Immer weniger Säuglinge werden gestillt. Noch nie wurden so viele Kinder mit der sogenannten Formula-Milch versorgt wie heute. Das zeigt eine neue Studie, an der auch die Weltgesundheitsorganisation WHO beteiligt war. Woran liegt das eigentlich?
Deutschland gilt nur als moderat stillfreundlich
Die WHO empfiehlt Säuglinge in den ersten sechs Monaten ausschließlich zu stillen. Das Interessante ist: Die meisten Frauen verlassen das Krankenhaus auch stillend, doch viele bleiben nicht dabei. Am Ende des vierten Monats sind es etwa 40 Prozent, Ende des sechsten Monats sind es lediglich 13 Prozent der Frauen in Deutschland, die ausschließlich stillen.
Das ist ein Rückschritt. Deswegen gilt Deutschland auch nur als moderat stillfreundlich. Das hat viele Gründe – einer davon, so sagt es die neue Studie, sei das aggressive Marketing der Hersteller von Säuglingsmilch.
Hersteller von Muttermilch-Ersatzprodukten arbeiten mit vielen Tricks
Eigentlich gibt es den sogenannten WHO-Kodex, der besagt, dass die Vermarktung von Ergänzungsmilch und alles was dazu gehört, so gestaltet werden soll, dass das Stillen geschützt bleibt. Man darf zum Beispiel nicht sagen, dass Premilch besser ist als Stillen. Der Kodex ist aber freiwillig. Die Hersteller finden ihre Lücken: Sie empfehlen dann zum Beispiel, wenn ein Baby viel weint oder unruhig ist, ihre Milch.
Die Angst der Mütter, dass das Kind durchs Stillen nicht statt wird, wird häufig auch für Marketingzwecke benutzt. Und natürlich ist auch die Gestaltung der Produkte hochprofessionalisiert: Es gibt verschiedene Angebote je nach Alter, die aufeinander verweisen, sodass man dann auch einer Marke treu bleibt. Auch bei Social Media gibt es mittlerweile nicht wenige Influencerinnen, die Ergänzungsmilch bei Problemen beim Stillen bewerben. So ist der weltweit der Umsatz mit kommerziellen Muttermilch-Ersatzprodukten auf gut 51 Milliarden Euro pro Jahr gestiegen.
Oft fehlt die richtige Betreuung nach der Geburt
Das sind nicht die einzigen Gründe für die niedrige Stillquote führt. Es gibt generell viel Unwissen. Stillen muss zum Beispiel gelernt werden. Es ist nicht so, dass das jede Mutter das sofort kann. Viele haben zu Beginn Probleme. Dann wäre es wichtig, direkt die richtige Unterstützung zum Beispiel durch eine Hebamme zu bekommen. Und diese Unterstützung fehlt oft, auch weil es zu wenige gibt.
Hinzukommt, dass das medizinische Personal nicht einheitlich geschult ist, was die Säuglingsnahrung angeht, obwohl die Vorteile für das Stillen wissenschaftlich belegt sind. Zwar gibt es mittlerweile viele stillfreundliche Krankenhäuser, dennoch passiert es auch hier immer wieder, dass schnell zugefüttert wird, wenn das Kind zum Beispiel nicht direkt nach der normierten Kurve wächst. Außerdem ist Stillen in der Öffentlichkeit noch immer ein Tabu. Auch das verunsichert am Ende viele Frauen und erschwert das Stillen.