Fibromyalgie wurde lange Zeit als psychosomatisch abgetan. Meist sind es Frauen, die daran erkranken. Die Ursachen sind komplex und vieles ist noch unklar.
1. Bis zu 6 Prozent der Deutschen leiden an Fibromyalgie
Die Fibromyalgie betrifft schätzungsweise 2 Prozent der Gesamtbevölkerung, die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin spricht sogar von bis zu 6 Prozent. Sie gehört damit zu den häufigen Schmerzerkrankungen.
2. Bis zur Diagnose dauert es im Durchschnitt 16 Jahre
Bis die Diagnose Fibromyalgie feststeht, dauert es oft sehr lange, im Durchschnitt sind es 16 Jahre, so das Ergebnis einer Analyse aus dem PraxisRegister der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin. Viele Menschen mit Fibromyalgie werden falsch behandelt, weil die Ärzte die Erkrankung nicht erkannt haben. Im schlimmsten Fall werden sie mit falschen Medikamenten behandelt oder sogar operiert.
3. Vor allem Frauen sind von Fibromyalgie betroffen
Die Fibromyalgie betrifft zu 90 Prozent Frauen, aber auch Männer können erkranken. Zumeist bricht die Krankheit erst im höheren Alter aus, trotzdem trifft es auch junge Menschen.
4. Diagnose ist bisher nur per Ausschlussdiagnose möglich
Die Krankheit wurde zwar schon 1994 in den Katalog der WHO aufgenommen, doch sie sei im Medizinstudium bis heute nicht wirklich angekommen, so Schmerzspezialistin Antje Maercklin von der Rommel-Klinik in Bad Wildbad. Es gibt bislang keine eindeutigen Kriterien, sondern Fibromyalgie ist eine Ausschlussdiagnose. Das heißt, wenn alle anderen Schmerzursachen ausgeschlossen sind und eine gewisse Anzahl von Symptomen besteht, gilt ein Schmerzsyndrom als Fibromyalgie.
5. Die Liste der Symptome ist lang
Zu den Schmerzen kommen noch weitere Symptome wie Schlafstörungen, depressive Verstimmungen sowie Kopf- und Bauchschmerzen. Auch die chronische Fatigue gehört zu dem Krankheitsbild. Für diese Kriterien hat die Rommel-Klinik in Bad Wildbad einen eigenen Diagnosebogen erstellt, der nach vermehrter Empfindlichkeit, Kloß-Gefühl im Hals, Heiserkeit, Schwellungen und morgendlichem Steifheitsgefühl in Rumpf und Händen fragt. Auch das Reizdarm-Syndrom sei sehr häufig assoziiert, sowie Blasen- und Regelbeschwerden, so Antje Maercklin von der Rommel-Klinik. Sogar Luftnot, das Gefühl von Herzrhythmusstörungen, Nesselsucht und Allergien können Teil der Symptome sein.
6. Blutwerte der Betroffenen sind normal
Die Symptome können also sehr unterschiedlich sein. Auffällig ist aber bei allen: Die Blutwerte der Betroffenen sind völlig normal. Kein Wunder, dass die Erkrankung lange Zeit als rein psychosomatisch galt.
7. Gehirn reagiert bei Fibromyalgie möglicherweise anders auf Schmerzen
Ein wichtiges Puzzleteil, um das Rätsel Fibromyalgie zu entschlüsseln, ist die Schmerzverarbeitung im Gehirn. Dazu forscht Martin Diers, Leiter der klinischen und experimentellen Verhaltensmedizin in der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des LWL-Universitätsklinikums der Ruhr-Universität Bochum. Möglicherweise, so Martin Diers, liegt eine Ursache der Fibromyalgie in einer Besonderheit der Schmerzverarbeitung im Gehirn. Das Ergebnis seiner Forschung: Wer Fibromyalgie hat, hat ein deutlich intensiveres Schmerzempfinden im Vergleich zu gesunden Menschen.
8. Verhaltenstherapie kann bei Schmerzempfinden helfen
Das Gute an dieser Erkenntnis: Es ist möglich, mithilfe von Verhaltenstherapie die eigene Schmerzwahrnehmung umzulernen. Hierbei wird der Schmerzausdruck reduziert, damit sich die Betroffenen weniger mit dem Schmerz beschäftigen:
9. Immunsystem könnte Auslöser für Fibromyalgie sein
Weitere Forschungen geben allerdings erste Anhaltspunkte dafür, dass es nicht vorrangig das Gehirn ist, sondern das Immunsystem, das die Schmerzen auslöst. In einer Studie der Lübecker Klinik für Rheumatologie und Klinische Immunologie an 90 Patientinnen und Patienten mit Fibromyalgie-Syndrom zeigten sich bestimmte Muster im Immunsystem. Die Veränderungen von verschiedenen Antikörpern sei ein Muster, das man von anderen Krankheiten nicht kenne, so Direktorin Gabriela Riemekasten. Es gibt durch diese Forschung also Hinweise darauf, dass die Fibromyalgie in vielen Fällen eine Autoimmunerkrankung zu sein scheint.
10. Umweltgifte und Erreger als mögliche Auslöser für Fibromyalgie
Das Team um Richard Straube im bayerischen Cham untersuchte in einem Zeitraum von 14 Jahren das Blut von 560 Fibromyalgie-Patientinnen auf zahlreiche krankmachende Umweltgifte und andere Faktoren. Neben erhöhten chemischen Schadstoffen und Umweltgiften zeigten die Blutuntersuchungen auch häufig massive Probleme im Darm. Daneben fand das Forschungsteam auch Marker für verschiedene Erkrankungen im Blut, die möglicherweise mit verantwortlich dafür sind, dass ein solches Schmerzsyndrom entsteht: Borreliose, Toxoplasmose und oxidativer Stress.
11. Fibromyalgie könnte eine entzündliche Erkrankung sein
Die Fibromyalgie gilt bislang als nicht entzündliche Erkrankung. Doch es gibt so etwas wie eine stille Entzündung, die in der Blutsenkung nicht sichtbar wird. Das Team um Richard Straube im bayerischen Cham untersuchte diesen unterschwelligen Entzündungsgrad mittels der Marker Rantes, ECP und TNP Alpha, die häufig deutlich erhöht seien. Als erste Therapiemaßnahme wird von Straube eine spezifische Blutwäsche vorgenommen, eine Behandlung, die bislang fast nur bei schweren chronischen Fettstoffwechselstörungen angewandt wird. Bei Fibromyalgie steht diese Behandlung bisher nur Selbstzahlenden offen.
12. Schmerzkliniken bieten Bewegungstherapie bei Fibromyalgie an
Die Anleitung zur Schmerzreduktion ist die Aufgabe von Schmerzkliniken wie der Rommel-Klinik in Bad Wildbad. Antje Maercklin erklärt das Konzept:
In der Schmerzklinik wird vor allem Hilfe zur Selbsthilfe angeboten. Gymnastik und leichtes Krafttraining, aber auch Wärmebehandlungen und Meditation stehen auf dem Programm.
13. Fibromyalgie-Patienten sind oft abhängig von Schmerzmedikamenten
In Schmerzkliniken wie der Rommel-Klinik kommen viele Schmerzpatienten mit Medikamentenabhängigkeit. Zu den Haupttätigkeiten von Oliver Rommel, Chefarzt der Neurologischen Abteilung Rommel-Klinik Bad Wildbad, gehören darum Opiatentzüge. Das Problem bei der Opiattherapie sei, dass in der Langzeittherapie nur jeder vierte Patient auf Opiate anspricht, ganz viele hätten einen Wirkungsverlust oder würden immer schmerzempfindlicher, so Rommel. Ein wesentliches Ziel der Schmerzklinik ist es folglich, die regelmäßige Einnahme von Schmerzmedikamenten zurückzufahren oder nach Möglichkeit ganz darauf zu verzichten.
14. Selbsthilfegruppen sind wichtiger Bestandteil des Lebens mit Fibromyalgie
Wichtig für die Lebensqualität vieler Menschen mit Fibromyalgie ist der Austausch mit anderen Betroffenen. Selbstfürsorge zu erlernen ist wichtig bei dieser Erkrankung. Dabei übernehmen gerade die Selbsthilfegruppen eine wichtige Aufgabe, sei es im Internet oder in lokalen Gruppen. Der Selbsthilfeverband Fibromyalgie BW und die Deutsche Fibromyalgie Vereinigung bieten auf ihren Seiten dazu viele Informationen an.
15. Fibromyalgie gilt bisher als unheilbar
Die Fibromyalgie ist nicht fortschreitend und zerstört kein Gewebe – vielleicht ist das ein Grund dafür, warum die Erkrankten so wenig Hilfe bekommen. Die Schmerzen zu lindern und für das eigene Wohlbefinden sorgen – darum bemühen sich die meisten von Fibromyalgie-Betroffenen auf eigene Kosten. Doch der Schmerz gilt bislang als unheilbar und macht den Alltag oft zur Qual. Um das Rätsel Fibromyalgie zu lösen, wird noch viel Forschung nötig sein.