Posterboy eines neuen Männerbildes

Harry Styles wird 30: Konzerte als Safe Space der Queerness

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Autor/in
Dominic Konrad
Dominic Konrad, Autor und Redakteur bei SWR Kultur und SWR Musik

Harry Styles ist der Pop-Star der Stunde. Wie kaum ein anderer Sänger seiner Generation spielt Styles mit Geschlechterrollen, für seine queeren Fans sind seine Konzerte ein „geschützter Raum“. Der Hype um den britischen Sänger zeigt: Queerness definiert sich heute nicht mehr zwangsläufig darüber, wer mit wem schläft.

Harry Styles beim BBC Radio 1's Big Weekend in Coventry
Pop-Star in der Nachfolge von David Bowie und Freddie Mercury: Neun Mal war Harry Styles für den Grammy nominiert, 2023 wurde er für sein drittes Album „Harry's House“ gleich doppelt ausgezeichnet.

Harry Styles kommt nach München, Düsseldorf und Frankfurt

Paillettenbesetzte Hütchen, Federboas, bunte Klamotten und Regenbogen-Flaggen: „Bunt“ ist das naheliegendste Wort, wenn man die Fans von Pop-Star Harry Styles beschreiben möchte. Drei Jahre, zwischen 2021 und 2023, tourte Styles mit seiner „Love On Tour“ durch die Welt, insgesamt 169 Konzerte.

Auf der Bühne, in Interviews und im Umgang mit seinen Fans betont der Sänger immer wieder seine Unterstützung für die LGBTQ+-Community. Er schwenkt Gay- und Trans-Pride-Flaggen oder ermutigt seine Fans zum Coming-Out vor den Eltern. Jede*r soll sich auf seinen Konzerten wohlfühlen. Die Fans danken es ihm.

„Ich habe mich lange nicht mehr so sehr in meiner Queerness bestätigt gefühlt wie dort“, schreibt etwa die Journalistin Aamika Khan 2018 in einem Beitrag für das US-Magazin Them. Das liege nur teilweise an dem Sänger selbst. Es sei viel mehr die Fangemeinde, die Harry Styles anzieht. Für sie biete der Brite, der sich betont androgyn inszeniert, eine ideale Projektionsfläche und einen starken „Queer Ally“, einen Verbündeten im Kampf gegen Homo- und Transphobie.

Harry Styles Fans bei Konzert in Amsterdam (Juli 2022)
Bunte Meute: Für die Fans von Harry Styles sind seine Konzerte eine Art Happening. Selten habe sie sich von einer Gemeinschaft so unterstützt gefühlt wie auf einem Syles-Konzert, schreibt die US-Journalistin Aamika Khan.

Platz 1 in 45 Ländern: Die Erfolgssingle „As It Was“ (2022)

Harry Styles - As It Was (Official Video)

Einer der sichtbaren Unterstützer der LGBTQ+-Bewegung

Als Unterstützer der LGBTQ+-Community nimmt der Sänger zwar kein Blatt vor den Mund, doch Fragen zu seiner eigenen sexuellen Orientierung quittiert er grundsätzlich mit Schweigen. Styles kokettiert mit homoerotischen Bildern, etwa im Clip zum Song „Lights Up“ oder im Film „Der Liebhaber meines Mannes“, in dem Styles einen ungeouteten Polizisten spielt.

Auch wenn aus der Klatschpresse nur Beziehungen mit Frauen bekannt sind, findet Styles die Erwartung, sich öffentlich zu einer Geschlechterpräferenz zu bekennen, überholt. 2022 kommentiert er in einem Interview mit Better Homes and Gardens:

„Es geht darum, nicht alles mit einem Label versehen zu müssen und nicht klarstellen zu müssen, welche Kästchen man ankreuzt.“

Harry Styles beim Toronto International Film Festival 2022
Für Harry Styles ist Mode ein Ausdruck seiner Persönlichkeit, nicht seines Geschlechts. Bei der Premiere seines Films „Der Liebhaber meines Mannes“ trug Styles ein smaragdgrünes Sakko mit großer Lilienbrosche.

Im Rüschenkleid auf dem Cover der „Vogue“

Dass über die Sexualität von Harry Styles immer wieder spekuliert wird, liegt nicht zuletzt an seinem modischen Auftreten. Im Interview mit dem Guardian erklärte sich der Musiker 2019:

„Ich möchte, dass die Dinge auf eine bestimmte Art und Weise aussehen. Nicht, weil ich dadurch schwul, hetero oder bisexuell aussehe, sondern weil ich finde, dass es cool aussieht. Und mehr noch, ich weiß nicht, ich denke einfach, dass Sexualität etwas ist, das Spaß macht.“

Das Spiel mit den Geschlechtern gehört zum Markenkern des Sängers. Gerne zeigt er sich in Kleid, mit bunt bedruckten Blusen oder solchen mit Spitzenbesatz. Die Perlenkette machte er zum trendigen Mode-Accessoire für Männer.

Styles' Einfluss auf die Mode wird auch von der Fachwelt anerkannt: 2020 war er der erste Mann, der in einem Solo-Shoot das Cover der „Vogue“ zierte – im bodenlangen Rüschenkleid mit schwarzem Dinner-Jackett. Das Kleid selbst wurde später zum Exponat einer Ausstellung über Männermode im Londoner Victoria & Albert Museum.

Neben allem Lob gibt es auch Kritik an Styles' Uneindeutigkeit, gerade auch aus der queeren Szene. Der US-Schauspieler Billy Porter („Pose“), selbst bekannt für seinen extravaganten Modestil, kritisierte das Zeitschriften-Cover: Für ihn als Schwarzen, schwulen Mann sei es ein politisches Statement, sich im Kleid bei Preisverleihungen zu zeigen. Styles werde als „mutig“ gefeiert, dabei gehe er als weißer, heterosexuell gelesener Mann wenig Risiko ein. Später entschuldigte sich Porter für seine Äußerungen.

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Harry Styles kokettiert mit der Aura der Queerness. Damit allein beschreitet er keine neuen Wege: Auch Mick Jagger, David Bowie, Freddie Mercury und Prince spielten mit den Geschlechterbildern. Doch bei Harry Styles wirkt die Grenzüberschreitung weniger provokant und aufrührerisch als bei den berühmten Vorbildern. Die Queerness, die Harry Styles verkörpert, ist entsexualisiert und, zugegebenermaßen, die eines privilegierten, weißen cis Mannes.

Im Zeitalter der sozialen Netzwerke führen queere Menschen kein Nischen-Dasein mehr. Sie vernetzen sich früh, tauschen Erfahrungen und erzeugen sich im Internet ihren digitalen Schutzraum. Mit seiner Botschaft von gegenseitiger Akzeptanz, freier Liebe und der Selbstverständlichkeit, schafft Harry Styles Safe Spaces in den Konzerthallen und im Internet. Was seine eigenen sexuellen Präferenzen sind, ist dabei nebensächlich.

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Dominic Konrad, Autor und Redakteur bei SWR Kultur und SWR Musik