Mitarbeitenden befinden sich den BR-Recherchen zufolge Aktivisten aus dem Umfeld der "Identitären Bewegung", ideologische Vordenker aus der "Neuen Rechten" und mehrere Neonazis. Diese und andere Organisationen, in denen die Beschäftigten aktiv sind, werden von deutschen Verfassungsschutzämtern als rechtsextrem eingestuft.
Auch Weidel und Frohnmaier aus BW beschäftigen Rechtsextreme
Auch Alice Weidel, die als Spitzenkandidatin der AfD Baden-Württemberg in den Bundestag einzog, und der AfD-Landesvorsitzende Markus Frohnmaier sollen rechtsextremistische Mitarbeitende beschäftigen, so die Recherchen des BR. Bei Weidel handele es sich um zwei Personen mit eindeutigen Bezügen zum Rechtsextremismus. Frohnmaier soll nach den BR-Recherchen etwa eine Mitarbeitende beschäftigen, die mit der "Identitären Bewegung" in Verbindung stehen soll.
Frohnmaier sagte gegenüber dem SWR: "Meine Mitarbeiter im Büro sind alles Leute, die sich nichts zu Schulden haben kommen lassen, die auch sicherheitsüberprüft worden sind." Er begrüße es, wenn junge Menschen im politischen Vorfeld aktiv sind, solange alles im Rahmen des Gesetzes stattfinde.
Weidel sieht ihren Aussagen zufolge bei der Recherche eine Kampagne am Werk und bezichtigte die anwesenden Journalistinnen und Journalisten bei einer Pressekonferenz am Dienstag in Berlin des "Gesinnungsaktivismus". Ihre Mitarbeitenden seien in ihren Augen nicht rechtsextrem - weiter ging sie nicht auf die Recherche-Ergebnisse ein.
Bundestagsabgeordneter aus BW "verblüfft" von "enormer" Zahl
Thorsten Frei, CDU-Bundestagsabgeordneter aus dem Wahlkreis Schwarzwald-Baar/Oberes Kinzigtal, ist verblüfft von der "enormen" Zahl der erwiesen rechtsextremistischen Mitarbeitenden bei der AfD. "Ich habe die Erwartung, dass die Bundestagspräsidentin eine entsprechende Bestandsaufnahme macht und daraus dann auch die notwendigen Konsequenzen zieht", sagte Frei am Dienstag in Berlin. Aus seiner Sicht sei es klar, dass "erwiesene Rechtsextremisten nicht im Deutschen Bundestag arbeiten dürfen".
Katja Mast, Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, sagte dem SWR: "Wenn auch AfD-Abgeordnete aus Baden-Württemberg Rechtsextreme beschäftigen, spricht das ja für die AfD in Baden-Württemberg beziehungsweise spricht das eben nicht für die AfD in Baden-Württemberg." Man müsse sich der AfD dennoch auch inhaltlich stellen.
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Genaue Mitarbeiterzahl der AfD-Fraktion unklar
Wie viele Mitarbeitende genau die AfD-Fraktion im Bundestag beschäftigt, ist unklar. Bundestagsverwaltung und AfD-Fraktion machen hierzu keine Angaben. Insgesamt stehen der Fraktion und ihren 78 Abgeordneten mehr als 30 Millionen Euro jährlich für Mitarbeitende zur Verfügung.
Die BR-Recherche hat durch interne Namenslisten und aktuelle Mitarbeiterverzeichnisse jedoch mehr als 500 Personen identifiziert, die nach den vorliegenden Informationen für die AfD-Bundestagsfraktion oder ihre Abgeordneten arbeiten.
Neonazis und "Reichsbürger" unter den AfD-Beschäftigten
Unter den Mitarbeitenden von Fraktion und Abgeordneten sind den Recherchen zufolge Personen, die namentlich in Verfassungsschutzberichten erwähnt werden oder die Führungspositionen in beobachteten Organisationen besetzen. Nach den BR-Recherchen sollen manche Mitarbeitende Teilnehmer an Neonazi-Aufmärschen in Chemnitz, Dortmund, Dresden, Magdeburg und Zwickau gewesen sein.
Auch dabei sind laut BR-Informationen Personen, die etwa im Zusammenhang mit "Reichsbürger"-Gruppierungen oder der rechtsextremen Preppergruppe "Endkampf" in Erscheinung stehen. Mitarbeitende hätten lokale Pegida-Ableger gegründet und "Querdenker"-Demonstrationen organisiert.
Auch AfD-Fraktionsvorsitzende beschäftigen Rechtsextreme
Neben Weidel und Frohnmaier beschäftigen den BR-Recherchen zufolge mehr als die Hälfte der AfD-Abgeordneten Personen, die in Organisationen aktiv sind, die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft werden - darunter auch der AfD-Fraktionsvorsitzende Tino Chrupalla.
Die AfD-Fraktion schrieb als Reaktion auf die BR-Recherchen, aus "Gründen des Datenschutzes und der Wahrung der Persönlichkeitsrechte" werde man sich nicht äußern. Zudem sei die Einstufung eines Verfassungsschutzamtes "grundsätzlich eine reine Maßnahme dieser jeweiligen Behörde", an die sich keine "schon gar nicht 'automatische' Rechtswirkungen" anknüpften.
Aktive und ehemalige Mitglieder der "Jungen Alternative" beschäftigt
Rund 25 Mitglieder der "Jungen Alternative" arbeiten den BR-Recherchen zufolge für die AfD-Fraktion oder deren Abgeordnete im Bundestag. Dazu kommen einige ehemalige JA-Mitglieder, die die Altersgrenze von 35 Jahren überschritten haben. Der Verfassungsschutz stuft die JA als "gesichert rechtsextreme Bestrebung" ein, die Organisation wehrt sich aktuell dagegen vor Gericht.
Der Verfassungsschutz stuft auch die AfD-Landesverbände Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen in den jeweiligen Ländern als rechtsextrem ein. Einige Mitglieder aus diesen Landesverbänden arbeiten für AfD-Abgeordnete und die Fraktion.
Verfassungsschutz beobachtet AfD in BW
Der Verfassungsschutz beobachtet die baden-württembergische AfD seit Juli 2022 als sogenannten rechtsextremistischen Verdachtsfall. Die Sicherheitsbehörden sehen also "hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte" für verfassungsfeindliche Bestrebungen in der AfD Baden-Württemberg.
"Auch wenn sich die extremistischen Kräfte innerhalb der baden-württembergischen AfD bisher nicht mehrheitlich durchsetzen konnten, erfahren sie weiterhin nennenswerte Unterstützung im Landesverband und sind zum Teil prägend für das Bild, das dieser nach außen abgibt", betonte der Sprecher des Landesamts für Verfassungsschutz erst im Januar. "Eine inhaltliche Mäßigung und gar Distanzierung von extremistischen Aussagen einzelner, reichweitenstarker Personen innerhalb des AfD-Landesverbands ist bislang nicht erkennbar."