Laborratten werden häufig in der Forschung eingesetzt
In der Forschung haben Ratten einen guten Ruf. Seit ungefähr 200 Jahren setzen Forschende auf Ratten als Versuchsobjekte. Dafür spricht, dass ihr Erbgut zu 90% mit dem des Menschen übereinstimmt, was sie für die medizinische Forschung attraktiv macht. Durch ihre Intelligenz und Trainierbarkeit werden sie zudem immer wieder auch für die Verhaltensforschung eingesetzt. Laut des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) wurden 2023 in Deutschland über 100.000 Ratten als Versuchstiere eingesetzt.
Forschung an Ratten wird jedoch auch kritisiert. Nicht nur diverse Tierschutzorganisationen sprechen sich gegen Tierversuche aus, auch in der Wissenschaft gibt es aktive Diskussionen zum Thema. So beschreibt z.B. ein Forschungsteam in der Fachzeitschrift „Science“, dass die Etablierung einer „Fürsorgekultur“ für im Labor eingesetzte Nagetiere zwar wichtig sei, institutionelle Hürden dem jedoch oft im Weg stünden. Sie beschreiben, dass wissenschaftliche Erfordernisse und wirtschaftliche Faktoren oftmals einen höheren Stellenwert haben als das Wohlergehen der Tiere.
Dass gestresste Tiere negative Auswirkungen auf die Aussagekraft der Experimente haben könnten, beschreibt neben dem Forschungsteam auch Neurowissenschaftlerin Inbal Ben-Ami Bartal und plädiert für bessere Haltungsbedingungen: Wenn Ratten negative mentale Gesundheit aufweisen, könnte das ihren Allgemeinzustand und damit die Ergebnisse von Studien beeinflussen.

Nicht nur nützlich im Labor: Ratten können trainiert werden
Ratten sind sehr schlau und lassen sich für die verschiedensten Zwecke trainieren. Zahme Farbratten, die als Haustiere gehalten werden, können zahlreiche Tricks lernen. Doch auch in ungewöhnlich erscheinenden Bereichen können Ratten eingesetzt werden – zum Beispiel bei der Suche nach Landminen. Diese stellen noch in fast 60 Ländern eine große Gefahr dar, vor allem für die Zivilbevölkerung.
Um sie zu finden und zu entschärfen, werden inzwischen afrikanische Riesenhamsterratten eingesetzt, welche Sprengstoff erschnüffeln können. Die belgische Organisation APOPO bildet solche Minen-Such-Ratten in Tansania aus. Laut eigenen Angaben können die von ihnen trainierten Ratten ein Feld von der Größe eines Tennisplatzes in 30 Minuten absuchen – mit einem Metalldetektor würde das mehrere Tage dauern. Biologisch betrachtet gehören Riesenhamsterratten eigentlich der Familie der Mäuse an, aufgrund ihres Aussehens erinnern sie aber stark an Ratten und werden oft als solche bezeichnet (wie z.B. von APOPO als „HeroRats“).
Doch nicht nur dafür können die afrikanischen Riesenhamsterratten trainiert werden. Sie werden z.B. in Tansania seit Jahren bei der Tuberkulose-Diagnostik eingesetzt, indem sie an Speichelproben mit Tuberkuloseverdacht riechen und die infizierten Proben erkennen. Dabei sind sie sehr viel schneller als herkömmliche Labortestungen. Damit erhöhen sie die Genauigkeit der Diagnostik von Tuberkulose – eine gefährliche Krankheit, die häufig unbemerkt bleiben kann.
Es wird zudem bereits an weiteren Einsatzfeldern der Riesenhamsterratten geforscht: beim Vorgehen gegen illegalen Wildtierhandel oder als Such- und Rettungs-Ratten, z.B. bei der Suche nach Verschütteten nach Erdbeben.

Ratten sind sozial intelligent
Ratten leben meist in Rudeln, die in der Wildnis über 150 Mitglieder haben können. Sie schlafen zusammen, putzen sich gegenseitig und helfen einander, an Futter zu kommen. Ein Experiment der Universität Bern zeigt, dass Ratten sich die Hilfsbereitschaft anderer Artgenossen über mehrere Tage merken können – und sich revanchieren.
Im Experiment gaben sie genauso viel Futter an das jeweils andere Tier zurück, wie sie zuvor von ihm bekommen hatten – also „wie du mir, so ich dir“. Das vorangehende Teilen von Futter, ohne zu wissen, ob sie etwas zurückbekommen, könnte ein Zeichen sein, dass das Zusammenleben von Ratten grundsätzlich auf gegenseitiger Unterstützung basiert. Neurowissenschaftlerin Inbal Ben-Ami Bartal beschreibt Ratten als komplexe, sozial intelligente Wesen, die zu Empathie und prosozialem Verhalten fähig sein können.

Sollte sich der Ruf der Ratten ändern?
Als Kulturfolger der Menschen fanden Ratten in der Zivilisation günstige Überlebensbedingungen, an die sie sich leicht anpassen und wodurch sie sich schließlich weltweit ausbreiten konnten. Dadurch entstanden Probleme zwischen ihnen und den Menschen, wie Krankheitsrisiken oder Nahrungskonkurrenz: Ratten können über 100 Infektionskrankheiten übertragen, wie z.B. SARS, das Hantavirus oder Leptospirose.
Außerdem bedienen sie sich gerne an Getreidevorräten und anderen Lebensmitteln und können diese mit ihren Ausscheidungen verunreinigen – dadurch entstehen jährlich hohe Kosten. Diese Probleme bescherten der Ratte schließlich ihren negativen Ruf, woraus sich auch eine eingeschränkte Sympathie für sie bei der Frage nach Tierversuchen ergeben haben könnte.
Gleichzeitig haben wir ihnen aber viele Erkenntnisse in der medizinischen Forschung zu verdanken und inzwischen sind sie auch zu beliebten Haustieren geworden. Vielleicht lohnt es sich, den Blick auf die Ratten etwas zu erweitern und z.B. ihre Intelligenz und Sozialkompetenz mehr in den Fokus zu rücken.