„Zwei Minuten“: Die Kolumne zum Wochenende

Meinung: Mehr Chancengleichheit durch neuen Wehrdienst?

Stand
Autor/in
Marie Gediehn

Chancengleichheit bei der Truppe: Was Emanzipation und Bundeswehr mit der Fußball-EM zu tun haben.

Noch 134 Jahre, dann haben wir`s. Noch 48.910 mal schlafen, dann, wenn wir so weiter machen wie bisher, dann haben wir weltweit die Gleichstellung von Männern und Frauen erreicht, im Jahr 2158. Das berichtet die Stiftung Weltwirtschaftsforum. Weltwirtschaftsforum, das ist, wenn jedes Jahr in Davos überwiegend männliche Chefs von Staaten und Konzernen über alles reden, was wichtig ist.

Und dieses Weltwirtschaftsforum verfasst regelmäßig einen Index, eine Rangliste zur Geschlechtergleichheit. Und da ist Deutschland viel besser als es die 134 Jahre vermuten lassen. Denn die 134 Jahre beziehen sich ja auf die ganze Welt. Und Deutschland liegt aber auf Platz sieben weltweit, wenn es um faire Chancen für Männer und Frauen geht. Also müssen Frauen in Deutschland weniger als 134 Jahre warten auf Gleichberechtigung. Wievielmal genau mal weniger, steht allerdings nicht in dem Bericht.

Marie Gediehn
Die Kolumne zum Wochenende von Marie Gediehn

Zur Wahrheit gehört aber auch: Wir sind ein bisschen abgerutscht, von Platz sechs auf sieben. Nicaragua hat uns überholt. Außer in Nicaragua ist auch in Island, Finnland, Norwegen, Neuseeland und Schweden das Bemühen um Gleichstellung messbar größer als in Deutschland.

Aber, jetzt rollen wir ja in Deutschland das Feld ganz neu auf, das Schlachtfeld der Emanzipation: Wenn nämlich die Wehrpflicht irgendwie wiederbelebt wird. Denn der Verteidigungsminister will ja, dass bald alle jungen Männer und eben auch alle jungen Frauen die Chance haben, Post von ihm zu bekommen. Und dann wird es spannend, denn die Männer hätten dann die Pflicht zu antworten: Ja, nein oder weiß nicht, ob ich zum Bund will.

Die Frauen hätten die Wahl, ja, nein oder weiß nicht anzukreuzen oder gar nichts zu tun: Brief ins Altpapier und fertig. Also die Männer müssen antworten, aber was ist egal, die Frauen dürfen antworten und was ist auch egal. Und wenn das jeglichen möglichen Kriegsgegner nicht maximal verwirrt, dann weiß ich es auch nicht.

 

Und für diese - nennen wir es wohlwollend - strategische Ambiguität ist nicht Boris Pistorius verantwortlich, es liegt am Grundgesetz: Das müsste Mann ändern, also mit zwei Drittel-Mehrheit im Bundestag, in dem ja bekanntlich auf zwei Drittel der Stühle Männer sitzen. Erst dann könnten Frauen auch das Recht haben, zu einer Antwort gezwungen zu werden, sozusagen.

Aber diese verminten Themenfelder der Gleichberechtigung und der Wehrpflicht lassen wir jetzt mal beiseite, denn, jetzt ist ja erstmal Fußball-Europameisterschaft. Vier Wochen, 24 Mannschaften, je 11 Spieler, also 264 Männer, die ja auch gewissermaßen für ihr jeweiliges Land kämpfen. Und weil es eine Europameisterschaft ist, kann Deutschland immerhin nicht von Nicaragua überholt werden.

Mehr Meinungen im SWR

„Zwei Minuten“: Die Kolumne zum Wochenende Meinung: Pistorius steigert seinen Marktwert

Olaf Scholz ist Kanzlerkandidat, nachdem Verteidigungsminister Boris Pistorius seinen Verzicht erklärt hat. Damit erhöht Pistorius seinen Marktwert, meint Gerhard Leitner.

Die Bundeswehr und wir Meinung: Sprecht mit Ihnen!

Die deutsche Gesellschaft und ihre Armee wissen wenig voneinander und reden wenig miteinander. Das ist schlecht, lässt sich aber ändern, meint Thomas Schneider.

Zeitenwende Hautnah Das Erste

Stand
Autor/in
Marie Gediehn