Zeitwort

19.6.1905: Der König aus Kamerun beschwert sich über Kolonialbeamte

Stand
Autor/in
Anita Schlesak

Manga Bell schreibt einen offenen Brief an der Reichstag in Berlin

Manga Bell, dessen Großvater zwei Jahrzehnte zuvor den sogenannten Schutzvertrag mit den Deutschen abgeschlossen hat, beklagt sich am 19. Juni 1905 bitterlich über die Kolonialherren vor Ort. In einem offenen Brief an den Reichstag in Berlin schreibt er zusammen mit 27 weiteren kamerunischen Oberhäuptern folgende Beschwerde:

„Den Herrn Gouverneur von Puttkammer, dessen Richter, Bezirksamtmänner, kurz seine ganz Regierungsbesatzung wollen wir nicht mehr hier haben. Sämtliche Gouvernementsbeamten des Schutzgebietes Kamerun bitten wir forträumen zu wollen, denn ihre Regierung führen sie nicht gut. Sie machen die redliche, gute deutsche Macht zu einer wucherischen und gäunerischen Macht!“

„Mit allerunterthänigstem Gruß an Seine Majestät Kaiser Wilhelm von Deutschland und Kamerun.“

Zu den aufgelisteten kolonialen Verbrechen zählen die Zerstörung von Häusern und Hütten, Zwangsarbeit und exzessive Prügelstrafen etwa mit der Nilpferdpeitsche, mit der die einheimische Bevölkerung bei kleinsten Vergehen gefoltert wird. Dennoch bleibt Rudolf Duala Manga Bell, so sein vollständiger Name, noch einige Jahre kaisertreu.

Manga Bell als Gastschüler in Aalen

In jungen Jahren hat Manga Bell als Gastschüler die deutsche Kultur schätzen und lieben gelernt, weiß sein Großneffe Jean-Pierre Felix-Eyoum, der heute als pensionierter deutscher Lehrer in Bayern lebt.

„Er konnte die Sprache der Deutschen, dann hat man ihn sehr bewundert. Er war ein schwarzer Weißer sozusagen. Ordnung, Pünktlichkeit, Gerechtigkeit, Genauigkeit: das hat er sehr beherzigt, das fand er einfach so toll. Mein Großonkel wollte ein guter Deutscher sein.“

1891 kommt der kamerunische Prinz mit vermutlich 16 Jahren als Pflegesohn zur Lehrerfamilie Oesterle nach Aalen. Nach seinen fünf Aalener Schuljahren verbringt Manga Bell noch zwei Jahre als Gymnasiast in Ulm. 1897 kehrt er in seine westafrikanische Heimat zurück, wo er laut seinem Großneffen anfangs auch Freundschaften mit den Kolonialbeamten knüpft.

Friedlicher Widerstand gegen unrechtmäßiges Handeln der Deutschen

Als Oberhaupt der Ethnie der Duala pocht er auf das Einhalten von Verträgen und widersetzt sich im Vertrauen auf das deutsche Recht Enteignungen und Zwangsumsiedlungen. 20.000 einheimische Schwarze, die vom Handel und Fischfang leben, sollen von der Küstenstadt Duala ins sumpfige Inland verdrängt werden, um 400 Weißen Platz zu machen.

Der friedliche Widerstand mit Petitionen und die Hilfe sozialdemokratischer Politiker in Berlin zeigen im März 1914 kurzfristig Erfolg. Doch dann agitieren fast alle deutschen Zeitungen wie auch der Verein der Westafrikanischen Kaufleute Hamburg gegen die – Zitat – „Unverschämtheit des N-Charakters“ und das Treiben in der Kolonie. Die gewaltsame Enteignung wird durchgesetzt und Manga Bell unter fadenscheinigen Gründen des Hochverrats angeklagt.

1914 wird Manga Bell nach kurzem Scheinprozess hingerichtet

Am 7. August 1914, nur einen Tag nach einem kurzen Scheinprozess, werden Rudolf Duala Manga Bell und sein Weggefährte Ngoso Din durch den Strang hingerichtet. Sie bleiben drei Tage lang am Galgen hängen – zur Abschreckung. Ein Justizmord der deutschen Kolonialgeschichte, der bis heute politisch nicht aufgearbeitet, geschweige denn gesühnt ist.

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Anita Schlesak