Dieser Satz steht wie in Stein gemeißelt: "Das Schönste an Stuttgart ist die Autobahn nach München." Diese verbale Ungeheuerlichkeit soll der ehemalige VfB-Spieler Thomas Strunz von sich gegeben haben, bevor er 1995 nach dreijährigem Profi-Dasein in Stuttgart freudig zu den Bayern zurückkehrte. Ob der Ex-Nationalspieler, der vor allem über Giovanni Trapattonis legendären Wutausbruch ("Was erlauben Struuunz?") fragwürdige Berühmtheit erlangte, das tatsächlich so von sich gegeben hat, ist nie richtig geklärt worden.
Diese Bayern-Spieler fanden in Stuttgart ihr Glück
Wie auch immer. Thomas Strunz jedenfalls ist nur einer von zahlreichen Spielern, die ihn ihrer Karriere für beide Vereine in der Bundesliga spielten, für den FC Bayern und für den VfB Stuttgart. Strunz nahm sogar beide Wege: Auf der berühmten Autobahn vom FC Bayern zum VfB, und eben drei Jahre später auf der A8 wieder zurück nach München. Und während Ex-Bayer Strunz in der Schwaben-Metropole sein Glück nicht fand, gibt es aktuell gleich mehrere Gegenbeispiele.
Viel Bayern im Stuttgarter Kader
Denn selten gab es beim VfB Stuttgart so viele Teammitglieder mit bayerischer Vergangenheit auf der schwäbischen Erfolgswelle wie vor diesem ewig jungen Duell am Sonntag. Ganz nach dem Motto: Das Schönste an München ist die Autobahn nach Stuttgart.
Vorneweg Cheftrainer Sebastian Hoeneß, als Sohn des Ex-VfB- und Bayern-Torjägers Dieter Hoeneß sogar gebürtiger Münchner und später Trainer der U19 und der zweiten Mannschaft des FC Bayern. Hoeneß erlebt als Tabellendritter mit dem Stuttgarter Überraschungsteam gerade den größten Mehrwert seiner Karriere.
Viele Bayern kamen über Umwege nach Stuttgart
Das gilt auch für Torhüter Alexander Nübel. Der kam vor der Saison aus Monaco als Leihgabe des FC Bayern zum VfB und etablierte sich hier als feste Größe und starker Rückhalt der jungen Stuttgarter Mannschaft. Nübels Vertrag in München läuft noch bis 2025. Was nach der Saison passiert? Noch völlig offen. Eine Rückkehr nach München jedenfalls scheint ausgeschlossen.
VfB-Mittelfeldmann Angelo Stiller ist wie Hoeneß ebenfalls gebürtiger Münchner, kam schon als Neunjähriger in die Bayern-Jugend und spielte dort bis zur zweiten Mannschaft in der 3. Liga. Der Durchbruch im Bundesliga-Team gelang ihm nicht. Über die Entwicklungsstufe Hoffenheim folgte Stiller im Sommer seinem Ex-Trainer Hoeneß von der TSG nach Stuttgart. Hier ist Stiller als Endo-Nachfolger und Ballverteiler im Mittelfeld inzwischen unersetzlich.
Auch Woo-Yeong Jeong besitzt Münchner Vergangenheit, der 24-Jährige kam 2018 aus Südkorea zu den Bayern, um sich dort über die zweite Mannschaft für die Bundesliga zu empfehlen. Jeong wechselte über den SC Freiburg an den Neckar.
Schwäbische Vergangenheit bei vielen Münchnern
Umgekehrt steckt auch im aktuellen Kader der Münchner viel Stuttgart. Angefangen bei Trainer Thomas Tuchel, der zwischen 2000 und 2006 mit Unterbrechung fünf Jahre lang in der VfB-Jugend sein Trainer-Handwerk erlernte, später über Mainz und Dortmund bei Paris und Chelsea trainierte und im Frühjahr in München Nagelsmann-Nachfolger wurde.
Als Ur-Schwabe darf sich der gebürtige Schorndorfer Sven Ulreich bezeichnen. Der Ersatzkeeper der Bayern stand 17 Jahre lang im Kasten der Stuttgarter, von der Jugend bis zur Bundesliga. 2015 wechselte der heute 35-Jährige als Neuer-Vertreter an die Isar, wo er inzwischen seinen Vertrag bis 2025 verlängerte.
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Echte Schwaben im Bayern-Kader
Echte Schwaben im Bayern-Kader sind auch die beiden Nationalspieler Joshua Kimmich (geboren in Rottweil) und der gebürtige Stuttgarter Serge Gnabry. Sie spielten zusammen einige Jahre gemeinsam im 1995er-Jahrgang der VfB-Jugend, ehe sich ihre Wege trennten und sie später beim FC Bayern wieder zusammenfanden. Kimmich ist inzwischen achtmaliger Deutscher Meister, dreifacher DFB-Pokalsieger und war 2020 Champions-League-Sieger.
Für ihn war die A8 Richtung München ebenso die richtige Entscheidung wie für Gnabry (5x Meister, 2x Pokal, 1x Champions League).
Alles begann mit Dieter Hoeneß 1979
In der Geschichte der Bundesliga gibt es zahlreiche Spieler, die für den VfB UND für den FC Bayern spielten, die die rund 200 Autobahn-Kilometer auf der A8 gerne in beiden Richtungen befuhren.
Der erste spektakuläre Wechsel war der von "Schwabenpfeil" Dieter Hoeneß 1979 für festgeschriebene 175.000 D-Mark von Stuttgart zu den Bayern. Ein Spottpreis für den damaligen Torjäger und späteren Vize-Weltmeister und ein erstes Husarenstück auf dem Transfermarkt von Dieters Bruder Uli, dem damaligen Jung-Manager der Münchner. Es sollten zahlreiche weitere folgen.
Mario Gomez der Superstar zwischen Stuttgart und Bayern
Weitaus teurer als der Bruder-Transfer von Dieter war für Uli Hoeneß das Abwerben weiterer Stuttgarter Torjäger. 1997 wechselte der Brasilianer Giovane Elber für 6,5 Millionen Euro vom VfB zum FC Bayern, wo er sechs Jahre lang der Publikumsliebling war. Noch tiefer musste Hoeneß für Mario Gomez in die Tasche greifen. Der einstige VfB-Schützenkönig wechselte 2009 für satte 30 Millionen Euro zum FC Bayern, kehrte dann nach Gastspielen in Italien, der Türkei und Wolfsburg Anfang 2018 wieder zurück nach Stuttgart, um dort 2020 seine großartige Karriere mit 170 Bundesliga-Treffern zu beenden.
Ein weiterer Ex-VfB-Goalgetter, Jürgen Klinsmann, spielte erst einige Jahre in Italien, Frankreich und England, ehe ihn Uli Hoeneß für eher bescheidene 1,4 Millionen Euro 1995 zu den Bayern lotste. "Klinsi" wurde mit den Bayern 1997 Meister, mit dem VfB war er dagegen titellos geblieben.
Gomez, Babbel und Kögl Meister mit beiden Vereinen
Mario Gomez wiederum holte mit beiden Vereinen die Meisterschaft. Mit dem VfB 2007, mit dem FC Bayern 2010 und 2013. Ähnliches gelang auch Markus Babbel. Der gebürtige Münchner Europameister von 1996 und Studiogast am Sonntag bei SWR Sport holte drei Meistertitel mit den Bayern, ehe er nach Jahren in England 2004 die Abwehr des VfB verstärkte. Mit Stuttgart feierte er zum Ende seiner Karriere 2007 die Deutsche Meisterschaft. Babbel war danach auch als Cheftrainer der Stuttgarter tätig, schaffte es mit dem VfB sogar bis in die Champions League.
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Unvergessener Meister-Dribbler Wiggerl Kögl
Ähnlich erfolgreich wie Gomez und Babbel war auch Wiggerl Kögl. Der kleine Dribbelkönig auf Linksaußen (Motto: "Entweder ich geh` links oder rechts vorbei") war fünfmal Meister mit München, ehe er 1990 nach Stuttgart wechselte und dort unter Christoph Daum 1992 den Titel holte. Unvergessen Kögls Maßflanke am letzten Spieltag in Leverkusen, die Guido Buchwald zum entscheidenden Meisterschaftstreffer ins Bayer-Gehäuse köpfte.
Nicht zu vergessen Kurt Niedermayer: Meister mit den Bayern 1980 und 1981, Meister mit dem VfB 1984. Der geniale Spielmacher Asgeir Sigurvinsson und Nationalverteidiger Bernd Förster trugen ebenfalls beide Trikots, feierten aber nur mit dem VfB - gemeinsam mit Niedermayer - den Titel 1984.
Lahm, Berthold und Badstuber - namhafte Abwehrmänner in beiden Trikots
Eine legendäre Erfolgsgeschichte schrieb auch Philipp Lahm. Der WM-Kapitän von 2014 brachte als junge Bayern-Leihgabe einst beim VfB Stuttgart unter Felix Magath seine Profi-Karriere in Schwung, wurde nach seiner München-Rückkehr zu einem der besten und erfolgreichsten deutschen Fußballer.
Wenig erfolgreich verlief die Karriere von Weltmeister Thomas Berthold von 1991 bis 1993 beim FC Bayern. Der Abwehrmann wurde vorzeitig aussortiert und wechselte 1993 zum VfB. Ein Glücksgriff für beide Seiten. in Stuttgart war Berthold sieben Jahre lang ein hochgeschätzter Profi, gewann mit dem VfB 1997 den DFB-Pokal.
Auf eine titelreiche Bayern-Karriere darf dagegen Holger Badstuber zurückblicken. Der Abwehrmann, der als Bub zwei Jahre in der VfB-Jugend kickte und dann nach München wechselte, startete unter Louis van Gaal beim FC Bayern durch, ehe ihn zahlreiche schwere Knieverletzungen ausbremsten. Von 2017 bis 2021 kehrte Badstuber dann nach Stuttgart zurück.
Pavard war der letzte große Transfer Richtung München
Der letzte große Transfer von Stuttgart nach München wurde 2019 vollzogen. Der französische Weltmeister Benjamin Pavard wechselte für 35 Millionen Euro vom VfB nach München. Am Sonntag wird Pavard nicht mehr dabei sein, wenn es gegen seinen Ex-Klub geht. Der Abwehrspieler wurde im Sommer zu Inter Mailand transferiert.
Ex-Bayer Thomas Hitzlsperger sogar VfB-Boss
Ein ehemaliger Bayern-Jugendspieler und gebürtiger Münchner wurde zwischenzeitlich sogar zum "Boss" des VfB Stuttgart. Thomas Hitzlsperger, 2005 bis 2010 bereits als Meisterspieler beim VfB am Ball, war 2019 bis 2022 erst Sportvorstand und dann auch Vorstandsboss in Stuttgart.
Und auch einige namhafte Trainer arbeiteten für beide Klubs in der Bundesliga. Branko Zebec, Giovanni Trapattoni und Felix Magath.
Und was macht Thomas Strunz? Der ist inzwischen 55, hat seine Karriere natürlich schon seit vielen Jahren beendet und arbeitet inzwischen als Business-Coach. Sein berühmter Satz von der Stuttgarter Autobahn nach München aber wird die heißdiskutierten Süd-Duelle zwischen dem VfB und dem FC Bayern noch lange begleiten.