Serhou Guirassy in Cannstatter Kurve

Fußball | Meinung

Vizemeister! Was für eine Party des VfB - nur eine war noch besser

Stand
Autor/in
Günther Schroth

Wenn der VfB Stuttgart mal was zu feiern hat, dann feiert er richtig. Wie jetzt die Vizemeisterschaft. Nach Meinung von SWR-Sportreporter Günther Schroth eine der größten Parties, die er miterlebt hat. Nur eine war besser.

Das Schöne am Fußball sind ja diese ganz großen Momente. Die, die so selten vorkommen. Das jedenfalls gilt für alle Fans, die sich charakterfest nicht an die Bayern herangeschmissen haben. Sondern die solche Vereine unterstützen, die alle Jubeljahre mal was zu jubeln haben. Also für alle anderen. Die Fans des VfB Stuttgart etwa. Und wenn die Fans dann feiern, dann kriegt das auch Reporter wie mich. Weichgekocht statt hartgesotten fühlt man sich dann als Berichterstatter.

Der fußballerische Normalzustand des gemeinen Fans ist ja, frei nach dem englischen Autor und Arsenal-Fan Nick Hornby, der der Verzweiflung, des Kummers, des Leidens: Die Lieblingsspieler gehen, die Trainer werden rausgeworfen, der Abstieg muss vermieden werden. Und trotzdem ist da immer Hoffnung. Beim VfB war die letzte große Feier die Abstiegsvermeidungsfeier der vergangenen Saison.

VfB-Titelfeiern 1992 und 1997 weniger emotional

Jetzt gab es aber endlich wieder einen besseren Grund: Die Stuttgarter sind seit Samstag Vizemeister – und der große Jubel darüber brach nicht erst beim Schlusspfiff aus, sondern als die Anzeigetafel das 3:2 von Hoffenheim gegen die Bayern vermeldete. Und drei Minuten später das 4:2. Da waren die Bayern endgültig den einen Punkt los, um den der VfB sie schließlich abhängte. Das war kurz vor Spielende am Neckar und dann begann im Stadion die Aftershow. Jeder, der blieb, war hautnah dabei, nahe bei den Spielern, die wie Waldemar Anton und Alexander Nübel in der Cannstatter Kurve umjubelt ins Mikrofon sprachen. Ein selten großer Moment im Leben der VfB-Fans und des Clubs.

Einige der anderen großen Momente durfte ich miterleben, ich kann also vergleichen: Die Meisterschaft '92, herbeigeköpft von Guido Buchwald in Leverkusen, war deutlich weniger emotional. Die Mannschaft flog mit Reportern noch in der Nacht nach Hause, gefeiert wurde im feinen Lokal an der Weinsteige. Die Stadt ging zu Bett.

Der Pokalsieg 1997, in Berlin durch zwei Tore von Giovane Elber gegen Cottbus errungen, wurde in der Berliner Nacht durchgefeiert, die trotzdem eine ziemlich normale Berliner Nacht blieb. Berlin war damals deutlich ärmer und deutlich sexier, 30.000 feiernde Schwabenfans fielen da nicht sonderlich auf.

Stuttgart

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VfB-Feste werden nach dem Warten intensiver

Die beste aller Stuttgarter Fußballparties aber war für mich und für alle anderen, die das erlebt haben, die Meisterfeier 2007. Der ewig lange Autokorso durch die Stadt, die Feier im Neuen Schloss, die 250.000 Fans, die so friedlich wie fröhlich die ganze Mainacht durchtanzten. Der VfB wird halt nicht elf Jahre in Folge Meister wie die Münchner. Nach Jahren des Wartens sind die Feste dann umso bedeutungsgrößer.

Und auch die Vizemeisterschaft, die man jetzt geholt hat, ist solch ein seltener, großer, unerwarteter Moment. Der Hauptdarsteller der Saison kam in die Kurve, angekündigt vom Stadionsprecher: "Serhouuu!“. "GUIRASSYYY!!" antworteten die Fans. Guirassy, der 28-Tore-Mann, sprach, aber versprach nichts, und ein wenig Wehmut machte sich breit. Für Momente. Dann spielte die Stadionregie die für diesen Moment richtige Musik: Wolle Kriwaneks "Stuttgart kommt, Stuttgart kommt". Die Stuttgarter kommen jetzt nach Europa. Und wieder ist die Hoffnung das Hauptgefühl: Vielleicht kommt auch er ja mit, der Serhouuu GUIRASSYYY.

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Günther Schroth