Lange war unklar, wie häufig Kinder und Jugendliche nach einer Corona-Infektion unter den Spätfolgen leiden. Die meisten Studien sprechen von drei bis vier Prozent der Infizierten. Eine große Studie hat das Risiko nun auch in Deutschland beobachtet. So hatten infizierte Kinder und Jugendliche im ersten Pandemiejahr eine um 30 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, später mit Post-Covid-Symptomen zu kämpfen als Kinder ohne Covid-Erkrankung.
Prof. Dr. med. Martin Scherer, Leiter des Instituts und der Poliklinik für Allgemeinmedizin
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf gegenüber dem Science Media Center (SMC):
„Unserer Einschätzung nach können die Studienergebnisse in der hausärztlichen Praxis dabei helfen, Beschwerden und Erkrankungshäufigkeiten in der aktuellen Situation einzuordnen, da sich die Auswirkungen der Pandemie sowohl infektiologisch als auch psychosozial nicht immer leicht differenzieren lassen. Bei dieser Einordnung ist die Erkrankungswahrscheinlichkeit ein wichtiger Ausgangswert, zu dem die Studie nun ebenfalls neue Erkenntnisse ermöglicht.“
Erhöhtes Risiko für ein Fatigue-Syndrom nach Corona-Infektion
Am häufigsten klagten die Betroffenen über Unwohlsein und Müdigkeit. Laut der Studie steigt das Risiko für ein Fatique-Syndrom nach einer Corona-Infektion um mehr als das Doppelte an. Anhaltender Husten oder Halsschmerzen sind weitere Symptome. Erwachsene haben im Vergleich zu Kindern und Jugendlichen ein nochmal um 41 Prozent höheres Risiko für Post Covid – zumindest mit Blick auf das erste Pandemiejahr. „Die Studie zeigt, dass Long-/Post Covid auch bei Kindern und Jugendlichen auftritt. Die Symptome unterscheiden sich aber von denen von Erwachsenen deutlich und sind insgesamt auch seltener", so Martin Scherer.
Daten von fast der Hälfte der deutschen Bevölkerung wurden berücksichtigt
Die Studie schaut zwar nur auf 2020, analysiert dafür aber die Daten von sechs deutschen Krankenkassen. So werden in der Studie die Daten von fast der Hälfte der deutschen Bevölkerung berücksichtigt. Das ist die große Stärke der Studie, auch weil sie große Kontrollgruppen berücksichtigt. Die meisten anderen Studien sind kleiner und beruhen auf Befragungen von Betroffenen – das führt häufig zu verzerrten Ergebnissen.
Studie hat Stärken und Schwächen
Die Häufigkeit von Post Covid wird dann tendenziell eher überschätzt. So haben in Befragungen häufig auch viele Menschen ohne eine Corona-Infektion über vermeintliche Spätfolgen berichtet – also Symptome, die auch zu Post Covid passen. Auch deshalb schaut die Studie der TU Dresden auf die Daten von Krankenkassen.
Die neue Studie der TU Dresden berücksichtigt nur Diagnosen von Ärzten und Psychotherapeuten. So können Selbsteinschätzung der Patienten das Ergebnis nicht verzerren. Gleichzeitig ist dieser Vorteil aber auch ein Nachteil. Denn nicht alle Betroffenen gehen bei gesundheitlichen Problemen zum Arzt. Vor allem bei chronischer Müdigkeit wird oft keine Verbindung zur früheren Covid-19-Erkrankung festgestellt.
Prof. Dr. Clara Lehmann ist Leiterin des Infektionsschutzzentrums der Uniklinik Köln, sie sieht einen weiteren Vorteil der Studie: Es gebe nicht nur eine gut ausgewählte Kontrollgruppe, was sonst ja selten sei, sondern es seien insgesamt sehr viele Probanden, insbesondere Kinder.
Informationen was bei Long Covid zu tun ist und was mögliche Ursachen von Long Covid sind, finden Sie in folgendem Beitrag:
Corona-Langzeitfolgen Das ist über Long Covid bekannt
Wer unter Long Covid leidet, der zeigt noch Wochen nach einer akuten Coronainfektion anhaltende Symptome. Wen trifft es? Und wie kann Betroffenen geholfen werden?
Nach WHO-Schätzungen leidet jede(r) zehnte Infizierte später an Long- oder Post Covid
Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass etwa zehn Prozent der Corona-Infizierten mit länger anhaltenden Symptomen auch drei Monate nach der akuten Erkrankung zu kämpfen hat. Allerdings bezieht sich die Schätzung auf frühere Corona-Varianten. Auch die neue Studie schaut nur auf 2020, das erste Pandemiejahr. Durch die Impfungen und neue, mildere Corona-Varianten ist das Risiko für Post Covid mittlerweile gesunken.