Ein digitales Leben nach dem Tod

Weiterleben nach dem Tod als KI Avatar – wie geht das?

Stand
Das Interview führte
Michael Lueg
Interview mit
Matthias Meitzler
Onlinefassung
SWR1

Künstliche Intelligenz ist schon lange kein Science-Fiction mehr und in unserem Alltag angekommen. Das gilt auch für digitale KI Avatare von Verstorbenen.

In den USA und in China soll es schon möglich sein, mithilfe von KI in Textform mit verstorbenen Angehörigen weiter zu kommunizieren. Matthias Meitzler ist Soziologe am Internationalen Zentrum für Ethik in den Wissenschaften an der Uni Tübingen. Er hat unsere Fragen dazu beantwortet.

So funktionieren die KI Avatare aktuell

SWR1: Wie muss ich mir das vorstellen, wenn der verstorbene Großvater in digitaler Form zurückkehrt? Also mit dem gleichen Humor oder demselben Pfälzer Dialekt?

Matthias Meitzler: Ja, das ist zumindest so die Idee, Verstorbene digital zu repräsentieren beziehungsweise zu simulieren. Das kann der Dialekt sein, das kann der Humor sein – einfach die Art und Weise, wie dieser Mensch gesprochen hat. Das versucht man jetzt durch künstliche Intelligenz.

SWR1: Wird die Person dann dreidimensional ins Wohnzimmer projiziert und lebt da mit der Familie?

Meitzler: Dreidimensional – so weit sind wir jetzt noch nicht ganz. Die Idee ist erstmal, überhaupt zu kommunizieren, dass ich etwas fragen oder sagen kann und dann kommt eine Antwort im Stile der verstorbenen Person. Das ist jetzt die spannende Frage: Kommen wir irgendwann an den Punkt, wo wir selbst gar nicht mehr genau sagen können, ob das ein echter Mensch oder seine Repräsentation ist, wenn man es nicht besser wüsste.

Hilft ein KI Avatar bei der Trauerbewältigung?

SWR1: Könnte so ein virtueller Avatar dann quasi an seiner eigenen Beerdigung teilnehmen?

Meitzler: Das gibt es schon, zumindest in einer Vorform. Schon vor Jahren gab es in Großbritannien den Fall, dass eine verstorbene ältere Dame, im Rahmen ihrer eigenen Beerdigung, als KI Avatar aufgetreten ist und die Fragen der Trauergäste beantwortet hat.

SWR1: Ist denn so ein Avatar hilfreich bei der Trauer?

Meitzler: Es kann durchaus sein. Und es gibt auf der Welt auch schon vereinzelte Fälle, dass Menschen es dadurch erleichtert bekommen, einen Abschluss zu finden. Dass sie sagen, es war mir einfach wichtig, noch mal in dieses Gesicht zu schauen, noch mal ein paar Dinge loszuwerden.

Es gibt aber genauso gut auch die Befürchtung, und die ist auch nicht ganz unbegründet, dass man in eine Art Abhängigkeit geraten kann und theoretisch durch ein KI-System manipuliert werden könnte. Aber wenn wir dran denken, dass es tatsächlich echt werden könnte, muss man natürlich auch berücksichtigen, welche Probleme es bis dahin noch zu lösen gilt.

SWR1: Dahinter stehen Glaubens- und Ethikfragen. Der Mainzer Jesuit Eckhard Bigger hat gesagt, jeder Mensch sollte zu Lebzeiten die Entscheidungshoheit darüber bekommen, ob ein Avatar von ihm angefertigt werden darf oder nicht. Was sagen Sie, wie geht man am besten mit sowas um?

Meitzler: Ja, ich finde das auch ein ganz wichtigen Punkt. Also nicht nur die Frage, möchte ich das überhaupt mal nach meinem Tod, dass ein Avatar aus mir gemacht wird. Auch generell die Frage, was soll denn mit meinen digitalen Daten passieren, wenn ich nicht mehr lebe?

Ich kann mir vorstellen, dass für viele Menschen der Gedanke auch sehr unheimlich ist.

Grundsätzlich bei allem, was mit digitalem Nachlass zu tun hat, ist durchaus wichtig, dass Menschen im Vorfeld darüber sprechen. Ich kann mir gut vorstellen – und ich habe das selbst auch erforscht und entsprechende Resonanz bekommen –, dass für viele Menschen der Gedanke auch sehr unheimlich ist.

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