Claus Vogt (links), Präsident des VfB Stuttgart, und sein Stellvertreter Rainer Adrion

Mitgliederversammlung des VfB Stuttgart

Die Lage beim VfB Stuttgart - Welche Szenarien gibt es zu Claus Vogt und Rainer Adrion?

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AUTOR/IN
Johannes Holbein

Am 28. Juli findet die vielbeachtete Mitgliederversammlung des VfB Stuttgart statt. In den letzten Wochen gab es eine Vielzahl von Protesten gegen das Präsidium und den Präsidenten.

Der VfB Stuttgart hat die Einladung für seine Mitgliederversammlung am 28. Juli verschickt. Trotz der Vielzahl an Protesten gegen das Präsidium und den Präsidenten finden sich auf der Tagesordnung keine Abwahlanträge gegen Claus Vogt und/oder Rainer Adrion wieder. Das kann daran liegen, dass keine Abwahlanträge gestellt wurden, oder das Präsidium diese aus inhaltlichen Gründen nicht auf die Tagesordnung gesetzt hat.
Alexander Scheuch, Jura-Professor und Experte für Verbands- und Sportrecht an der Universität Bonn, beantwortet die dringlichsten Fragen und skizziert verschiedene Optionen:

In der Einladung zur Mitgliederversammlung findet sich kein Tagesordnungspunkt "Abberufung". Kann eine Abwahl von Vogt und Adrion trotzdem noch auf die Tagesordnung kommen?

"Das ist möglich, denn die VfB-Satzung sieht ein Verfahren vor, um die Tagesordnung nachträglich zu ergänzen“, erklärt Alexander Scheuch, Jura-Professor und Experte für Verbands- und Sportrecht an der Universität Bonn. „Ein entsprechender Ergänzungsantrag muss spätestens drei Wochen vor der Versammlung per Einschreiben auf der Geschäftsstelle eingehen. Das Präsidium kann die Abwahl dann auf die Tagesordnung setzen. Tut es das nicht, muss es dies spätestens eine Woche vor der Versammlung auf der VfB-Webseite bekanntgeben. Der Punkt kann dann aber trotzdem noch auf der Tagesordnung landen. Dazu muss sich die Mitgliederversammlung mit einfacher Mehrheit dafür aussprechen.“

In der Einladung zur Mitgliederversammlung findet sich als Tagesordnungspunkt eine "Vertrauensfrage" Rainer Adrions. Was hat es damit auf sich?

"Die Vertrauensfrage gibt es so nicht als Instrument in der Satzung", sagt Alexander Scheuch. "Dabei handelt es sich also nur um eine Abfrage des Meinungsbildes unter den Mitgliedern." Adrion hat aber in der Einladung zur Mitgliederversammlung angekündigt, selbst zurücktreten zu wollen, wenn ihm nicht mindestens die Hälfte der Abstimmenden das Vertrauen ausspricht. "Das steht ihm natürlich frei", so Scheuch, der es aber für möglich hält, dass es zur Vertrauensfrage gar nicht mehr kommt: "Wenn es ein Abwahlantrag auf die Tagesordnung schafft, könnte über diesen zuerst entschieden werden." Adrion könnte dann abgewählt werden oder ein schlechtes Ergebnis zum Anlass für einen Rücktritt nehmen, selbst wenn die Drei-Viertel-Mehrheit für eine Abwahl nicht erreicht wird.

Welche Mehrheit wird benötigt, um Claus Vogt und Rainer Adrion abzuwählen?

Für eine Abwahl von Claus Vogt und Rainer Adrion braucht es eine Mehrheit von 75 Prozent der Stimmen in der Mitgliederversammlung. Mit der Bekanntgabe des Ergebnisses wären Vogt und Adrion sofort abgewählt.

Wann würde ein neuer Präsident gewählt?

Laut der Satzung des e.V. ist "unverzüglich" eine Mitgliederversammlung einzuberufen, um einen neuen Präsidenten zu wählen. Allerdings ist das Verfahren aufwendig. "Wenn Vogt abgewählt würde, könnte eine außerordentliche Mitgliederversammlung zur Nachwahl, so wie ich die aktuelle Satzung verstehe, erst mehr als drei Monate später stattfinden", erklärt Alexander Scheuch.

Stuttgart

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Denn: Mitglieder können dem Vereinsbeirat – bzw. dem neu zu gründenden Wahlausschuss, wenn ein solcher durch die vorgeschlagene Satzungsänderung ins Leben gerufen wird – bis spätestens drei Monate vor der Mitgliederversammlung Vorschläge für geeignete Kandidaten machen. Die Bewerbungen und die Kandidaten müssen unterschiedliche Kriterien erfüllen, die es zu überprüfen und einzuhalten gilt. Bis es eine Präsidentenwahl gäbe, würde es also dauern.

Für welche Amtszeit wäre im Fall einer Abwahl Vogts ein neuer Präsident gewählt?

Der nachgewählte Präsident wäre für die verbleibende Amtszeit des Ausgeschiedenen, also für die verbleibende Amtszeit Claus Vogts, gewählt. Vogts Amtszeit geht bis Sommer 2025.

Wer würde in der Zwischenzeit, also bis zu einer Neuwahl, Vereinspräsident?

Der Vereinsbeirat ist laut Satzung des e.V. berechtigt, übergangsweise einen Nachfolger zu bestellen. Die Entscheidung wird im Beirat mit einfacher Mehrheit getroffen. Der Interimspräsident wird so lange im Amt sein, bis eine Neuwahl stattgefunden hat.

Was passiert mit dem Amt des Vizepräsidenten, wenn Adrion abgewählt wird?

"Laut Satzung findet eine unverzügliche Nachwahl nur dann statt, wenn der Präsident oder das andere Mitglied eines Zweier-Präsidiums ausscheidet", erläutert Alexander Scheuch. "Wenn nur das dritte Präsidiumsmitglied ausscheidet, wird dieser Posten erst auf der nächsten ordentlichen Mitgliederversammlung nachbesetzt – so wie es jetzt nach dem Riethmüller-Rücktritt lief." Bedeutet: Wenn durch die Wahl des Riethmüller-Nachfolgers das Präsidium wieder auf drei Personen aufgestockt würde, dann aber Adrion ausschiede, müsste eine Nachwahl für Adrion erst auf der ordentlichen Mitgliederversammlung 2025 stattfinden. Bis dahin gäbe es ein Zweier-Präsidium aus Vogt (bzw. seinem Nachfolger) und dem Riethmüller-Nachfolger. Selbst wenn auf der Versammlung zuerst Adrion zurücktreten oder abberufen würde und erst im Anschluss der Riethmüller-Nachfolger gewählt würde, dürfte dies aus Scheuchs Sicht nichts ändern: "Dann wäre zwar tatsächlich für wenige Minuten das vorletzte Mitglied des Zweier-Präsidiums ausgeschieden. Aber noch in derselben Versammlung käme durch die Nachwahl für Riethmüller wieder ein weiteres Präsidiumsmitglied hinzu. Damit träte im Endeffekt nie der Zustand ein, für den die Satzung eine unverzügliche Nachwahl in einer außerordentlichen Versammlung vorsieht." Dort wäre also höchstens ein Vogt-Nachfolger zu wählen.

Was bedeutet all das für den Nachfolger von Christian Riethmüller?

Die Kandidaten für die Nachfolge hat der VfB Stuttgart auf der Vereinshomepage verkündet: Andreas Grupp und Bertram Sugg treten gegeneinander an. Die relative Mehrheit genügt, um die Wahl zu gewinnen. Heißt: Wer mehr Stimmen hat, ist gewählt. Für den Sieger bedeutete eine Abwahl von Vogt und Adrion, dass er in den ersten Monaten seiner Amtszeit mit dem vom Vereinsbeirat bestellten Interimspräsidenten zusammenarbeitete – sowohl im Verein als auch in der Aktiengesellschaft.

Was wäre nach einer Abwahl von Vogt und Adrion mit den Sitzen im AG-Aufsichtsrat, die die beiden (noch) innehaben?

Der Verein entsendet laut Satzung der AG zwei der Aufsichtsratsmitglieder. Diese kann er frei abberufen und austauschen. Das heißt: Die neuen Präsidiumsmitglieder – der Übergangspräsident und Sugg oder Grupp – dürften sich selbst anstelle von Vogt und Adrion in den Aufsichtsrat entsenden. Nach einer anstehenden Satzungsänderung soll das Präsidium ohnehin verpflichtet sein, stets alle Präsidiumsmitglieder in den AG-Aufsichtsrat zu berufen.

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Johannes Holbein