Kandidat Nr. 1: Der Kiebitz - ein Flugkünstler
Seine Wahlkampfstrategie: zur Balzzeit die waghalsigste Flug-Show abziehen. Die Naturschützer beschreiben sie so: Das Kiebitz-Männchen fliegt steil nach oben, lässt sich dann kopfüber in die Tiefe fallen und fängt den Sturz erst kurz vor dem Boden ab. Dabei machen die Flügel ein klatschendes Geräusch. Manchmal rollt sich der Vogel im Flug auch auf den Rücken. Das alles, damit ihn ein Weibchen wählt – und möglichst viele Vogelfreunde, die an der Online-Wahl teilnehmen.
Showtalent beweist der Wiesenbrüter auch, wenn er versucht, einen Fressfeind von seinen Küken abzulenken, die sich bei Gefahr dicht an den Boden drücken.
Früher war der Kiebitz häufig zu sehen, inzwischen ist er aus vielen Agrarlandschaften verschwunden. Die Bestände sind auf weniger als ein Zehntel zusammengebrochen. Im Südwesten ist der Kiebitz vom Aussterben bedroht. Der Vogel braucht feuchte Wiesen und Weiden, Moore und Sümpfe. Davon gibt’s zu wenige. Darum fordert er: "Wasser marsch!"
Kandidat Nr. 2: Der Steinkauz - ein Vogel mit Superkräften
Wie der Kiebitz ist der Steinkauz Tag und Nacht im Wahlkampf aktiv - und punktet mit seinen Talenten: Wie alle Eulen kann er fast lautlos fliegen, er hört in 3D, und er sieht nachts mit eingebauter Restlichtverstärkung.
Der Steinkauz braucht mehr alte Bäume mit Höhlen, etwa auf Streuobstwiesen, die ohne Maschinen und Pestizide gepflegt werden. Sein Wahlslogan: "Mehr Wohnraum im Baum!" Als Höhlenersatz hängen Vogelschützer Brutröhren für den Steinkauz auf. In Baden-Württemberg kommt er vor allem im Neckarraum und am Rhein vor. In Rheinland-Pfalz ist er laut Vogelmonitoring überwiegend im unteren Nahetal über Rheinhessen bis in die Vorderpfalz verbreitet.
Kandidat Nr. 3: Die Rauchschwalbe - eine Lehmarchitektin
Sie nistet traditionell in Ställen und Scheunen. Die Kandidatin hätte wahrscheinlich nichts dagegen, wenn der Wahlkampf zur Schlammschlacht würde. "Rauchschwalben brauchen irgendwo in der Landschaft immer mal wieder nasse, feuchte Pfützen mit Lehm, mit bindigem Material, mit dem sie ihre Nester mörteln können", erklärt NABU-Fachmann Klatt.
Aber solche Lehm-Pfützen seien Mangelware. Wenn man über die Feldwege gehe, sehe man kaum noch festgetretene Erd-Wege, sondern fast nur Asphalt, um die schweren Maschinen zu tragen. Zu viele Flächen sind versiegelt. Im Wahlkampf fordert die Rauchschwalbe deshalb: "Matsch statt Asphalt!"
Kandidat Nr. 4: Das Rebhuhn - ein bedrohter Feldvogel
Das Rebhuhn ist eigentlich viel zu scheu für echten Wahlkampf. Bei Gefahr duckt es sich auf den Boden. Mit seinem erdbraun-grau marmorierten Rücken ist es gut getarnt.
Die Tarnung allein reicht allerdings nicht. Zum Brüten braucht der bedrohte Feldvogel möglichst breite Blühflächen und Brachen, Hecken und Büsche - als Versteck vor dem Fuchs zum Beispiel. In der modernen Agrarlandschaft aber findet das Rebhuhn kaum Deckung. Insekten als Futter machen sich auch rar. Wie der Kiebitz hat das Rebhuhn schwer zu kämpfen. In Rheinland-Pfalz ist der Vogel stark gefährdet, in Baden-Württemberg vom Aussterben bedroht. Sein Wahlslogan: "Mehr Vielfalt auf dem Acker!"
Kandidat Nr. 5: Der Wespenbussard - ein spezialisierter Insektenfresser
Der Wespenbussard war als einziger Kandidat noch nie Vogel des Jahres. Er ist für Überraschungen gut: ein Greifvogel, der Wespennester aus dem Boden ausgräbt. Denn er frisst vor allem Wespen und ihre Larven. Damit er nicht gestochen wird, ist sein Gefieder besonders dicht. Seine Füße sind mit Hornplättchen geschützt.
Hummeln und andere Insekten schmecken dem Wespenbussard ebenfalls, wenn er sie auf Feldern und Wiesen findet. Würmer und Frösche frisst er auch. Sein Wahlkampfspruch: "Für Insekten, gegen Gift!"
In Rheinland-Pfalz kommt der Vogel überwiegend im Westerwald vor, im Mittelrheintal, an Mittel- und Untermosel, in der Osteifel und an der unteren Nahe. In Baden-Württemberg findet man ihn zum Beispiel im Neckarraum, am Rhein und im Schwarzwald, immer da, wo Wald und Wiesen aneinander grenzen.
Virtuelles Wahllokal bis Anfang Oktober geöffnet
Hier geht's zur Abstimmung des NABU. Sie ist offen für alle und läuft bis zum 5. Oktober 2023, 11 Uhr. Am selben Tag wird bekannt gegeben, welcher Kandidat gewonnen hat. Der erste Vogel des Jahres wurde vor mehr als 50 Jahren gekürt. Dies ist die vierte öffentliche Wahl. Beim letzten Mal wurde das Braunkehlchen zum Vogel des Jahres 2023 gewählt.