Es war ein enger Wettkampf - bis zum Schluss. Elisabeth Seitz hatte eine sehr gute Übung am Stufenbarren gezeigt und sich 14,60 Punkte erkämpft. Vor zwei Wochen hatte Seitz bereits im Mehrkampf der Deutschen Meisterschaft an diesem Gerät 14,60 Punkte erturnt. Durch die starken Ergebnisse unterstrich sie nicht nur ihre internationale Klasse, sondern auch ihre Olympia-Ambitionen. Als der Stadionsprecher am Samstagabend in Rüsselheim die Wertung verkündete, rang die 30-Jährige mit ihren Gefühlen: Sie hatte alles gegeben - fortan hatte sie die Olympia-Qualifikation nicht mehr in der eigenen Hand.
Kevric triumphiert auch am Stufenbarren
Ihre Kontrahentin Helen Kevric saß bei der Punkte-Vergabe neben ihr. Sie wartete auf ihre Sprungwertung (14,00 Punkte) und zeigte keine Gefühlsregung. Seitz schenkte ihrer Team-Kollegin eine kurze Umarmung - ahnte sie da schon, dass ihr Olympia-Traum an diesem Abend platzt? Denn Helen Kevric, die laut Bundestrainer Gerben Wiersma schon vor dem Wettkampf in der verbandsinternen Wertung des Deutschen Turnerbundes (DTB) für die Olympia-Qualifikation einen Hauch vor Elisabeth Seitz lag, hatte ihre Übung am Stufenbarren noch vor sich.
Sie erkämpfte sich an Elisabeth Seitz' Parade-Gerät 14,80 Punkte - damit war die 16-Jährige sogar 0,05 Punkte besser als ihre Teamkollegin vom MTV Stuttgart, die sich zwei Wochen zuvor mit 14,750 Punkten ihren 26. Deutschen Meistertitel am Stufenbarren holte. In die Olympia-Wertung des DTB ging jedoch nur die Barrenwertung aus dem Mehrkampf ein. Außerdem hatte hat Kevric am Samstag in Rüsselsheim nicht nur am Stufenbarren überzeugt, sondern ihre Mehrkampf-Leistung zwei Wochen nach ihrer ersten Deutschen Meisterschaft nochmal um 0,532 Punkte auf 55,532 gesteigert.
Seitz zeigte sich als faire Verliererin
Am Sonntagmittag machte der DTB den Stempel drauf: Helen Kevric fährt mit Sarah Voss (Köln) und Pauline Schäfer-Betz (Chemnitz), die aufgrund ihrer WM-Resultate bereits nominiert waren, zu den Olympischen Spielen 2024 nach Paris.
Seitz zeigte sich als faire Verliererin: "Erstmal bin ich stolz, dass ich die Übung heute nochmal so gezeigt habe. Aber letztendlich hat Helen gut geturnt, riesigen Respekt, weil sie krasse Nervenstärke gezeigt hat", sagte Seitz. Und weiter: "Dementsprechend wünsche ich ihr alles Gute für Paris, und ich hoffe, dass sie genauso ihre Leistung abrufen kann, wir sie anfeuern und uns alle für Deutschland freuen können." Dennoch überwiege bei ihr aktuell die Enttäuschung.
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Seitz mit starkem Comeback nach Achillessehnen-Riss
Für Seitz war der Wettkampf wohl das vorläufige Ende einer starken Comeback-Reise. Bei einem Trainingsunfall hatte sie sich Anfang September 2023 die Achillessehne gerissen und erst im April dieses Jahres ihr Comeback gegeben. Die deutschen Turnerinnen hatten im Oktober vergangenen Jahres die Olympia-Qualifikation für den Mannschaftswettbewerb verpasst - ohne Eli Seitz und ohne die damals noch im Junioren-Bereich turnende Helen Kevric. Dadurch hat sich das deutsche Olympia-Kontingent auf drei Einzel-Startplätze reduziert.
Um ihre Olympia-Chancen zu erhöhen, hatte sich Seitz nach ihrem Comeback ausschließlich auf ihr Parade-Gerät, den Stufenbarren, konzentriert. Kevric hatte auf den Mehrkampf gesetzt. Dass sie nun auch am Stufenbarren so eine gute Leistung zeigt, untermauert ihre Stellung als Ausnahmetalent. Elisabeth Seitz fährt vermutlich trotzdem nach Paris - als Ersatzturnerin.