Eingebettet in die hügelige Landschaft des Hegaus liegt Schloss Blumenfeld. Fünf Jahre stand es leer, doch jetzt ist hier wieder Leben eingekehrt: Zurzeit wohnen hier rund 20 kreativ und digital arbeitende Menschen.
Projekt: Landleben ausprobieren
Weil sie für ihre Arbeit nur einen schnellen Internetzugang brauchen, testen sie für sechs Monate das Landleben. Der Bürgermeister des 5.000-Einwohner-Städtchens Tengen im Landkreis Konstanz hat sie 2021 zum „Summer of Pioneers“ eingeladen. Die Idee hinter dem Projekt: Die Pioniere sollen gemeinsam mit der Bevölkerung vor Ort an kreativen Lösungen arbeiten, um die Region wiederzubeleben. Im besten Fall finden sie Gefallen am Leben in der Kleinstadt und führen ihr Kreativkonzept im Anschluss weiter.
Leben und Arbeiten in der Co-Working-WG
Seit Sommer 2021 bewohnen deshalb Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen das alte Schloss. Für 150 Euro Miete im Monat bekommen sie dort ein möbliertes Zimmer und Zugang zum eigens dafür eingerichteten Co-Working-Space. Ansonsten gibt es gemeinsame Feuer- und Filmabende, es wird zusammen gekocht oder musiziert und sich draußen an der frischen Luft bewegt. Außerdem betreibt die Gruppe der Pioniere ehrenamtlich das Schlosscafé und organisiert Veranstaltungen, um frischen Wind in die Region zu bringen.
Eine Pionierin ist Ann-Sophie. Sie arbeitet als Architektin und kann ihren Beruf auch aus der Ferne ausüben. Eigentlich wohnt sie in Stuttgart, wollte aber das Landleben austesten und hat sich vor allem von der Architektur des Schlosses begeistern lassen. Sie gestaltete einige der Räume im Schloss neu und restaurierte auch ein paar Dachbodenfundstücke.
Historische Gemäuer neu gestaltet
Da das Schloss zuletzt als Altenheim genutzt wurde, bewohnen die Pioniere die ehemaligen Pflegezimmer. Alle Räume waren standardmäßig mit einem Krankenbett, einem Tisch, einem Stuhl, einer Lampe und einem Schrank ausgestattet. Ann-Sophie ersetzte einige Möbel mit Dachbodenfunden und schuf sich so ein wohnliches und individuelles Zuhause.
Auch im übrigen Teil des Schlosses hat die Architektin viel mit Licht und Stoffen gearbeitet, um eine gemütlichere Atmosphäre zu schaffen. In den Co-Working-Räumen organisierte Ann-Sophie beispielsweise gesponserte Teppiche und schalldämpfende Wandbehänge. Da das Schloss unter Denkmalschutz steht, musste allerdings so gearbeitet werden, dass alle Maßnahmen auch wieder rückbaubar sind.
Leben auf dem Land für junge Menschen attraktiver machen
Sophies Mitbewohnerin Nadja arbeitete als Eventmanagerin in Stuttgart und zog gemeinsam mit ihrer Katze Mietzi im Schloss ein. Nadja organisiert Events und Konzerte und wurde von den Tengenern schon fest ins Herz geschlossen. Gemeinsam mit ein paar anderen Pionieren wird sie ihre Zeit auf dem Schloss noch verlängern. Sie möchte noch mehr erreichen und daran arbeiten, eine Lebenssituation auf dem Land zu schaffen, die auch für junge Leute attraktiv sein kann.
Nach den ersten sechs Monaten sollen nun neue Leute dazukommen. Die Hoffnung der Stadt Tengen ist es, einen zukunftsorientierten Ort zu entwickeln, der arbeiten aus der Ferne ermöglicht, neues Publikum anzieht und die alten Schlossmauern wiederbelebt.
Geschichte von Schloss Blumenfeld
Um 1300 ursprünglich als Burg erbaut, stand das Schloss von 1774 bis 1876 leer und verfiel, bis es ein Spitalverein kaufte und darin ein Armen- und Krankenhaus einrichtete. Ein Jahrhundert später rettete die Bevölkerung das Schloss vor dem Verfall und sanierte es in einer großen Freiwilligenaktion. Dabei wurde der Altenheimtrakt im mittelalterlichen Baustil neu gebaut. Nachdem 1989 das Krankenhaus geschlossen wurde, stellte 2017 nach jahrelangen Verlusten auch das Pflegeheim seinen Betrieb ein. Fünf Jahre stand das Schloss anschließend leer, bis im Sommer 2021 die ersten Pioniere einzogen.
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Simons experimentelles Tiny House aus Lehm
Auf der Suche nach einem Lebensraum, der zu ihm passt, ist Simon selbst aktiv geworden. Ohne große Pläne, hat er mit Lehm und Kalk ein Tiny House gebaut. Dieses 14 m² kleine, kuppelförmige Lehmhaus nennt er "Flowdome".
Das Alternative Wohnen passt zu ihm. Denn Simon, aka Courtier, versteht sich selbst als Künstler, Filmemacher, Philosoph und Autor. Den Namen Courtier nutzt er immer, wenn es um seine Kunst geht: Musik, Mode und Architektur.
Der "Flowdome" ist ein Geodom aus Lehm mit einer Kalkschicht und das erste Bauwerk, das Courtier erschaffen hat. Er hat es sich dabei zur Aufgabe gemacht, herauszufinden, wie der perfekte Raum für einen kreativen Menschen wie ihn aussehen könnte. Dabei war es ihm wichtig, mit nachhaltigen Materialien zu arbeiten und sich ressourcenschonend einzurichten.
Sein Tiny House aus Lehm hat Simon rund 12.000 Euro gekostet und ist auch offiziell genehmigt. Denn gebaut hat er auf dem Gelände der Zukunftswerkstatt Gemeinschaft Schloss Tempelhof bei Crailsheim. Die Gemeinschaft hat auf dem angrenzenden Tempelfeld mit Deutschlands erstem Earthship u. a. ein einzigartiges „Reallabor“ für experimentelle Bau-Projekte geschaffen. So konnte auch Simon hier mit seinem kreativen Tiny House aus Lehm experimentieren.