Menschengemachte Geräusche unter Wasser
Jana Winderen gehört zu den 25 Autorinnen und Autoren einer Anfang Februar im Wissenschaftsmagazin Science erschienenen Überblicksstudie zur Lärmverschmutzung der Ozeane. Sie heißt "Die Geräuschkulisse des anthropozänen Ozeans". Dafür hat Winderen Aufnahmen unter Wasser gemacht:
Schiffsverkehr, Bau und Betrieb von Offshore-Windparks, Öl- und Gasplattformen, seismische Untersuchungen oder die Sprengung von Blindgängern aus dem Zweiten Weltkrieg: Menschengemachter Lärm überlagert in vielen Meeresgebieten die natürliche Geräuschkulisse.
Lärm stört das Ökosystem
Auch die Bremerhavener Biologin Ilse van Opzeeland ist eine der Science-Autorinnen.
Auch wirbellose Tiere betroffen
Betroffen sind nicht nur Fische oder Meeressäuger, wie Grindwale, die Jana Winderen vor Madeira aufgenommen hat. Auch Krebse und wirbellose Tiere leiden unter der Lärmverschmutzung. "Es war schon länger bekannt, dass Quallen und auch Muscheltiere primitive Hörorgane haben. Die werden von den Tieren benutzt, um Schwerkraft wahrzunehmen, sich zu orientieren, balancieren in der Wassersäule. Was natürlich Konsequenzen für die Nahrungsaufnahme hat", sagt Ilse Opzeland.
Das Wissenschaftsteam hat tausende Datensätze aus über 500 Einzelstudien der vergangenen sechzig Jahre ausgewertet. Dabei zeigt sich vor allem, wie vielfältig die Rollen sind, die der Schall für das Leben unter Wasser spielt.
Tiere reagieren unterschiedlich auf Lärm
Bestimmte Tiergruppen seien empfindlich für hochfrequente Geräusche, andere für tieffrequente. Es sei außerdem vom Verhaltenskontext abhängig, ob ein Tier ein Geräusch als störend empfinde oder eben nicht. Auch Alter und Erfahrung mit Unterwasserschall sei entscheidend, so Opzeeland.
Im Extremfall kann Lärm sogar töten. Zum Beispiel wenn Schnabelwale das Sonar eines Militär-U-Boots hören. Dessen Frequenz und Lautstärke ähnelt den Rufen von Orcas. Und Orcas fressen Schnabelwale.
Defline haben sich angepasst
Es gibt aber auch den umgekehrten Fall. Eine australische Delfinart hat sich darauf spezialisiert, Fischtrawler an typischen Geräuschen zu erkennen. Die Tiere schwimmen zu diesen Fischerbooten und laben sich an dem, was sie in den Netzen ergattern können oder was herausfällt.
Schädigung der Hörorgane
Tiere sind anpassungsfähig. Doch an manchen Stellen ist der Unterwasserlärm bereits so laut, dass er die Hörorgane der Tiere dauerhaft schädigen kann. Davon sind zum Beispiel Schweinswale bedroht, wenn in Nord- und Ostsee Offshore-Windparks errichtet werden. Um die Schweinswale von den lauten Rammarbeiten fern zu halten, werden sogenannte Vergrämer eingesetzt. Sie vertreiben die Tiere mit einem durchringenden hohen Ton. Zusätzlich kommen inzwischen auch Blasenschleier zum Einsatz.
Grenzwerte für Unterwasserlärm
Mit dieser Methode könne man diese Grenzwerte einhalten. Tobias Schaffeld war an der Festlegung dieser Grenzwerte beteiligt. Weltweit wurde dadurch der Unterwasserlärm zum ersten Mal gesetzlich beschränkt. Damit wird bestimmt, dass zum Beispiel Rammarbeiten unter Wasser in einem Umkreis von 750 Metern nicht lauter sein dürfen, als dieser Grenzwert. Damit sollen die Schweinswale vor Hörschädigungen geschützt werden. Das Schallschutzkonzept sei in Deutschland "ein ganz guter Weg", sagt Wildtierökologe Schaffeld.
Grenzwerte auch für Schiffe?
Auch der Lärm, den der Schiffsverkehr unter Wasser erzeugt, könnte mit strengeren Vorschriften zum Einsatz leiserer Elektromotoren und Schiffsschrauben zumindest verringert werden. Für Ilse van Opzeeland ist das eine der wichtigsten Ergebnisse der Science-Studie. Schiffe sind produzieren kontinuierlich Lärm. Die Geräusche erstrecken sich über viele unterschiedliche Frequenzen. Das stört wiederum verschiedene Tierarten, denn Lärm verschleiert die Kommunikation der Tiere.
Golf von Thailand bedroht
Jana Winderen versucht mit ihren Unterwasseraufnahmen zu dokumentieren, was durch die Lärmverschmutzung der Meere verloren zu gehen droht. Zum Beispiel die sphärischen Klänge des siamesischen Tigerbarschs oder andere Schwärme im Golf von Thailand. Die Multimediakünstlerin ist begeistert: "Ich war nachts draußen, um diese Aufnahme zu machen. Als ich mein Mikrofon ins Wasser gehängt hatte, kamen einige Fische näher heran, man hört sie lauter. Aber man hört auch ganze Fischschwärme. Einfach unglaublich. Nirgendwo hatte ich jemals zuvor solche Artenvielfalt gehört. So kann es sein."
Aber so wird es auch an dieser entlegenen Ecke des Golfs von Thailand nicht mehr lange bleiben. Denn bald wird dort ein Hafen gebaut. Und dann verschwindet der Meereschor unter Industrielärm.