An manchen Tagen stand mein Vater besonders früh auf. Er wollte der Sperrmüllabfuhr zuvorkommen. Quasi in allerletzter Minute „rettete“ er Zeug, das meine Mutter am Vorabend hinausgestellt hatte - aus gutem Grund. Kaputte Radios oder Schirmständer, nicht mehr benutzte Skier. Das könnte man vielleicht noch brauchen, befand mein Vater am Frühstückstisch. Meine Mutter setzte darauf, dass er den nächsten Termin verschlief.
Schuldgefühle hindern am Wegwerfen
Mein Vater war ein „Bewahrungstyp“, wie ich im SWR1-Gespräch mit der Psychologin Eva Wlodarek erfahre. Meine Mutter demnach ein „Entsorgungstyp“. Spannend finde ich die psychologischen Motive, die Eva Wlodarek für die Scheu vor dem Wegwerfen nennt. Dabei geht es uns um Sicherheit, um Erinnerungen an schöne Zeiten und um Schuldgefühle: Wer wirft schon gern die Zeichnung eines Kindes oder den Liebesbrief einer bzw. eines Verflossenen weg?
Mir fällt das Weggeben leichter, wenn ich weiß: Andere können es noch brauchen. Ich freue mich über die vielen Kartons an der Straße mit Töpfen, Spielzeug und CDs. Zwar handelt es sich um „wilde Müllablagerungen“, die mit einem Bußgeld geahndet werden können, aber in diesem Fall, finde ich, heiligt der Zweck die Mittel. Null Verständnis habe ich dagegen, wenn Leute halbleere Parfümflaschen oder brüchige Stühle vor Wohnheime für Geflüchtete stellen.
„Das Haus verliert nichts“, pflegt meine Mutter zu sagen. Darin liegt eine Gefahr - wer viel Platz hat, kann länger horten. Ob Sie nun ein Bewahrungs- oder Entsorgungstyp sind – nichts ist dem Wegwerfen förderlicher als ein Umzug oder Auszug. Im zweiten Fall müssen dann auch Liebesbriefe dran glauben.