Die EU hat grünes Licht für die Verhandlungen gegeben. Bedingung jedoch ist, dass die Ukraine vorher Frieden mit Russland schließen muss. Und der ist leider erst mal nicht in Sicht. Denis Trubetskoy ist Ukrainer und freier Journalist, lebt in Kiew und beobachtet die Lage in dem Land.
Die EU ist wichtig für die Ukraine
SWR1: Ist der EU beitritt überhaupt Thema bei den Menschen in der Ukraine oder haben sie im Moment ganz andere Sorgen?
Denis Trubetskoy: Das ist definitiv ein Thema, weil es einfach keine andere strategische Option für dieses Land gibt, sich in der Zukunft Richtung Westen auszurichten. Gerade mit diesem Nachbarn im Osten. Es ist nicht so, dass die Leute hier wirklich begeistert von der EU sind. Das hat in erster Linie damit zu tun, dass seit 2013/14, der Annexion der Krim und dem Donbas-Krieg, aus der EU fast nur Worte zu hören waren. Und das muss ich so formulieren, wie es wirklich ist: Lächerliche Sanktionen.
Da gibt es auch in Deutschland eine Standard-Schlagzeile zu diesem Thema, dass man aufpassen muss, dass die Hoffnungen in der Ukraine nicht enttäuscht werden, dass man jetzt nicht unrealistische Erwartungen pflegt. Dazu muss ich ehrlich sagen, die EU ist unglaublich wichtig für die Ukraine. Aber gleichzeitig von der EU enttäuscht zu werden, wäre für die Ukraine schwierig, weil die Ukrainer schon so oft von der EU enttäuscht wurden, dass sie fast nichts mehr erwarten.
SWR1: Was wünschen sich die Menschen in der Ukraine von Europa?
Trubetskoy: Letztlich geht es wirklich darum, wenn die Ukraine nicht nur diese aktuellen Kampfhandlungen überstehen möchte, sondern insgesamt langfristig bestehen will, muss die Ukraine in allen Bereichen so stark sein wie möglich – im militärischen Bereich, im wirtschaftlichen Bereich. Das ist realistisch betrachtet nur als Teil der EU zu erwarten und deswegen ist diese Frage auch derart wichtig.
SWR1: Was gibt die Ukraine Europa?
Trubetskoy: Die Ukraine hat durch diesen Krieg, wie auch immer das klingen mag, eine unglaubliche Möglichkeit bekommen, etwas ganz Neues aufzubauen, auch zum Beispiel im Energiebereich, der sehr stark beschädigt wird. Und ich glaube, dass die Ukraine wirklich ein Land sein kann, das für Europa auch neue Trends setzen und wirklich auch zeigen kann, wie es sich in der Zukunft entwickelt.
Aber wie gesagt, hier ist das Kriegsende natürlich ein akutes Thema, weil man sehr viel über diese Möglichkeiten für den Wiederaufbau reden kann und darf, was jetzt vor kurzem auch in Berlin getan worden ist. Aber natürlich ist das jetzt aus der heutigen Perspektive eher reine Theorie.
Das Interview führte SWR1 Moderator Michael Lueg.