Geophysik

Coronavirus: Die Erde zittert weniger

Stand

Von Autor/in Jochen Steiner

Durch die Einschränkungen der Corona-Pandemie gibt es weniger Erschütterungen der Erde. Das zeigen aktuelle Messungen von Seismometern - auch im Südwesten.

Folgen der Corona-Pandemie auf Seismometern ablesbar

Wenn irgendwo auf der Welt die Erde bebt, dann zeichnen Seismometer diese Erschütterungen auf. Wissenschaftler können dann sagen, wie stark das Beben war.

Solche Messstationen gibt es in ganz Deutschland, auch im Südwesten: In Schiltach im Schwarzwald betreiben Geophysiker des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) eine ganz besondere Messstation – tief unter der Erde.

Seismometer erfassen feinste Erschütterungen der Erde. Jüngste Beobachtungen zeigen: Die Erde zittert weniger - dank Corona.
Seismometer erfassen feinste Erschütterungen der Erde. Jüngste Beobachtungen zeigen: Die Erde zittert weniger - dank Corona.

Mikrobeben haben auch natürliche Ursachen

Wenn die Erde bebt, bekommt das Prof. Joachim Ritter vom Karlsruher Institut für Technologie mit. Dank empfindlicher Seismometer kann der Erdbebenforscher mit seiner Arbeitsgruppe auch Mikrobeben auswerten, die ein Mensch gar nicht wahrnehmen kann.

Und jetzt während der Coronavirus-Pandemie hat sich an den Seismometer-Kurven etwas geändert. Und zwar an den winzigen Signalen, die die Seismometer ständig aufnehmen, dem Grundrauschen, dem Mikrozittern der Erde. Dieses Mikrozittern hat zum einen natürliche Ursachen:

„Natürliche Quellen wären zum Beispiel die Meereswellen oder aber der Wind. Wind kann zum Beispiel einen Baum zum Schwingen anregen und über die Wurzeln wird die Bewegung in den Boden weitergeleitet.“

Auch Meereswellen können die Erde zum Zittern bringen.
Auch Meereswellen können die Erde zum Zittern bringen. Die natürliche Quellen sorgen für eine Art Grundrauschen bei Seismometern.

Industrie und Verkehr bringen Erde zum Zittern

Zum anderen sind da die von uns Menschen verursachten Quellen für winzige Erderschütterungen: der Verkehr, also Autos, LKW und Züge, aber auch große Industrieanlagen, die Schwerindustrie oder Sägewerke zum Beispiel. Durch die Coronavirus-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen ist in vielen Industriebetrieben die Arbeit allerdings fast komplett heruntergefahren worden, auf den Autobahnen sind kaum noch Autos und LKW unterwegs…

„Wir merken diese Einschränkungen sehr deutlich. Wir sehen diese verringerte Bodenunruhe speziell an Messtationen, die nahe an Städten oder in Städten sind. Ich möchte mal das Beispiel Stuttgart nennen: Da sehen wir im Moment tagsüber eine Verringerung des Rauschens an unserer Messstation um mindestens 20 Prozent.“

Folgen der Corona-bedingten Einschränkungen:  Leere Autobahnen statt kilometerlange Staus - das lässt sich auch an den geringeren Ausschlägen der Seismometer ablesen.
Folgen der Corona-bedingten Einschränkungen: Leere Autobahnen statt kilometerlange Staus - das lässt sich auch an den geringeren Ausschlägen der Seismometer ablesen.

Seismometer messen auch menschengemachte Erschütterungen

Diese ganz schwachen Erschütterungen, die ständig auftreten, haben also in ihrer Intensität wegen der Corona-Einschränkungen vor allem in Städten deutlich abgenommen.

Joachim Ritter vom KIT möchte die Zeit während der Corona-Pandemie jetzt nutzen, um zu überprüfen, ob die eine oder andere Messtation doch vielleicht zu nah an menschengemachten Erschütterungsquellen liegt. Denn jetzt kann er erstmals erkennen, wieviel Erschütterungen auf den Seismogrammen vom Menschen gemacht sind.

Wenn tonnenschwere LKWs über die Straßen donnern, bringt das unsere Erde zum Erzittern.
Wenn tonnenschwere LKWs über die Straßen donnern, bringt das unsere Erde zum Erzittern.

Seismometer im Berg von Menschen ungestört

Eine der wichtigsten Erdbebenwarten weltweit ist das Observatorium in Schiltach. Es liegt in einem alten Bergwerk im Schwarzwald. Hier haben die Forscher sehr ruhige Beobachtungsmöglichkeiten für alle Signale, die aus der Erde kommen. An diesem Standort haben Joachim Ritter und sein Team keine Corona-bedingten Veränderungen gemessen – weil es so gut wie keine menschengemachten Erschütterungen in diesem ehemaligen Bergwerk gibt.

Allein in Baden-Württemberg sind noch etwa 50 weitere Messstationen in Betrieb, und auch in Rheinland-Pfalz sind sie zu finden.

Erdbeben in der Vulkan-Eifel

Ein sehr empfindliches Experiment läuft derzeit am Laacher See-Vulkan in der Vulkan-Eifel. Dort haben Joachim Ritter und sein Team knapp 20 Messstationen im Gelände stehen und schauen sich verschiedenste Prozesse an, die mit dem tiefen Magmatismus zusammenhängen.

Immer wieder kommt es in der Vulkan-Eifel zu kleineren Erdbeben, die wir Menschen auch wahrnehmen können, doch die Mehrzahl der Erschütterungen bleibt uns verborgen – den Seismometern nicht:

„Wir messen natürlich Erdbeben, die kann ein Mensch nicht spüren, das sind Mikroerdbeben, die sind so schwach, die ereignen sich fast ständig unter unseren Füßen. Wir messen natürlich auch ständig Erdbebenwellen von sogenannten Fernbeben, also wenn es beispielsweise in Japan bebt oder in Südamerika, dann können wir das hier bei uns im Land messen, und das sind natürlich auch sehr, sehr schwache Bodenbewegungen, die man nicht spüren kann.“

Hoffnung auf bisher unentdeckte Signale

Der Geophysiker Joachim Ritter hofft, in nächster Zeit auf Signale zu stoßen, die er sonst nicht gefunden hätte. Denn noch zeichnen die Seismometer wegen der Coronavirus-Pandemie weniger Erschütterungen auf, die von uns Menschen verursacht werden.

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Autor/in
Jochen Steiner
Onlinefassung
Ralf Kölbel