Dem Plan folgen auch in Rheinland-Pfalz einige Freiwillige und lassen sich auf dem Truppenübungsplatz Baumholder zum Reservisten ausbilden. Und es gibt offenbar Interesse. Darüber haben wir mit dem Verteidigungsexperten Nico Lange gesprochen.
SWR1: Wie erklären Sie sich die große Nachfrage?
Nico Lange: Viele Menschen spüren nicht nur, dass Krieg in Europa ist, sondern dass unsere Sicherheit bedroht ist. Man möchte nicht hilflos zuschauen, sondern sich einbringen, vielleicht auch ein bisschen besser gerüstet sein und wissen, was zu tun ist in einer schwierigen Situation. Ich muss sagen, ich kann das nachvollziehen, dass sich Menschen dafür interessieren.
SWR1: Wenn mehr Menschen Reservisten werden wollen, steigt damit die Zahl der Menschen in der Bundeswehr. Aber reicht das, um den Zustand der Bundeswehr insgesamt zu verbessern?
Lange: Das ist kein Rezept, um zu sagen, auf der Grundlage von mehr Reservisten kriegen wir eine höhere Einsatzbereitschaft der Bundeswehr. Ich glaube, dass mehr Reservisten aber helfen bei gesamtgesellschaftlicher Verteidigung.
In der Ukraine sieht man jedenfalls, dass es einen großen Unterschied macht, wenn es Menschen gibt, die militärische Grundbegriffe gelernt haben, die wissen, wie man sich in schwierigen Situationen verhält, die aber auch wissen, wie man zum Beispiel eine Blutung stillt oder wohin man läuft, wenn Bomben oder Marschflugkörper im Anmarsch sind.
Diese Dinge sind wichtig, wenn sie breiter in der Gesellschaft verstanden werden, weil dann die ausgebildeten Personen auch Führung übernehmen können, da wo sie sind. Das ist schon sinnvoll, mehr Reservisten zu haben, um die gesamtgesellschaftliche Verteidigung zu stärken.
Logistische Probleme Bundeswehr sucht auch in RLP nach Reservisten und bildet Ungediente aus
Die Sicherheitslage in Europa verschlechtert sich. Viele fordern deshalb neben mehr Soldaten auch die Aktivierung einer größeren Zahl von Reservisten - ein logistisches Problem, auch in RLP.
SWR1: Und dafür reicht dann auch so ein Vier-Wochen-Crashkurs für Ungediente, um Soldat zu werden?
Lange: Ja. Am besten ist, eine Grundausbildung zu machen, bleibt dann dabei und übt regelmäßig. Nach meiner Auffassung brauchen wir regelmäßige Übungen, am besten Heimatnah. Aber auch Übungen, wo Reservisten und zivile Verwaltungen zum Beispiel Krisensituationen nicht nur mental, sondern auch wirklich in den Abläufen miteinander üben. Das ist das, was am meisten hilft, damit man nicht in einer ernsten Situation hektisch anfängt, irgendwas zusammen zu puzzeln. Wenn man das schon mal gemeinsam geübt hat, klappt es besser. Dahin müssen wir kommen, und da ist das, was jetzt diskutiert wird, bestenfalls ein Anfang.
SWR1: Reden wir aber noch mal über die Voraussetzungen. Zwischen 18 und 65 soll man sein, körperlich, mental fit. Ist es mit Ü50 wirklich sinnvoll, sich noch als Reservistin ausbilden zu lassen?
Lange: Aus meiner Sicht ja. Es gibt viele Aufgaben, die man auch in dem Alter erledigen kann. Die Situation in der Ukraine, das ist ja das lebendige Beispiel. Da kann man das erkennen, dass auch Menschen, die schon in einem reiferen Lebensalter sind, ihre Beiträge leisten.
Und es geht auch um einen mentalen Wandel. Ich verlasse mich nicht nur darauf, da kommt dann schon irgendwer und macht das für uns. Dass das zu wenig ist, sieht man selbst bei Krisenlagen, wie bei einem Hochwasser. Und das bei der Landes- und Bündnisverteidigung mehr gefragt ist als nur die professionellen Soldaten und Sicherheitsbehörden, sieht man überall auf der Welt. Mir gehen ehrlicherweise die Vorschläge noch gar nicht weit genug.
SWR1: Was würden Sie sich denn wünschen?
Lange: Ich glaube, man müsste auch darüber nachdenken, dass Landräte, Ministerpräsidenten von Bundesländern oder Bürgermeister großer Städte verpflichtet werden müssen, bestimmte Übungen zu machen, bestimmte Dinge zu können. Auf die kommt es ganz besonders an, wenn ein Verteidigungsfall oder ein Krisenfall eintritt. Ich bin auch ein Befürworter einer allgemeinen Dienstpflicht, die noch über einen Aufruf "Leistet eure Ausbildung ab und werdet Reservisten" weit hinausgeht.
Das Interview führte SWR1 Moderatorin Claudia Deeg.