Endokrinologe und Androloge Prof. Dr. Stephan Petersenn weiß mehr darüber.
SWR1: Gehen Stress und belastende Situationen wirklich an die Nieren?
Prof. Dr. Stephan Petersenn: Die beiden Stresshormone Cortisol und auch das Adrenalin werden in den Nebennieren gebildet. Das sind wenige Zentimeter große Organe, die der Niere direkt aufsitzen. Und ja, bei Stress kommt es zu einer erheblichen Aktivierung dieser Drüsen. Und nein, es gibt keine Erschöpfung der Nebennieren, dass sie über längeren Stress ihrer Aufgabe nicht mehr gerecht werden können. Es gibt somit auch keinen Zusammenhang mit längeren Erschöpfungszuständen bei belastenden Situationen.
SWR1: Das heißt, man spürt gar nicht, wenn es den Nebennieren nicht gut geht. Welche Funktion haben sie?
Petersenn: Nebennieren produzieren wichtige Hormone für den Stoffwechsel. Sie führen dazu, dass in Stresssituationen Eiweiß abgebaut wird und damit als Energiespeicher in der Blutzirkulation zur Verfügung steht. Sie heben den Glukose- also den Zuckerspiegel im Blut und auch den Blutdruck an. Also alles wichtige Merkmale, wie man auf Stress reagiert. Aber sie haben eben auch eine längerfristige Funktion in der Kontrolle des Immunsystems. Nicht zuletzt deswegen werden entsprechende Cortisol-Präparate, also eines der Hormone der Nebenniere, auch bei der Behandlung von Autoimmunerkrankungen eingesetzt.
SWR1: Gibt es Anzeichen dafür, dass es den Nebennieren nicht gut geht?
Petersenn: Ja, wenn der Mensch längere Zeit über Müdigkeit und Leistungsverlust klagt, gleichzeitig vielleicht auch immer wieder das Gefühl hat, dass der Blutzucker absackt, dass der Kreislauf verrückt spielt. Das wären so Situationen, wo man an einen Mangel an Stresshormon Cortisol denken könnte. Auf der anderen Seite kann auch die Nebenniere unkontrolliert zu viel Stresshormon Cortisol produzieren. Das würde dann zu einem Diabetes und einem Bluthochdruck führen. Also auch das wären Situationen, wo sich jemand Gedanken machen kann, kommt es hier vielleicht zu einer Fehlsteuerung der Nebennieren?
SWR1: Was kann man tun, wenn die Nebennieren krank sind? Wie wird das behandelt?
Petersenn: Hier müsste idealerweise ein in der Behandlung von Hormonstörungen erfahrener Arzt, eben ein Endokrinologe, entsprechende Untersuchungen durchführen. Das können Blutuntersuchungen sein oder Untersuchungen des Speichels oder des Urins, um diese Funktionsstörung zu klären. Und ganz wichtig: Es geht nicht nur darum, den Zustand zu beschreiben, sondern auch darum die Ursache weiter abzuklären. Wenn zum Beispiel ein kleiner, gutartiger Tumor der Hirnanhangdrüse diagnostiziert wird, dann kann man den entfernen und damit die Erkrankung heilen. Wenn es aber tatsächlich um eine anhaltende Zerstörung des Systems geht, kann man das Hormon entsprechend ersetzen. Das kann man durch Tabletten tun und damit die Funktion dieses Hormons ersetzen. Ganz wichtig ist dabei auch, dass der Patient entsprechend über die Anpassung dieses Stresshormons in Stresssituationen geschult wird, um dann zum Beispiel bei fieberhaften Infekten die Dosis entsprechend zu steigern.
Das Gespräch führte SWR1 Moderator Frank Jenschar.
Weitere Informationen finden Sie bei der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) sowie auf der Webseite der Praxis von Prof. Dr. Petersenn für Endokrinologie und Andrologie in Hamburg-Blankenese.