SWR1 Sonntagmorgen

Arm oder Reich - wie kann das Leben für alle gerechter werden ?

Stand
Autor/in
Miriam Staber
Redakteur/in
Michael Lehmann

Rund jede sechste Person in Deutschland gilt als armutsgefährdet. Betroffene erzählen von Vorurteilen und hohen Ausgaben für Bildung.

Teure Bücher, Materialien wie Hefte und Stifte, aber auch Schulranzen: "Schule ist ganz viel mit Ausgaben verbunden", sagt die 26-jährige Hanna (Name geändert) aus Kaiserslautern. Sie ist in Armut aufgewachsen und hat deshalb auch Vorurteile erlebt, "dass man schräg angeschaut wird, weil man arm ist".

Inzwischen ist sie alleinerziehende Mama, seit diesem Schuljahr geht ihr Sohn in die Schule: "Als Elternteil möchte man seinem Kind alles geben, aber das kann man nicht, weil man das Geld nicht hat. Das tut weh."

In Deutschland gilt rund jede sechste Person als armutsgefährdet. Am stärksten betroffen sind Erwerbslose und dann Alleinerziehende, sagt Armutsforscher Christoph Butterwegge. Am stärksten wachsend ist die Armut laut Butterwegge bei den Seniorinnen und Senioren.

Steigende Mieten und höhere Kosten treiben das Thema bis in die Mitte der Gesellschaft, so Butterwegge. Die soziale Ungleichheit wachse, sagt der Armutsforscher - er war in der Vergangenheit SPD-Mitglied und steht nun der Partei DIE LINKE nahe. Um die Schere zwischen Arm und Reich wieder zusammenzubringen fordert er unter anderem einen höheren Mindestlohn, mehr Tarifbindung und höhere Steuern für Reiche.

Auch kirchliche Hilfsorganisationen fordern ein Umdenken der Politik, grade bei der Wohnungsfrage: "Bezahlbares Wohnen ist der Schlüssel zur sozialen Integration", heißt es in einer Mitteilung der Diakonie Deutschland. Jobcenter müssten auf die gestiegenen Wohnkosten reagieren, weil Miet- und Energieschulden der häufigste Auslöser für Wohnungsverlust und damit Wohnungslosigkeit darstellten.

Die alleinerziehende Hanna aus Kaiserslautern hat nicht aufgegeben und gekämpft: Inzwischen hat sie ihre Ausbildung zur Erzieherin abgeschlossen. "Man muss es wollen und Biss haben. Man muss sich dahinterklemmen, sonst fällt man aus dem Raster", sagt sie.

Kinderarmut in Deutschland - nach wie vor ein Tabu-Thema
Kinderarmut in Deutschland - nach wie vor ein Tabu-Thema

Die 26-Jährige hat es - auch mit Hilfe der Caritas - geschafft, aus dem Teufelskreis der Armut auszubrechen. Dafür ist sie mehr als dankbar. Sie wünscht sich, dass Menschen weniger Vorurteile gegenüber Armut haben. Und, "dass jeder Mensch Zugang zu Bildung hat. Bildung ist ja für alle da, egal ob arm oder reich."

Das Kommentar in unserer Sendung ital. Flüchtlingslager in Albanien – kein Vorbild für EU

Die Bilder im italienischen Fernsehen sind abschreckend: Hohe Zäune, vergitterte Fenster, dicke Metalltüren. Ein Hochsicherheitsgefängnis könnte das sein.
Doch bald könnte hier Recht gesprochen werden, europäisches Recht.
In dem Lager in der albanischen Stadt Gjader will Italien Asylanträge prüfen und die Menschen, die keinen Anspruch auf Asyl haben, schnell in ihre Heimatländer zurückschicken.
Abschreckung ist auch das erklärte Ziel der Regierung in Rom. Die illegale Migration, so betont Ministerpräsidentin Giorgia Meloni müsse begrenzt werden.
Und tatsächlich: Immer mehr Bürger fühlen sich von den vielen Hilfesuchenden, die in Europa ihr Heil suchen, überfordert. Wenn die Turnhalle für Jahre geschlossen wird, weil dort Geflüchtete untergebracht werden. Wenn in der Schule kaum noch Deutsch zu hören ist, da zu viele aus anderen Ländern an einem Ort unterrichtet werden. Wenn einem das Fremde unheimlich wird, da man es nicht kennt.
Mit ihrem albanischen Asyl-Experiment will Giorgia Meloni ein Zeichen setzen. Seht her, ruft sie ihren ratlosen EU-Partnern zu. Während Ihr noch redet und diskutiert, habe ich schon gehandelt.
Selbst nach einem Machtwort der Justiz hält die rechte Regierung an ihren Plänen fest. Ein Gericht in Rom hatte entschieden, dass mehrere Männer aus Ägypten und aus Bangladesch, die als erste auf einem Militärschiff nach Albanien transportiert worden waren, nach Italien gebracht werden mussten. Ihre Heimatländer seien nicht sicher, über ihr Schicksal müsse auf italienischem Boden entschieden werden.
Das Experiment von Meloni, das damit in einer ersten Etappe gescheitert ist, führt der Welt vor Augen, dass die italienische Regierung in der Asylpolitik keine konstruktiven Vorschläge hat, sondern dass sie das Problem einfach abschieben will. Auch wenn Regierungschefs das Modell bereits als Vorbild gerühmt hatten.
Die hohen Zäune in Albanien zeigen vor allem, wie verzweifelt die politisch Verantwortlichen sind. Denn wer ein Problem von sich wegschiebt, hat es längst noch nicht gelöst. Ganz im Gegenteil. Es zeigt vielmehr, wie hilflos unser Europa inzwischen geworden ist.

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Miriam Staber
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Michael Lehmann