Jürgen Klopp scherzte. Er zeigte sein typisches Kloppo-Grinsen. Fast so, als wäre es Business as usual. Aber natürlich war es das nicht. Angesprochen auf seinen Abschied, rieb sich der Trainer des FC Liverpool die Augen. Seine Stimme stockte. Immer wieder kämpfte er mit den Tränen - denn am Sonntag ist Schluss. "Wir hatten eine großartige Zeit", sagte der Schwabe am Freitag und schwelgte zwei Tage vor seinem 491. und letzten Spiel mit den Reds in Erinnerungen. "Ich werde keinen einzigen Tag vergessen, weil ich die besten Leute getroffen habe, die ich jemals getroffen habe. Ich habe es für den besten Klub getan, den ich mir vorstellen konnte. In einer wunderbaren, sehr speziellen Stadt."
Es wird beim Abschied viele Tränen geben
Im Heimspiel gegen die Wolverhampton Wanderers am Sonntag (17.00 Uhr) wird es Tränen geben. So viel ist sicher. Viele Tränen. So war es in Mainz, so war es in Dortmund. Und so wird es auch und vor allem in Liverpool sein, wo ihm ein rauschender und höchst emotionaler Abschied bevorsteht. Schon bei einem Barbecue mit seinen Spielern am Donnerstagabend gab es große Gefühle. "Es war die intensivste Woche meines Lebens", berichtete Klopp wohlwissend, dass ihm der schwerste Gang noch bevor steht.
"The Kop", die legendäre Tribüne mit dem berüchtigten Liverpooler Anhang, wird dem auf der Insel wohl beliebtesten Deutschen noch einmal huldigen. Die Fans werden den Namen Klopps noch einmal lauter als den sämtlicher Spieler brüllen, und sie werden natürlich auch noch einmal den auf Klopp umgedichteten Beatles-Hit "I feel fine" anstimmen. "I'm so glad that Jürgen is a Red. I'm so glad he delivered what he said", werden sie singen. "Ich bin so froh, dass Jürgen ein Roter ist. Ich bin so froh, dass er hielt, was er versprochen hat." Ja, das hat er. Mehr noch.
"The Special One" machte die Liverpool-Fans glücklich
Klopp hat die großen Erwartungen an ihn, mit denen er damals im Herbst 2015 an der alt-ehrwürdigen Anfield Road angetreten war, übererfüllt. Er gewann mit den Reds 2019 die Champions League und beendete im Jahr darauf die 30-jährige Durststrecke, indem er den Klub zum lang ersehnten 19. Meistertitel führte. Vor allem aber reanimierte Klopp den über die Jahre und Jahrzehnte etwas eingeschlafenen Kultklub, machte - wie bei seiner offiziellen Vorstellung versprochen - aus "doubters" (Zweiflern) bald "believers" (Glaubende) und verzückte die britischen Fans weit über die Stadtgrenzen hinaus mit Vollgas-Fußball und seiner authentischen Art.
Klopp selber bezeichnete sich gleich zu Beginn in Anlehnung an "The Special One" Jose Mourinho als "The Normal One", die Menschen trugen bald Masken und Shirts mit dem Konterfei des Trainers. Sogar Klopp-Tassen gingen in Produktion. Brauereien ehren den Kult-Coach zum Abschied mit einem "Believers Brew". Die bald neun Jahre auf der Insel haben ihre Spuren hinterlassen. Auch bei Klopp selbst. Der 56-Jährige, der schon im Januar seinen Abschied ankündigte, wolle sich jetzt "definitiv erholen", sagte Klopp in einem Interview mit "The Anfield Wrap": "Ich weiß nicht, wie sich das anfühlt, aber ich werde es tun." Er möchte mit seiner Frau Ulla auf Reisen gehen, entspannen und Freunde auch mal außerhalb des Fußball-Kosmos treffen. Diesen "anderen Teil des Lebens" habe er jahrelang "vermisst".
Klopp: "Fußball darf nicht alles in meinem Leben sein"
Mit dem Fußball macht Klopp erst einmal Pause. Die Arbeit bei seinen drei Klubs - die Zeit in Mainz mit dem Bundesliga-Aufstieg, die von zwei Meisterschaften geprägte Ära in Dortmund und eben Liverpool - haben viel Kraft gekostet. "26 Stunden am Tag an sieben Tagen in der Woche" habe er für die Sache gebrannt, sagt Klopp: "Und das ist auch kein Problem. Das ist mein Leben. Das war mein ganzes Leben. Aber es darf nicht alles in meinem Leben sein."