Fußball | 3. Liga

Ulm-Kapitän Johannes Reichert: Aufstieg wäre "ein absolutes Wunder"

Stand
Autor/in
Martin Maibücher
Interview
Stefan Sander

Neun Punkte Vorsprung auf Platz vier. Vier Punkte Vorsprung auf Platz drei. Trainer Thomas Wörle und Kapitän Johannes Reichert blicken auf die unglaubliche Saison des SSV Ulm in der 3. Liga.

"Das sind überragende Zeiten, die wir gerade erleben dürfen", sagt ein gut gelaunter Johannes Reichert im Gespräch mit SWR Sport. "Vor allem nach den schwierigen Zeiten in der Vergangenheit ist das, was wir gerade erleben, umso schöner." Die schwierigen Zeiten hat der Kapitän des SSV Ulm hautnah miterlebt. Er war schon als Spieler dabei, als die Ulmer 2010 Insolvenz anmelden und von der Regionalliga Süd in die Oberliga Baden-Württemberg absteigen mussten. Doch diese Zeiten sind vorbei. Die Spatzen kehrten 2023 nach 22 Jahren in den Profi-Ligabetrieb zurück und stehen nun kurz vor dem Durchmarsch in die 2. Bundesliga.

Johannes Reichert: Bei erneutem Aufstieg wird es "kein Halten mehr geben"

"Ich habe noch nicht daran gedacht, was passieren würde, wenn wir das schaffen würden - was natürlich ein absolutes Wunder wäre. Aber ich denke: Es wird kein Halten mehr geben. Und ich würde mich freuen, diesen Moment erleben zu dürfen", sagt Reichert.

In trockenen Tüchern ist der Aufstieg noch nicht, die Vorzeichen könnten aber kaum besser sein. Ulm ist Tabellenführer der 3. Liga (65 Punkte), hat bei noch zwölf zu vergebenden Punkten vier Zähler Vorsprung auf den Relegationsplatz drei. Auf den ersten Nichtaufstiegsplatz sind es sogar neun Punkte Vorsprung. "Wir wissen, dass im Fußball alles passieren kann. Dass man erst Sachen gewonnen hat, wenn man sie gewonnen hat. Bis jetzt haben wir noch gar nichts. Deswegen wissen wir, dass wir Gas geben müssen bis zum Ende, bis es feststeht. Um dann auch den Aufstieg feiern zu können", ordnet der Ulmer Kapitän ein.

SSV Ulm am Sonntag bei Freiburg II

Dass der SSV Ulm schon am Sonntag (28.04.2024, 16:30 Uhr) im Auswärtsspiel bei SC Freiburg II den direkten Aufstieg perfekt machen kann, ist seit Samstagnachmittag vom Tisch - aufgrund der Ergebnisse der Konkurrenten im Aufstiegsrennen. Preußen Münster gewann mit 5:3 bei Viktoria Köln und hat als Tabellenvierter 61 Punkte. Auf Rang vier steht Dynamo Dresden (56 Punkte) nach einem 1:1 im Topspiel beim zweitplatzierten Jahn Regensburg (62).

Wie hätte Johannes Reichert reagiert, wenn man ihm vor einem Jahr gesagt hätte, dass der SSV Ulm vier Spieltage vor Schluss der Aufstiegskandidat Nummer eins in der 3. Liga ist? "Ich hätte gesagt: Bisschen weniger trinken!", so der 32-Jährige lachend. "Ich hätte es auf jeden Fall nicht geglaubt. Ich hätte es mir fast gar nicht erträumen können oder gar nicht zu träumen gewagt. Aber jetzt ist es Realität. Wir genießen es. Und trotzdem haben wir noch nichts erreicht, aber wir wollen es natürlich erreichen. Dafür geben wir die nächsten vier Spiele nochmal alles."

Ulm-Coach Thomas Wörle: "Das ist unglaublich"

Auf dieselbe Frage antwortet Cheftrainer Thomas Wörle: "Ich hätte gesagt: Hört sich gut an, aber ist natürlich ein Witz." Und ergänzt: "Daran war ja überhaupt gar nicht zu denken. Das ist unglaublich. Und deswegen genießen wir diese Wochen so sehr, dass wir kurz vor Schluss dabei sind, um um etwas spielen dürfen." Ulm ist seit 14 Spielen in der Liga unbesiegt, hat die vergangenen drei Partien allesamt zu Null gewonnen.

Für das souveräne Auftreten des Aufsteigers, der zu Saisonbeginn den Klassenverbleib als Ziel ausgegeben hatte, nennt Wörle mehrere Gründe: "Unsere Mannschaft spürt das Selbstvertrauen aus sehr vielen starken Spielen in dieser Saison. Das ist das eine. Das andere ist, dass wir diese Bereitschaft haben in der Mannschaft, miteinander und auch füreinander zu kämpfen. Das sieht man in den meisten Spielen bei uns. Und wir sind bereit, immer wieder aufs Neue zu verstehen, dass das letzte Spiel nichts damit zu tun hat, was im nächsten Spiel passiert. Du musst da immer wieder alles neu erarbeiten. Das ist das Auffällige bei uns."

"Wir fragen nicht: Wie viele Meter sind es, die ich gehen muss? Sondern wir gehen sie. Und das muss weiterhin der Fall sein."

Die genannten Tugenden soll sein Team auch beim Auswärtsspiel in Freiburg auf den Platz bringen. Denn: "Das ist für uns ein schweres Spiel, weil der Gegner keinen Druck mehr hat. Das Ding ist sozusagen durch", sagt Trainer Thomas Wörle vor dem Duell mit dem SC Freiburg II, dessen Abstieg aus der 3. Liga bereits feststeht. Zudem verweist der Ulmer Chefcoach auf die gute Heimbilanz der Freiburger in den vergangenen Wochen. "Die letzten vier Heimspiele sind sie ungeschlagen. Drei Siege, ein Unentschieden. Zum Teil gegen sehr namhafte Gegner. Wir wissen, da kommt was auf uns zu."

Vier Spiele bis zur Rückkehr in die 2. Bundesliga

Für Ulm sind es noch vier Spiele. Vier Partien, in denen das Team die Möglichkeit hat, die Rückkehr in die 2. Bundesliga perfekt zu machen. Dort spielte der Verein zuletzt in der Saison 2000/2001. Sollte den Spatzen der Durchmarsch von der Regionalliga in die 2. Liga gelingen, könnte dies ohne Übertreibung als Sensation bezeichnet werden. Oder, wie es Kapitän Johannes Reichert sagt: "Ein absolutes Wunder."

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Autor/in
Martin Maibücher
Interview
Stefan Sander