Christian Streich verlängert seinen Vertrag beim SC Freiburg nicht noch einmal. Nach 12-einhalb Jahren geht ein Kapitel zu Ende, in schöner Kontinuität zu der ganzen Zeit davor: ohne Streit, ohne Wackeln des Trainerstuhls, ohne Entlassung.
"Ich habe lange überlegt und viele Gespräche geführt, aber ich glaube, nach 29 Jahren ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um Raum zu geben für neue Energien, neue Leute und neue Möglichkeiten. Es war mir schon in der Vergangenheit sehr wichtig, dass ich den Zeitpunkt nicht verpasse, zu dem ich glaube, dass es richtig ist, zu gehen", hieß es von Christian Streich in einer Mitteilung seines Klubs. "Ich hatte hunderte von außergewöhnlichen Erlebnissen in meiner Zeit beim Sport-Club. Dieser Verein ist mein Leben und ich bin dankbar für die große Zuneigung und Unterstützung, die ich hier erfahren habe."
Sportvorstand Jochen Saier: "Gemeinsame Reise ist noch nicht zu Ende"
"Wir waren in den vergangenen Wochen in einem intensiven, sehr vertrauensvollen und emotionalen Gedankenaustausch mit Christian - an dessen Ende eine Entscheidung steht, die wir bedauern, aber in vollem Maße respektieren und nachvollziehen können. So besonders wie die gemeinsame Entscheidungsfindung war und ist Christians Wirken in den vergangenen zwölfeinhalb Jahren als Cheftrainer und insgesamt fast drei Jahrzehnten Trainertätigkeit für unseren SC.
Der Augenblick, diese so besondere Zeit final zu würdigen ist aber noch nicht gekommen, da die gemeinsame Reise hier und heute nicht zu Ende ist. In den ausstehenden acht Bundesligaspielen gibt es gemeinsam noch zu viel zu erreichen. Der transparente Austausch ermöglichte uns, frühzeitig in Gespräche gehen zu können", hieß es von Sportvorstand Jochen Saier.
Rückblick: Es war der 29. Dezember 2011. Der Tag, an dem Christian Streich zum ersten mal die große Fußballbühne betrat. Der langjährige Jugendcoach des SC Freiburg wurde als neuer Cheftrainer des Bundesligateams vorgestellt. Als Nachfolger des erfolglosen Markus Sorg, dessen Co-Trainer er zuvor war. Streich sollte retten, was kaum mehr zu retten war, den damaligen Tabellenletzten doch noch vor dem Abstieg zu bewahren.
Fußball | Bundesliga Christian Streich: Er ist dann mal weg!
Christian Streich hört am Ende der Saison als Trainer der Profimannschaft des SC Freiburg auf. Der Zeitpunkt sei nun gekommen, so der 58-jährige heute in einer Pressemitteilung. Eine Würdigung von Claus-Peter Hufer.
Mehr als zwölf Jahre beim SC Freiburg auf der Bank
Fünf Monate später, Mitte Mai 2012, war die Mission überraschend erfüllt. Der SC Freiburg hatte unter dem Trainer-Novizen Christian Streich den Klassenerhalt geschafft. Es war der Beginn einer einzigartigen Karriere. In den nächsten zwölf Jahren schuf der in Weil am Rhein geborene Fußballlehrer ein grandioses sportliches Werk im Breisgau. Trotz zwischenzeitlichen Abstiegs 2015, der prompt mit dem direkten Wiederaufstieg korrigiert wurde. Streich formte aus dem einstigen Abstiegskandidaten ein Team, mit dem er ins DFB-Pokalfinale einzog und gleich zweimal die Qualifikation für die Europa League schaffte.
Emotionales Highlight war dabei für Christian Streich und alle Beteiligten vor allem das "Erlebnis Berlin", die Begeisterung rund um das unglücklich im Elfmeterschießen gegen Leipzig verlorene Endspiel im Olympiastadion samt Empfang nach der Rückkehr daheim in Freiburg.
Der SC Freiburg unter Streich, das bedeutete vor allem unglaubliche mannschaftliche Reife und Geschlossenheit. Daneben formte der Trainer aus vielen jungen Talenten, bevorzugt aus der eigenen Freiburger Fußballschule, gestandene Bundesliga-Profis, von denen einige sogar zu Nationalspielern wurden. Oliver Baumann, Dennis Aogo, Matthias Ginter oder Christian Günter seien hier beispielgebend genannt.
Auch strukturell hat sich der SC Freiburg in dieser Zeit enorm weiterentwickelt. Inzwischen spielt der Sport-Club im hochmodernen und stets mit rund 35.000 Fans bestens gefüllten neuen Europapark-Stadion, ein Stimmungstempel der ganz besonderen Art. Auch der Mitglieder-Boom hält weiter an, inzwischen drücken rund 60.000 Vereinsmitglieder dem Sport-Club-Team die Daumen.
Christian Streich - Kulttrainer der Bundesliga
Christian Streich selbst entwickelte sich in diesen Jahren auf der Freiburger Bank mehr und mehr zum Kulttrainer der Bundesliga. Eine markante Persönlichkeit, ehrlich und direkt, witzig und schlagfertig. Ein Menschenfänger mit seiner menschlich-hochemotionalen Art, gepaart mit dem sympathisch-alemannischen Dialekt des Mannes aus dem Markgräflerland. Metzgerssohn und Pädagoge mit Lehramtsstudium Germanistik, Geschichte und Sport in Freiburg.
Die vielfältige Gedankenwelt des ehemaligen Zweitliga-Kickers endete nicht zwischen den beiden Strafräumen. Der bald 59-Jährige bezog stets auch klar Stellung zu allen gesellschaftpolitischen Themen. Zuletzt einmal mehr und überdeutlich gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Intoleranz. Dafür gab es viel Anerkennung, aber auch Kritik.
Letztes Spiel am 18. Mai bei Union Berlin
Jetzt endet beim SC Freiburg mit Christian Streich eine unvergessliche Trainer-Ära. Die zweite nach Volker Finke, der den Sport-Club einst in die Bundesliga geführt hatte und 16 Jahre Trainer blieb. In zwei Monaten, am 18. Mai, dem 34. Spieltag der Bundesliga-Saison, wird Christian Streich im Auswärtsspiel des Sport-Clubs bei Union Berlin zum letzten Mal auf der Freiburger Bank sitzen. Dann wird der mit Abstand dienstälteste Bundesliga-Coach Abschied nehmen und in jeder Hinsicht eine große Lücke hinterlassen.