Turnen | Olympia

Helen Kevric - Mit Fokus und Coolness zu Olympia 2024

Stand
Autor/in
Lena Bergmann

Das letzte Turn-Olympia-Ticket ist vergeben - an Helen Kevric. Doch wer ist die 16-Jährige, die sich in ihrem ersten Jahr kaltschnäuzig gegen etablierte Turnerinnen durchsetzte?

Olympionikin - und das mit gerade einmal 16 Jahren. Helen Kevric vom MTV Stuttgart hat sich das letzte Ticket des Deutschen Turner-Bundes (DTB) für Olympia geschnappt. "Ich bin extrem glücklich, dass ich alles so hinbekommen habe, wie ich es mir vorgenommen habe. Seit ich klein bin, will ich zu Olympia," so Kevric.

Am Tag der Olympia-Quali bestach sie mit ihrem unverkennbaren Fokus. Nerven zeigen? Bei Kevric Fehlanzeige. Auf der Leinwand in der Halle, neben einer hochemotionalen Elisabeth Seitz, die zwischen der Freude über ihren Comeback-Erfolg und dem Zittern um Olympia schwankte, wirkte Helen Kevric eher nüchtern, ziemlich gelassen und schlichtweg cool. "Dadurch, dass Eli so im Fokus stand, waren die Augen da gar nicht so auf mich gerichtet. Zumindest habe ich mir das so gesagt. Das war wahrscheinlich nicht die ganze Zeit so," meint die 16-Jährige.

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Helen Kevric mit Sensationsstart bei den Seniorinnen

Dass sie mit Druck umgehen kann, hat Kevric spätestens dieses Jahr bewiesen. In ihrer ersten Saison bei den Seniorinnen räumte sie gleich richtig ab: zweimal Gold und zweimal Silber bei den Deutschen Meisterschaften. Lediglich ein Tausendstel lag zwischen ihr und einer EM-Medaille in Rimini. Ein vielversprechender Start in die höchste Altersklasse. Wie schafft man es als 16-Jährige, etablierte Turnerinnen ins Schwitzen zu bringen?

Wenig Emotionen, viel Fokus

"In meiner Zeit bei den Juniorinnen konnte ich da schon einiges an Erfahrung mitnehmen. Ich bin auch im Wettkampf eher gelassen. Innerlich natürlich nicht ganz, aber sobald ich ans Gerät gehe, kann ich mich gut auf meine Sache konzentrieren," sagt Kevric. Ihr klarer Fokus ist ihre Stärke. Und wer sie im Wettkampf beobachtet, weiß, viel Regung ist in ihrem Gesicht nicht zu sehen. Kann sie auch mal richtig aus der Haut fahren?

"Ich versuche nach der Übung oft, Emotionen zu zeigen. Für mich ist das dann schon richtig viel. Aber meistens ist der Wettkampf ja dann noch nicht vorbei und ich schaffe es erst am Ende, wirklich loszulassen." Kevric ist immer konzentriert bis zum Schluss. Welche Art Mensch steckt hinter der kaltschnäuzigen Profi-Turnerin?

"Wenn ich gelangweilt aussehe, bin ich einfach nur entspannt"

Ihre Freunde, erzählt Kevric, bezeichnen sie als ehrgeizig, aber auch stets als hilfsbereit und besorgt. "Im Wettkampf, sagen meine Freunde, sehe ich wohl immer etwas gelangweilt aus. Ich bin mittlerweile einfach sehr tiefenentspannt, da sieht das einfach so aus. Aber ich bin ein sehr fröhlicher Mensch." Kevric' Gelassenheit spiegelt sich auch in ihrem Verhalten wider: Am Wettkampftag selbst habe sie keine speziellen Rituale, denn im Prinzip sei jedes Turnier gleich: in die Halle kommen, einturnen, warten bis man dran ist, alles geben. So einfach kann Turnen sein.

Eine Kindheit in Ostfildern und ein Ex-Profi-Fußballer als Papa

Ihr Talent wurde beim Kindersport früh erkannt, bereits mit vier Jahren kam Kevric zum Turnen. "Als ich angefangen habe zu turnen, war meine Trainingshalle quasi direkt neben meinem Haus," erinnert sie sich. Geboren und aufgewachsen ist sie in Ostfildern, über Stuttgart kann sie kein schlechtes Wort verlieren: "Ich finde Stuttgart ehrlich gesagt sehr schön. Unsere Halle hier ist top ausgestattet und ein riesiges Privileg." Auch in die neue Halle sei es für sie nicht weit, zu Wettkämpfen und ins Trainingslager fahren ihre Eltern sie.

Die Unterstützung ihrer Familie ist Kevric wichtig und kommt nicht von irgendwoher: Ihr Papa Adnan Kevric spielte in den 1990er Jahren Fußball bei den Stuttgarter Kickers. Er war mit dabei, als die Kickers 2000 ins Halbfinale des DFB-Pokals einzogen und absolvierte in seiner Karriere mehr als 200 Spiele in der zweiten Fußball-Bundesliga.

Einen ehemaligen Profi-Sportler als Papa zu haben, weiß Kevric zu schätzen. "Das hilft mir schon sehr. Er weiß eben einfach, wie Leistungssport ist und wie er mich unterstützen kann," sagt Kevric. Auch in Paris werden ihre Eltern vor Ort sein. "Das ist mir auch sehr wichtig. Wir haben das ja im Prinzip alle zusammen geschafft und meine Eltern haben sehr viel für mich geleistet."

32 Stunden Training wöchentlich - als Schülerin und Teenagerin

In der Vorbereitung auf Olympia darf Helen gerade zwar ganz offiziell Schule schwänzen, weniger zu tun hat sie dadurch aber nicht: 32 Stunden trainiert sie jede Woche, vier bis sechs Stunden täglich. Boden und Sprung seien immer ihre Lieblingsgeräte gewesen, mit Blick auf Olympia habe sie aber in jüngster Zeit vor allem an ihrem Können am Stufenbarren gefeilt.

"Es gibt nicht so viele Dinge, die ich außerhalb vom Sport noch machen kann," meint die Teenagerin. Ihre Lieblingsserie "Bridgerton" hätte Helen trotzdem am liebsten in zwei Tagen durchgeschaut. Die Zeit, die sie außerhalb vom Training hat, verbringt Kevric gerne mit Freunden in der Stadt. Sie liebt Shoppen und hasst Lesen, eine ganz normale 16-Jährige. Trotzdem weiß sie, was der Sport ihr gibt: "Wir Sportler, wir erleben deutlich mehr. Wir reisen zu Wettkämpfen in andere Länder, lernen andere Sportler kennen und stehen auch in der Öffentlichkeit."

Tatsächlich ist die Schule für Kevric ein Ort zum Abschalten. "Wenn ich in der Schule bin, würde ich sagen, dass ich gleich bin wie alle anderen. Ich finde es auch schön, einen Bereich zu haben, in dem man abschalten kann vom Sport und einfach normale 16-Jährige ist. Aber der Sport gibt mir schon sehr viel - und dafür bin ich auch sehr dankbar," sagt sie.

Helen Kevric bei Olympia in einer Gruppe mit Biles, D'Amato und Co.

Am 28. Juli beginnen die Olympischen Spiele in Paris für Helen Kevric mit den Qualifiaktionswettkämpfen. Gesellschaft bekommt sie in ihrer Subdivision von den Starterinnen der Top-Nationen Italien, China und den USA. Mit so großen Turnerinnen auf der Matte zu stehen, sei schon etwas sehr Besonderes, so Kevric. Ihr großes Ziel: die Qualifikation fürs Mehrkampf-Finale. Dazu sagt Helen Kevric: "Wenn ich schon bei den Olympischen Spielen bin, dann turne ich auch alles."

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