Gibt es spürbare Erfolge im Kampf gegen Krebs?
Ein richtiger Durchbruch ist nicht passiert, aber neue Immuntherapien können immer mehr Patienten helfen. Allerdings verlieren sie bei vielen Betroffenen nach einer Weile an Wirksamkeit. Mit der Kombination mehrerer Wirkstoffe versuchen Ärztinnen und Ärzte gegenzusteuern – das führt manchmal zum Erfolg, gleichzeitig treten aber auch mehr gefährliche Nebenwirkungen auf.
Eine positive Nachricht ist, dass inzwischen rund 65 Prozent der Krebspatient:innen fünf Jahre nach der Diagnose noch am Leben sind. Früher waren es deutlich weniger. Die Zahl der Betroffenen steigt jedoch kontinuierlich an: Im Moment bekommen jährlich rund eine halbe Million Menschen in Deutschland die Diagnose Krebs. Bis 2030 werden es laut Deutschem Krebsforschungszentrum deutlich mehr sein, nämlich 600.000.
Woran liegt dieser Anstieg der Krebs-Fallzahlen?
Das hat vor allem zwei Gründe: Erstens gibt es in Deutschland immer mehr alte Menschen. Und im Alter entstehen häufiger Tumore als in jungen Jahren. Zweitens spielt unser Lebensstil eine wichtige Rolle: Etwa 37 Prozent aller Tumore gelten als vermeidbar. Also alles Faktoren, die wir selbst beeinflussen können:
- Fast jeder fünfte Krebs hängt mit Rauchen zusammen, das ist mit Abstand der wichtigste Risikofaktor.
- Dazu kommt ungesunde Ernährung mit rund acht Prozent,
- Übergewicht mit sieben Prozent und
- Bewegungsmangel mit etwa sechs Prozent.
- Auch Viren, Bakterien und Parasiten spielen eine Rolle: Jeder fünfte Tumor geht auf infektiöse Erreger zurück.
Bekanntestes Beispiel dafür sind die humanen Papillomviren, die Gebärmutterhalskrebs auslösen können. Dagegen gibt es zum Glück eine Impfung – in Deutschland bekommt diese Impfung jedoch nicht mal die Hälfte aller jungen Mädchen, in Norwegen und den USA sind es hingegen mehr als 80 Prozent.
Rauchen, Übergewicht, Viren – das sind komplett unterschiedliche Krebsauslöser. Gibt es trotzdem gemeinsame Mechanismen bei der Tumorentstehung?
Ja, die gibt es. Der gemeinsame Nenner heißt Entzündung. Egal ob Zigaretten, Fettdepots in Bauch und Leber oder infektiöse Erreger: Alle diese Faktoren lösen chronische Entzündungen im Körper aus. Von der Dauer-Entzündung führen dann verschiedene Wege zum Tumor: Einmal über die Ausschüttung bestimmter Botenstoffe, die das Wachstum von Krebszellen fördern. Oder indem Reparaturmechanismen der Zelle gebremst werden.
Manche Zellen produzieren unter Dauerstress auch vermehrt aggressive Sauerstoffradikale. Das alles wird aber erst dann richtig gefährlich, wenn die Entzündung über Jahre anhält. Ändert man seinen Lebensstil, schwindet die Entzündung und das Krebsrisiko sinkt. Übergewicht und falsche Ernährung spielen insbesondere bei Brustkrebs, Leberkrebs, Darmkrebs und Nierentumoren eine wichtige Rolle.
Rauchstopp, Sport und gesunde Ernährung sind also die Mittel der Wahl…?
Im Prinzip ja. Allerdings ist das gerade bei Menschen mit starkem Übergewicht oft gar nicht so ohne Weiteres möglich. Eine mögliche Strategie ist Intervallfasten: Bei dicken Mäusen ließen zwei Tage Nulldiät pro Woche die Fettleber verschwinden. Forscherinnen und Forscher arbeiten auch an neuen Wirkstoffen, um Risikogruppen besser zu schützen. Bei Leberkrebs hat sich beispielsweise gezeigt, dass Blutplättchen die Entzündung und damit die Tumorbildung antreiben.
Wissenschaftler:innen am Deutschen Krebsforschungszentrum haben deshalb einen speziellen Antikörper entwickelt. Dieser bremst die Entzündung aber beeinflusst die Blutgerinnung nicht. Das ist ein entscheidender Vorteil gegenüber Aspirin und anderen gängigen Blutverdünnern. Dieser neue Antikörper muss allerdings noch in klinischen Studien getestet werden.
Welche anderen neuen Ansätze verfolgt die Forschung noch im Kampf gegen Krebs?
Zum Beispiel wollen Wissenschaftler:innen jetzt mit Hilfe von Bioinformatik verstärkt nach bisher unbekannten krebsauslösenden Viren fahnden. Bei dem Coronavirus SarsCov2 gibt es laut dem Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) derzeit keinerlei Hinweis auf irgendwelche Tumoreffekte. Eine zweite wichtige Stoßrichtung sind neue Analysen des menschlichen Mikrobioms, also der Gesamtheit aller Mikroben.
Vor allem das Mikrobiom des Darms steht dabei im Fokus. In einer noch unveröffentlichten Pilotstudie aus Israel ließen sich aus dem Mikrobiom von 60 Blutkrebspatienten wichtige Informationen ablesen: Die Zusammensetzung der Darm-Mikroben zeigte an, ob eine Immuntherapie wirkt oder nicht. Auch lebensbedrohliche Nebenwirkungen ließen sich voraussagen. Der nächste Schritt wäre dann, das Mikrobiom gezielt günstig zu beeinflussen. Der Weg in den klinischen Alltag ist noch weit, aber das ist auf jeden Fall ein vielversprechender Ansatz für die nächsten Jahre.