Der Bruder - das ist der, der sich für Dich in die Bresche wirft, der Dich beschützt und fördert. Aber: Der Bruder, ist auch derjenige, der sich selbst immer das größte Stück Kuchen schnappt, der seine Kräfte an Dir ausprobiert und der Dich verpetzt. Brüder sind also widersprüchliche Gesellen - wie schon der Blick auf die USA zeigt, denn war Amerika nicht jahrzehntelang der mächtige Beschützer Europas - der sich nun vom guten Bruder zum fiesen Bruder wandelt? Und auch in den USA selbst scheint gerade eine Clique von Männerfreunden ihre Interessen durchzusetzen, die manche als "Broligarchie" bezeichnen - als Herrschaft der Kumpel. Als Männer-Seilschaft mit Schulterklopfen und großer Klappe.
Wobei: sprach nicht schon Schiller davon, dass alle Menschen - also auch alle Schwestern - Brüder werden? Auf sprachlicher Ebene jedenfalls erscheint der Bruder gegenwärtig nicht nur ein Mann zu sein - wie die Autorin Teresa Präauer festgestellt hat, bezeichnen sich auch junge Frauen gegenseitig als Brudi, Bruda oder Bro. Vielleicht müsste man Schiller also aktualisieren und sagen: Alle Menschen werden Kumpel. Vor allem, wenn sie - vor 25 Jahren - gemeinsam im Big Brother Container saßen und TV-Deutschland entdeckte, wie faszinierend der langweilige Alltag der anderen im Reality Fernsehen doch ist. Andererseits ist die Brüderlichkeit unter Menschen - neben Freiheit und Gleichheit - der Goldstandard der Demokratie, der, wie man im Nachbarland Frankreich sieht, zwar überall präsent ist, doch selten eingelöst wird. Und was ist eigentlich mit den Brüder-Küken? Erstreckt sich das menschliche Konzept der Brüderlichkeit auch auf flauschige Baby-Hähne, die nur einen geringen wirtschaftlichen Wert haben?
Die Matinee in SWR Kultur - heute geht es um Brüder.
Gesprächspartner der Sendung sind die Autorin Teresa Präauer, die Fernsehkritikerin Klaudia Wick und der Journalist Nils Minkmar.
Redaktion: Daniel Stender
Musikredaktion: Moritz Chelius