Denis Trubetskoy arbeitet und lebt als freier Journalist in Kiew. Seit Beginn des Krieges reden wir immer wieder mit ihm über die Lage in der Ukraine.
SWR1: Meine übliche Frage an Sie: Wie war die Nacht in Kiew?
Denis Trubetskoy: Die vergangene Nacht blieb jetzt hier in der Stadt ohne Luftalarm. Aber insgesamt eine von diesen Nächten, in der Russland die Ukraine ziemlich massiv mit Drohnen und Raketen angreift.
SWR1: Während Sie und alle anderen nicht zur Ruhe kommen, wird im sicheren London über den Wiederaufbau gesprochen. Macht das in Ihren Augen Sinn?
Trubetskoy: Das macht definitiv Sinn, weil es mehrere Bereiche gibt, über die man jetzt schon sprechen müsste. Aber ganz wichtig sind auch private Investitionen, und es ist sicherlich eine gute Idee, schon jetzt darüber zu reden.
SWR1: Das klingt nachvollziehbar und Sie analysieren das ganz sachlich. Aber wird das grundsätzlich in Ihrem Land so wahrgenommen? Hilft den Menschen allein die Perspektive auf Unterstützung, wenn der Krieg irgendwann einmal zu Ende ist? Oder haben die nicht einfach jetzt im Moment ganz andere Sorgen?
Trubetskoy: Man muss hier wirklich sagen, dass das Thema der Waffenlieferungen für die Menschen hier das Wichtigste ist. Aber die Wiederaufbau-Konferenzen letztes Jahr in Lugano und jetzt in London, das ist etwas, was die Menschen trotzdem mitbekommen und diese Perspektive hilft ihnen, zumindest ein bisschen Hoffnung für die Zukunft zu haben.
SWR1: Aber können Sie private Investoren verstehen, die sich eher zurückhalten, weil sie gar nicht absehen können, was da passiert? Und es wird einfach immer weiter gekämpft.
Trubetskoy: Hier wird etwas ganz Neues nach dem Krieg entstehen. Selbstverständlich ist das ein Risiko. Aber es ist, glaube ich, auch ein Risiko, dass sich relativ gut auszahlen wird.
SWR1: Etwas anderes, was Unternehmen möglicherweise abhält, sind Korruptionsvorwürfe. Da heißt es oft, es ist zu wenig transparent, was in der Ukraine mit dem Geld passiert. Was kann Ihr Land da leisten?
Trubetskoy: Wir haben jetzt selbst im Krieg gesehen, dass zum Beispiel das nationale Antikorruptionsbüro seinen Job macht. Bei allen Problemen ist die Ukraine ein sehr transparentes Land im Sinne von elektronischen Offenlegungen, dass zum Beispiel die Beamten ihre Einkünfte im Internet offenlegen müssen. Was natürlich ein wichtiger Punkt für die Zukunft bleibt, ist, dass die Antikorruptionsjustiz wirklich als System funktioniert. Und daran muss die Ukraine natürlich stark arbeiten.
Das Interview führte SWR1 Moderatorin Claudia Deeg.