Das sogenannte Willow-Ölprojekt, für das der US-amerikanische Präsident Joe Biden grünes Licht gegeben hat, stößt auf sehr große Kritik. Der Ölkonzern ConocoPhillips darf im Norden Alaskas neue Ölfelder erschließen. Greenpeace und andere Umweltschutzorganisationen haben eine Klage dagegen eingereicht. So soll das fossile Großprojekt noch gestoppt werden. Greenpeace sagte, das Willow-Ölprojekt sei "eine historische Klimasünde und ein Schlag ins Gesicht für alle jungen Menschen und zukünftige Generationen."
Präsident Biden ignoriert mit der Genehmigung des Projektes sein eigenes Versprechen einer Halbierung der Treibhausgasemissionen der USA bis 2030. Das genehmigte Projekt würde insgesamt etwa 260 Millionen Tonnen Treibhausgase in die Atmosphäre blasen. Zudem würde es die Umwelt massiv schädigen.
SWR2 Impuls im Gespräch mit Volker Rachold, Leiter des Deutschen Arktis-Büros am Alfred-Wegener-Institut in Potsdam:
SWR2 Impuls: Wie schätzen Sie das Projekt ein? Ähnlich wie Greenpeace - ist es eine historische Klimasünde?
Volker Rachold: Ich denke auch, dass es ein großer Fehler ist, so was jetzt in Alaska zu starten. Ich meine, es passt überhaupt nicht in die US-Klimapolitik. Es ist richtig, dass Präsident Biden klar gesagt hat: Die USA möchte klimaneutral werden bis 2050. Und da ist es natürlich eine etwas schwer zu verstehende Entscheidung, weil es ein langer Prozess sein wird. Es wird ja erst mal angefangen werden. Das wird sich dann über 30 Jahre hinziehen. Das heißt, man wird also 30 Jahre lang weiterhin CO2 in die Atmosphäre pusten.
SWR2 Impuls: Haben Sie eine Erklärung für diese seltsame Wende von Biden?
Volker Rachold: Nein, das ist ja eine längere Geschichte. Für dieses Gebiet da oben hat ConocoPhillips schon seit vielen, vielen Jahren die Rechte. Und das hat ja schon langen Vorlauf. Das wurde schon mal beantragt, dann wurde es zurückgestellt, weil ein Umweltgutachten nicht richtig verfasst wurde oder weil da Daten fehlten. Und und jetzt wurde es in der verkleinerten Variante bewilligt, mit nur drei Bohrfeldern und nicht wie vorgesehen fünf. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass ConocoPhillips da die Rechte hat. Wenn man ihnen das nicht erlauben würde, könnten die wahrscheinlich klagen und würden dann Geld dafür bekommen.
Und natürlich ist die Unterstützung aus Alaska für das Projekt aus der Politik sehr, sehr stark. Es geht um Arbeitsplätze, ein starkes Argument ist auch die Unabhängigkeit Alaskas mit Rohstoffen. Von daher ist das von der lokalen Politik in Alaska sehr stark vorangetrieben worden.
SWR2 Impuls: Wie wichtig ist denn das Gebiet im Norden Alaskas aus ökologischer Sicht?
Volker Rachold: Das ist im Küstenbereich des arktischen Ozeans, also an der Nordküste von Alaska. Das ist natürlich ein ganz besonderes Ökosystem. Das ist die eine Sache. Es ist aber auch ein Gebiet, wo die indigene Bevölkerung lebt, die von der Karibujagd und vom Fischfang lebt, was durch ein so großes Projekt schon gefährdet ist.
SWR2 Impuls: Können Sie Beispiele nennen, was man zu erwarten hat?
Volker Rachold: Es ist ja nicht nur die Bohrung selber. Da ist ja eine große Infrastruktur drumherum. Da werden Straßen gebaut, da wird ein Flughafen gebaut. Die Gefahr von Unfällen ist natürlich immer da. Aber allein durch die Straßen und durch den Flughafen werden natürlich die Lebensräume der Karibu (der Rentiere Nordamerikas) beeinflusst. Sie haben ihre gewissen Zugwege, Zugpfade, die sie gehen. Die werden von den Straßen teilweise durchschnitten. Das ist natürlich ein großer Punkt. Ein ganz wichtiger Punkt ist meiner Meinung nach auch, dass das da oben eine Region ist, in der Permafrost auftritt.
Permafrost heißt, dass die Böden durchgehend gefroren sind und nur im Sommer kurzfristig auftauen. Und wir wissen, dass durch den Klimawandel, durch die Klimaerwärmung der Permafrost weltweit, besonders da oben in Alaska bereits auftaut. Und dieses Auftauen hat natürlich zur Folge, dass der Boden instabil wird. Und das betrifft natürlich gerade diese Infrastruktur für so ein großes Öl-Projekt. Und das hat man natürlich von vornherein schon im Hinterkopf. Und ConocoPhillips plant deswegen, die Infrastruktur zu kühlen, den Boden zu kühlen, um dieses Tauen zu vermeiden.
SWR2 Impuls: Aber es gibt ja nun mal Bedarf an Öl und Gas. Irgendwo muss es ja herkommen, oder?
Volker Rachold: Den Bedarf gibt es natürlich auf jeden Fall immer noch. Aber ich glaube, wir sind uns einig. Und das hat ja auch gerade die US Regierung gesagt, dass wir davon loskommen müssen, dass wir Wege finden müssen, um vom Öl und Gas unabhängig zu werden. Jetzt noch ein neues, großes Projekt zu starten, was dann über 30 Jahre läuft, ist natürlich genau der gegengesetzte Weg.
SWR2 Impuls: Wissen Sie, ob mit dem Projekt auch gewisse Umweltschutz-Dinge verbunden sind, an die sich der Ölkonzern halten muss?
Volker Rachold: Ja, es muss ein großes Gutachten erstellt werden, wo wo all diese Bedenken berücksichtigt werden. Das wurde, wie gesagt, in einer ersten Fassung erstmal nicht akzeptiert und musste dann nachgearbeitet werden. Das wird natürlich schon getan, da gibt es eine große Umweltverträglichkeitsprüfung. Da gibt es natürlich strenge Auflagen. Aber die Straßen werden natürlich trotzdem gebaut und der Flughafen.
SWR2 Impuls: Wie groß ist die Gefahr einer möglichen Ölkatastrophe bei solchen großen Öl-Bohrfeldern?
Volker Rachold: Das kann ich nicht genau sagen, wie groß die Gefahr ist. Die Gefahr ist natürlich immer da. Das ist natürlich auch Problem in der Aktis, weshalb man sagt, in der Arktis sollte das Öl und das Gas im Boden bleiben, weil durch die tiefen Temperaturen der Abbau von Öl viel länger dauert als bei höheren Temperaturen. Das heißt, ein Ölunfall hat wesentlich schlimmere Konsequenzen in der Arktis, als er sonst hätte.
SWR2 Impuls:Dann schauen wir mal, ob die Klage von Greenpeace und anderen Umweltschutzorganisationen zum Erfolg führt. Das kann ich schlecht, beurteilen, sie wahrscheinlich auch nicht. Oder?
Volker Rachold: Das kann ich leider auch nicht beurteilen, ob das einen Erfolg haben wird. Das wird man sehen.