Fußball | Bundesliga

Der VfB Stuttgart, Thomas Strunz und die Autobahn nach München

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Kersten Eichhorn

Am Sonntag (19:30 Uhr) empfängt der FC Bayern den VfB Stuttgart zum Top-Spiel der Bundesliga. Und selten gab es bei den Schwaben-Seite so viele Beteiligte mit bayerischer Vergangenheit.

Dieser Satz steht wie in Stein gemeißelt: "Das Schönste an Stuttgart ist die Autobahn nach München." Diese verbale Ungeheuerlichkeit soll der ehemalige VfB-Spieler Thomas Strunz von sich gegeben haben, bevor er 1995 nach dreijährigem Profi-Dasein in Stuttgart freudig zu den Bayern zurückkehrte. Ob der Ex-Nationalspieler, der vor allem über Giovanni Trapattonis legendären Wutausbruch ("Was erlauben Struuunz?") fragwürdige Berühmtheit erlangte, das tatsächlich so von sich gegeben hat, ist nie richtig geklärt worden.

Thomas Strunz im VfB-Trikot im Zweikampf mit Michael Sternkopf vom FC Bayern
Thomas Strunz im VfB-Trikot im Zweikampf mit Michael Sternkopf vom FC Bayern

Diese Bayern-Spieler fanden in Stuttgart ihr Glück

Wie auch immer. Thomas Strunz jedenfalls ist nur einer von zahlreichen Spielern, die ihn ihrer Karriere für beide Vereine in der Bundesliga spielten, für den FC Bayern und für den VfB Stuttgart. Strunz nahm sogar beide Wege: Auf der berühmten Autobahn vom FC Bayern zum VfB, und eben drei Jahre später auf der A8 wieder zurück nach München. Und während Ex-Bayer Strunz in der Schwaben-Metropole sein Glück nicht fand, gibt es aktuell gleich mehrere Gegenbeispiele.

Serge Gnabry und Joshua Kimmich bejubeln einen Treffer des FC Bayern München
Serge Gnabry (links) und Joshua Kimmich trugen in der Jugend das Trikot des VfB Stuttgart. Für die Profimannschaft der Schwaben liefen sie allerdings nie auf. Dafür zählen sie beim FC Bayern München mittlerweile zu den absoluten Leistungsträgern. SWR Sport stellt acht weitere Spieler vor, die sowohl für den FC Bayern als auch den VfB Stuttgart am Ball waren. Bild in Detailansicht öffnen
Jürgen Klinsmann jubelt über einen Treffer im VfB-Trikot
Jürgen Klinsmann spielte von 1984 bis 1989 beim VfB Stuttgart und erzielte in dieser Zeit 94 Tore in 186 Spielen. Unvergessen bleibt sein Fallrückzieher-Tor aus der Saison 1987/88 beim 3:0-Sieg gegen den FC Bayern München. Die Bayern sicherten sich seine Dienste von 1995 bis 1997. Seiner Torquote blieb der gebürtige Göppinger treu: In 84 Spielen erzielte er 48 Tore. Bild in Detailansicht öffnen
Mario Gomez behauptet den Ball gegen Thiago
In der Saison 2004/05 schaffte Torjäger Mario Gomez (links) den Sprung aus der VfB-Jugend in den Profi-Kader. Dort erzielte er Tore wie am Fließband. Die Bayern kauften ihn daher zur Saison 2009/10 für ca. 30. Mio Euro. Dort blieb Gomez bis 2013 und erzielte in 174 Spielen 113 Tore. Über Umwege landete er dann 2018 wieder beim VfB und beendete dort im Sommer 2020 seine Karriere. Insgesamt lief er in 230 Spielen (110 Tore) für Stuttgart auf. Bild in Detailansicht öffnen
Philipp Lahm im Trikot des VfB Stuttgart
Philipp Lahm wurde mit den Bayern Triple-Sieger, insgesamt achtmal Deutscher Meister und sechsmal DFB-Pokalsieger. Doch seine ersten Bundesliga-Minuten sammelte er beim VfB. Die Bayern liehen ihn von 2003 bis 2005 nach Stuttgart aus. Für die Schwaben absolvierte 71 Spiele (3 Tore). Bild in Detailansicht öffnen
Giovane Elber mit dem DFB-Pokal in der Hand
Giovane Élber kam 1994 zum VfB Stuttgart und wurde mit den Schwaben 1997 DFB-Pokalsieger. In 96 Spielen erzielte er 44 Tore, woraufhin es auch ihn in die bayerische Landeshauptstadt zog. Bei den Bayern erzielte er in sechs Jahren (1997-2003) 140 Tore in 266 Einsätzen. Bild in Detailansicht öffnen
Markus Babbel verteidigt den Ball gegen Roy Maakay
Innenverteidiger Markus Babbel durchlief sämtliche Jugendmannschaften des FC Bayern München und brachte es zwischen 1991 und 2000 auf 261 Spiele (17 Tore) für die Bayern. Zur Saison 2004/2005 landete er dann schließlich beim VfB Stuttgart. Nach 63 Einsätzen (2 Spiele) beendete er 2007 seine Spielerkarriere. Zwischen 2008 und 2009 kehrte er als Trainer nochmals nach Stuttgart zurück. Bild in Detailansicht öffnen
Dieter Hoeneß bekommt einen Verband um seine Platzwunde am Kopf
Dieter Hoeneß machte sich mit seinem "Turban-Kopfballtor" im DFB-Pokalfinale 1982 unsterblich bei den Bayern-Fans. Doch seine ersten Schritte im Profibereich machte er beim VfB Stuttgart. Zwischen 1975 und 1979 ging er in Cannstatt auf Torejagd. Nach 116 Spielen und 57 Toren zog es ihn dann nach München. Bild in Detailansicht öffnen
Holger Badstuber im VfB-Trikot
Bereits in der Jugend lief Holger Badstuber sowohl für den VfB, als auch für den FCB auf. Zwischen 2009 und 2017 trug er dann in 177 Spielen (zwei Tore) das Trikot der Bayern-Profis. Über Schalke 04 landete er im Sommer 2017 dann wieder in Stuttgart. Nach seinem Wechsel zum FC Luzern beendete Badstuber seine Karriere 2021. Bild in Detailansicht öffnen
Benjamin Pavard mit der Champions League-Trophäe
Und: Benjamin Pavard: Zur Saison 2019/20 tauschte er Brustring gegen Lederhose. Ein Wechsel der sich gelohnt hat: In seiner ersten Saison mit dem FC Bayern holte er direkt das "Triple". Für den VfB Stuttgart stand Pavard zwischen 2016 und 2019 in 88 Spielen (zwei Tore) auf dem Platz. Bild in Detailansicht öffnen
Alexander Nübel
Alexander Nübel wechselte 2023 auf Leihbasis vom FC Bayern zum VfB Stuttgart. Der 26-Jährige Torhüter war 2020 mit großen Ambitionen vom FC Schalke 04 nach München gewechselt, konnte Manuel Neuer aber nicht als Nummer eins angreifen. Zuletzt war Nübel an die AS Monaco ausgeliehen, in Stuttgart will der Keeper wieder in der Bundesliga Fuß fassen. Bild in Detailansicht öffnen

Viel Bayern im Stuttgarter Kader

Denn selten gab es beim VfB Stuttgart so viele Teammitglieder mit bayerischer Vergangenheit auf der schwäbischen Erfolgswelle wie vor diesem ewig jungen Duell am Sonntag. Ganz nach dem Motto: Das Schönste an München ist die Autobahn nach Stuttgart.

Vorneweg Cheftrainer Sebastian Hoeneß, als Sohn des Ex-VfB- und Bayern-Torjägers Dieter Hoeneß sogar gebürtiger Münchner und später Trainer der U19 und der zweiten Mannschaft des FC Bayern. Hoeneß erlebt als Tabellendritter mit dem Stuttgarter Überraschungsteam gerade den größten Mehrwert seiner Karriere.

Viele Bayern kamen über Umwege nach Stuttgart

Das gilt auch für Torhüter Alexander Nübel. Der kam vor der Saison aus Monaco als Leihgabe des FC Bayern zum VfB und etablierte sich hier als feste Größe und starker Rückhalt der jungen Stuttgarter Mannschaft. Nübels Vertrag in München läuft noch bis 2025. Was nach der Saison passiert? Noch völlig offen. Eine Rückkehr nach München jedenfalls scheint ausgeschlossen.

VfB-Mittelfeldmann Angelo Stiller ist wie Hoeneß ebenfalls gebürtiger Münchner, kam schon als Neunjähriger in die Bayern-Jugend und spielte dort bis zur zweiten Mannschaft in der 3. Liga. Der Durchbruch im Bundesliga-Team gelang ihm nicht. Über die Entwicklungsstufe Hoffenheim folgte Stiller im Sommer seinem Ex-Trainer Hoeneß von der TSG nach Stuttgart. Hier ist Stiller als Endo-Nachfolger und Ballverteiler im Mittelfeld inzwischen unersetzlich.

Auch Woo-Yeong Jeong besitzt Münchner Vergangenheit, der 24-Jährige kam 2018 aus Südkorea zu den Bayern, um sich dort über die zweite Mannschaft für die Bundesliga zu empfehlen. Jeong wechselte über den SC Freiburg an den Neckar.

Schwäbische Vergangenheit bei vielen Münchnern

Umgekehrt steckt auch im aktuellen Kader der Münchner viel Stuttgart. Angefangen bei Trainer Thomas Tuchel, der zwischen 2000 und 2006 mit Unterbrechung fünf Jahre lang in der VfB-Jugend sein Trainer-Handwerk erlernte, später über Mainz und Dortmund bei Paris und Chelsea trainierte und im Frühjahr in München Nagelsmann-Nachfolger wurde.

Als Ur-Schwabe darf sich der gebürtige Schorndorfer Sven Ulreich bezeichnen. Der Ersatzkeeper der Bayern stand 17 Jahre lang im Kasten der Stuttgarter, von der Jugend bis zur Bundesliga. 2015 wechselte der heute 35-Jährige als Neuer-Vertreter an die Isar, wo er inzwischen seinen Vertrag bis 2025 verlängerte.

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Echte Schwaben im Bayern-Kader

Echte Schwaben im Bayern-Kader sind auch die beiden Nationalspieler Joshua Kimmich (geboren in Rottweil) und der gebürtige Stuttgarter Serge Gnabry. Sie spielten zusammen einige Jahre gemeinsam im 1995er-Jahrgang der VfB-Jugend, ehe sich ihre Wege trennten und sie später beim FC Bayern wieder zusammenfanden. Kimmich ist inzwischen achtmaliger Deutscher Meister, dreifacher DFB-Pokalsieger und war 2020 Champions-League-Sieger.

Für ihn war die A8 Richtung München ebenso die richtige Entscheidung wie für Gnabry (5x Meister, 2x Pokal, 1x Champions League).

Alles begann mit Dieter Hoeneß 1979

In der Geschichte der Bundesliga gibt es zahlreiche Spieler, die für den VfB UND für den FC Bayern spielten, die die rund 200 Autobahn-Kilometer auf der A8 gerne in beiden Richtungen befuhren.

Der erste spektakuläre Wechsel war der von "Schwabenpfeil" Dieter Hoeneß 1979 für festgeschriebene 175.000 D-Mark von Stuttgart zu den Bayern. Ein Spottpreis für den damaligen Torjäger und späteren Vize-Weltmeister und ein erstes Husarenstück auf dem Transfermarkt von Dieters Bruder Uli, dem damaligen Jung-Manager der Münchner. Es sollten zahlreiche weitere folgen.

Mario Gomez der Superstar zwischen Stuttgart und Bayern

Weitaus teurer als der Bruder-Transfer von Dieter war für Uli Hoeneß das Abwerben weiterer Stuttgarter Torjäger. 1997 wechselte der Brasilianer Giovane Elber für 6,5 Millionen Euro vom VfB zum FC Bayern, wo er sechs Jahre lang der Publikumsliebling war. Noch tiefer musste Hoeneß für Mario Gomez in die Tasche greifen. Der einstige VfB-Schützenkönig wechselte 2009 für satte 30 Millionen Euro zum FC Bayern, kehrte dann nach Gastspielen in Italien, der Türkei und Wolfsburg Anfang 2018 wieder zurück nach Stuttgart, um dort 2020 seine großartige Karriere mit 170 Bundesliga-Treffern zu beenden.

Ein weiterer Ex-VfB-Goalgetter, Jürgen Klinsmann, spielte erst einige Jahre in Italien, Frankreich und England, ehe ihn Uli Hoeneß für eher bescheidene 1,4 Millionen Euro 1995 zu den Bayern lotste. "Klinsi" wurde mit den Bayern 1997 Meister, mit dem VfB war er dagegen titellos geblieben.

Gomez, Babbel und Kögl Meister mit beiden Vereinen

Mario Gomez wiederum holte mit beiden Vereinen die Meisterschaft. Mit dem VfB 2007, mit dem FC Bayern 2010 und 2013. Ähnliches gelang auch Markus Babbel. Der gebürtige Münchner Europameister von 1996 und Studiogast am Sonntag bei SWR Sport holte drei Meistertitel mit den Bayern, ehe er nach Jahren in England 2004 die Abwehr des VfB verstärkte. Mit Stuttgart feierte er zum Ende seiner Karriere 2007 die Deutsche Meisterschaft. Babbel war danach auch als Cheftrainer der Stuttgarter tätig, schaffte es mit dem VfB sogar bis in die Champions League.

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Unvergessener Meister-Dribbler Wiggerl Kögl

Ähnlich erfolgreich wie Gomez und Babbel war auch Wiggerl Kögl. Der kleine Dribbelkönig auf Linksaußen (Motto: "Entweder ich geh` links oder rechts vorbei") war fünfmal Meister mit München, ehe er 1990 nach Stuttgart wechselte und dort unter Christoph Daum 1992 den Titel holte. Unvergessen Kögls Maßflanke am letzten Spieltag in Leverkusen, die Guido Buchwald zum entscheidenden Meisterschaftstreffer ins Bayer-Gehäuse köpfte.

Nicht zu vergessen Kurt Niedermayer: Meister mit den Bayern 1980 und 1981, Meister mit dem VfB 1984. Der geniale Spielmacher Asgeir Sigurvinsson und Nationalverteidiger Bernd Förster trugen ebenfalls beide Trikots, feierten aber nur mit dem VfB - gemeinsam mit Niedermayer - den Titel 1984.

Lahm, Berthold und Badstuber - namhafte Abwehrmänner in beiden Trikots

Eine legendäre Erfolgsgeschichte schrieb auch Philipp Lahm. Der WM-Kapitän von 2014 brachte als junge Bayern-Leihgabe einst beim VfB Stuttgart unter Felix Magath seine Profi-Karriere in Schwung, wurde nach seiner München-Rückkehr zu einem der besten und erfolgreichsten deutschen Fußballer.

Wenig erfolgreich verlief die Karriere von Weltmeister Thomas Berthold von 1991 bis 1993 beim FC Bayern. Der Abwehrmann wurde vorzeitig aussortiert und wechselte 1993 zum VfB. Ein Glücksgriff für beide Seiten. in Stuttgart war Berthold sieben Jahre lang ein hochgeschätzter Profi, gewann mit dem VfB 1997 den DFB-Pokal.

Auf eine titelreiche Bayern-Karriere darf dagegen Holger Badstuber zurückblicken. Der Abwehrmann, der als Bub zwei Jahre in der VfB-Jugend kickte und dann nach München wechselte, startete unter Louis van Gaal beim FC Bayern durch, ehe ihn zahlreiche schwere Knieverletzungen ausbremsten. Von 2017 bis 2021 kehrte Badstuber dann nach Stuttgart zurück.

Pavard war der letzte große Transfer Richtung München

Der letzte große Transfer von Stuttgart nach München wurde 2019 vollzogen. Der französische Weltmeister Benjamin Pavard wechselte für 35 Millionen Euro vom VfB nach München. Am Sonntag wird Pavard nicht mehr dabei sein, wenn es gegen seinen Ex-Klub geht. Der Abwehrspieler wurde im Sommer zu Inter Mailand transferiert.

Ex-Bayer Thomas Hitzlsperger sogar VfB-Boss

Ein ehemaliger Bayern-Jugendspieler und gebürtiger Münchner wurde zwischenzeitlich sogar zum "Boss" des VfB Stuttgart. Thomas Hitzlsperger, 2005 bis 2010 bereits als Meisterspieler beim VfB am Ball, war 2019 bis 2022 erst Sportvorstand und dann auch Vorstandsboss in Stuttgart.

Und auch einige namhafte Trainer arbeiteten für beide Klubs in der Bundesliga. Branko Zebec, Giovanni Trapattoni und Felix Magath.

Und was macht Thomas Strunz? Der ist inzwischen 55, hat seine Karriere natürlich schon seit vielen Jahren beendet und arbeitet inzwischen als Business-Coach. Sein berühmter Satz von der Stuttgarter Autobahn nach München aber wird die heißdiskutierten Süd-Duelle zwischen dem VfB und dem FC Bayern noch lange begleiten.

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Kersten Eichhorn