Am 17. Mai 1990 hat die Generalversammlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschlossen, Homosexualität von der Liste psychischer Krankheiten zu streichen. Das war vor 31 Jahren. Homo- und Transsexualität ist allerdings noch lange nicht überall voll akzeptiert - das gilt auch für den Sport. Gerade der Nationalsport Fußball ist seit jeher männlich geprägt. Was wiederum eine Abgrenzung zum Weiblichen beinhaltet.
"Ich würde es auch in einem neuen Verein nie sofort machen"
Und dass Fußball nach wie vor eine hetero-geprägte Sportart ist, ist auch Jörg Esch klar. Der 43-Jährige spielt in der Kreisliga A beim ASV Wolfartsweier in der Nähe von Karlsruhe. Vor etwa drei Jahren hat er sich geoutet. Allerdings erst, als er sportlich im Team gesetzt war. Er erzählt im Gespräch mit SWR Sport: "Wenn man direkt als Schwuler kommt, da ist man angreifbar. Jeder Fehler, den man macht, könnte vielleicht kritischer beäugt werden." Man müsse auch Personen kennen, um sie einschätzen zu können und den Schritt zu gehen. "Ich würde es auch in einem neuen Verein nie sofort machen", sagt der Abwehrspieler.
Coming Out: Erst Gelächter, dann peinliche Stille
Als mal wieder eine lauf-intensive Vorbereitung auf die neue Saison anstand, schlug Jörg Esch vor, mit der Mannschaft bei einem Turnier anzutreten. Nach dem Training saß das Team also in einem Kreis auf dem Rasen: "Ich habe gesagt, 'Hey Leute, ich hätte hier einen Turniervorschlag. Ich habe da Bock mitzumachen. Einziger Nachteil: es ist eigentlich für Schwule'." Dann sei schallendes Gelächter ausgebrochen. Genau das habe er abgewartet, erzählt Jörg Esch, "um dann zu sagen: 'Ach, und übrigens ich gehöre auch dazu'."
"Und dann war eben kurz mal Totenstille. Jeder war so ein bisschen peinlich berührt in dem Moment, dass er gelacht hat." Er habe das Gelächter sehr locker genommen und die Mannschaft sein Coming Out auch, erinnert sich Mannschaftskollege Fritz Wieseler. Nichts habe sich durch das Outing des Mitspielers verändert, auch nicht in der Kabine.
"Was muss das für ein Gefühl sein, seinen Partner zu verheimlichen?"
Ganz im Gegenteil: dass Jörg Esch der Mannschaft danach ganz selbstverständlich seinen Partner vorstellen konnte, sei einfach nur schön gewesen. "Und er hat auch so gestrahlt. Hätte er das vorher nicht gesagt und wäre er da (bei einem Straßenfest, Anm. d. Red.) mit einem Mann aufgetaucht und hätte dann aufpassen müssen (...) was muss das für ein Gefühl sein, seinen Partner zu verheimlichen? Und das ist einfach schön. Und das ist, was ganz normal ist."
Selbstvertrauen und eindeutige Haltung der Mannschaft
Vor dem Coming Out hatte Jörg Esch natürlich auch Bedenken, trotz Selbstvertrauens im Umgang mit seiner Homosexualität. "Wenn schon ein Einziger dabei ist, der das nicht akzeptiert, dann kann der Eine einem schon das Leben zur Hölle machen." Und auch wenn er mit Outings an seinem Arbeitsplatz gute Erfahrungen gemacht habe, "muss man halt immer noch dazu sagen, Arbeiten und Fußball sind zwei Paar Schuhe. Weil in der Arbeit muss ich mit niemandem in die Dusche steigen. Und das ist hier einfach was anderes."
Trotzdem habe die Mannschaft ihm das Gefühl gegeben, sich outen zu können. "Wenn in meiner Mannschaft jemand wäre, der homophob wäre. Wenn es jemand wär, der, weiß ich nicht, rechtsradikal, wär, (...) dann geht der oder ich. Weil auf dem Platz musst du elf Freunde sein. Das kannst du nicht sein, wenn du so Einen in der Mannschaft hast. Das geht nicht", sagt Mitspieler Fritz Wieseler.
Ausnahme, die keine sein sollte
Jörg Esch hat mit seinem Coming Out etwas gemacht, das im Profi-Fußball noch kein aktiver Spieler geschafft hat. Das hänge auch viel mit Zuschauern zusammen, die von außen pöbeln, die mit einem vielleicht nichts zu tun haben, insbesondere im Profibereich. Aber auch im Amateurfußball, ist ein Outing als schwuler Fußballer nicht selbstverständlich: "Ich bin jetzt angreifbar, dessen bin ich mir bewusst. Wenn ich jetzt wieder in die Liga starte und andere Gegenspieler mir begegnen, die mich vielleicht gesehen haben, könnte das vielleicht ein Angriffspunkt sein."
Jörg Esch hat sich in seiner Mannschaft geoutet, weil er das Selbstvertrauen hatte. Und eine Mannschaft, bei der Homo- und Transfeindlichkeit gar keinen Platz hat! Er hat mit seinem Outing nur gute Erfahrungen gemacht - eigentlich sollte das eine Selbstverständlichkeit sein.