Peter wohnt mit seiner Familie in einer Art Tiny House-Community der ersten Stunde. Die Wagenburg „Bambule“ wurde bereits vor 30 Jahren gegründet, um ein naturnahes, ressourcenschonendes und reduziertes Lebensmodell auszuprobieren.
Auf einem ehemaligen Militärgelände im Süden Tübingens befindet sich im Französischen Viertel die Wagenburg „Bambule“. Sie ist eine Gemeinschaft von 30 Erwachsenen und sieben Kindern, die in alten Bauwagen, Zirkuswagen und umgebauten LKWs leben.
Die Menschen dort haben diese alternative Wohnform gewählt, weil ihnen Gemeinschaft, Selbstbestimmung und die Nähe zur Natur wichtig sind. Das Gelände ist nicht erschlossen. Strom gibt es daher nur über Solaranlagen. Und um an Trinkwasser zu kommen, muss die Gemeinschaft mit einem Traktor zu einem Hydranten in das Französische Viertel fahren, wo sie einen großen Edelstahltank mit frischem Wasser befüllen können. Regenwasser wird als Brauchwasser genutzt. Im Winter werden die Wagen mit Holz und Gas beheizt.
Leben in Gemeinschaft in der Wagenburg „Bambule" in Tübingen
Mittelpunkt der Wagenburg ist eine zentrale Feuerstelle. Hier versammeln sich alle regelmäßig, um im „Plenum“ aktuelle Anliegen zu besprechen. Bei Regen trifft man sich im Gemeinschaftsraum. Dort werden auch Filme geschaut, Yoga und ein Boxtraining angeboten. Ein weiterer Treffpunkt ist die „Schunkelbude“ – eine gemütliche Wagenkneipe, in der kleine Veranstaltungen für die Nachbarschaft und Freunde stattfinden.
Rund um die Wagenburg leben außerdem der Ochse Mokka, die Kuh Alma, ein Pfau, Hühner, Hunde und Katzen. Die Rinder sind die bekanntesten Bewohner der Wagenburg. Eine Kleingruppe kümmert sich um die Tiere. Die Milch der Kuh ist für alle da. Der Ochse wird teilweise als Zugtier für Holz aus dem Wald eingesetzt. Manchmal darf auf den Kühen auch geritten werden.
Gegründet wurde die Wagenburg 1992. In Tübingen rumorte es zu dieser Zeit aufgrund der prekären Wohn- und Immobiliensituation. Aus einem Teil der Hausbesetzer*innenszene hat sich die Wagenburg gegründet. Diese Menschen wollten ihre Vorstellungen von gemeinschaftlichem Leben umsetzen. Nach mehrfacher Vertreibung von unterschiedlichen Plätzen und jeder Menge politischer Arbeit gelang es den Wagenburgler*innen 1995 einen Pachtvertrag für ihren heutigen Standort zu erlangen. Dabei haben sie großen Rückhalt der Tübinger Bevölkerung erfahren. Aus dem Französischen Viertel ist die Wagenburg nicht mehr wegzudenken. Mittlerweile gehört sie zum Tübinger Stadtbild.
Tiny Living in umgebauten LKW, Zirkus- oder Kassenwagen
Peter lebt seit über 30 Jahren auf dem Platz. Zu Beginn wohnte er in einem einfachen Bauwagen. Inzwischen bewohnt er einen Zirkuswagen, den er komplett selbst gebaut und gestaltet hat. Als Schreiner und professioneller Wagenbauer konnte er sich seinen persönlichen Traumwagen bauen. Peters Wagen ist ein Schmuckstück: Historische Holzdielen und ein kunstvoll verglastes Rundfenster sind zwei von vielen Elementen, die vom Schiffsbau inspiriert sind. Für den Bau hat Peter viele Altmaterialien gesammelt, um damit ein nostalgisches Flair zu gestalten. Rund 1.000 Arbeitsstunden hat er neben den Materialkosten in seinen Wagen investiert.
Gleich nebenan wohnen Peters Partnerin Katleen und seine inzwischen erwachsenen Kinder. Beide Kinder wurden sogar in Katleens Wagen unter einer Glaskuppel geboren. Auch wenn sie eine Familie sind, schätzen es Peter, Katleen und die Kinder, dass alle ihren eigenen Rückzugsraum haben. Sohn Milan wohnt in einem kleinen Schaustellerwagen, der ursprünglich als Kasse einer Achterbahn gedient hat.
Minimalistisches Leben im Einklang mit der Natur
Zur Wagenburg „Bambule“ gehören auch Elena und Tom. Nachdem Elena jahrelang in einem LKW lebte, ist sie in einen von ihr eigens gebauten Zirkuswagen gezogen. Da sie Peters Werkstatt nutzte, konnten sich die beiden dort über Dinge austauschen, die beim Bau wichtig sind.
Tom lebt in einem ehemaligen Taubenlaster, an dem er sehr viel schrauben musste, um ihn bewohnbar zu machen. Seinen einzigartigen Charme erhält das Fahrzeug durch seine erfinderischen Upcycling-Kreationen. Früher war Tom Mobilität immer sehr wichtig. Heute hat sich dieses Verlangen ein bisschen gelegt, da er Papa geworden ist.
Wer in der Wagenburg „Bambule“ wohnen möchte, muss sich, sobald es einen freien Platz gibt, bei der Gemeinschaft vorstellen und sich im Plenum zum Einzugswunsch äußern. Anschließend wird demokratisch darüber abgestimmt. Die Pacht- und Gemeinkosten werden auf alle Erwachsenen der Gemeinschaft umgelegt.
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Simons experimentelles Tiny House aus Lehm
Auf der Suche nach einem Lebensraum, der zu ihm passt, ist Simon selbst aktiv geworden. Ohne große Pläne, hat er mit Lehm und Kalk ein Tiny House gebaut. Dieses 14 m² kleine, kuppelförmige Lehmhaus nennt er "Flowdome".
Das Alternative Wohnen passt zu ihm. Denn Simon, aka Courtier, versteht sich selbst als Künstler, Filmemacher, Philosoph und Autor. Den Namen Courtier nutzt er immer, wenn es um seine Kunst geht: Musik, Mode und Architektur.
Der "Flowdome" ist ein Geodom aus Lehm mit einer Kalkschicht und das erste Bauwerk, das Courtier erschaffen hat. Er hat es sich dabei zur Aufgabe gemacht, herauszufinden, wie der perfekte Raum für einen kreativen Menschen wie ihn aussehen könnte. Dabei war es ihm wichtig, mit nachhaltigen Materialien zu arbeiten und sich ressourcenschonend einzurichten.
Sein Tiny House aus Lehm hat Simon rund 12.000 Euro gekostet und ist auch offiziell genehmigt. Denn gebaut hat er auf dem Gelände der Zukunftswerkstatt Gemeinschaft Schloss Tempelhof bei Crailsheim. Die Gemeinschaft hat auf dem angrenzenden Tempelfeld mit Deutschlands erstem Earthship u. a. ein einzigartiges „Reallabor“ für experimentelle Bau-Projekte geschaffen. So konnte auch Simon hier mit seinem kreativen Tiny House aus Lehm experimentieren.