Seit einem Sturz benutzt die 80-jährige Astrid Lenz einen Rollator. Jetzt soll sie sich den Rollator wieder abgewöhnen. Larsen Lechler vom Sportstudio im Kölner Hildegardis Krankenhaus leitet sie dabei an. Solche Angebote sind noch die große Ausnahme in Deutschland.
Das Ziel der Abgewöhnung sei der Rückgewinn der Alltagskompetenz und der Eigenständigkeit, erklärt Larsen Lechler. "Weil zu früh an den Rollator gebunden zu sein, bedeutet verschenkte Jahre. Man baut Muskulatur und Haltung ab, wenn man sich an den Rollator bindet."
Bei Larsen Lechler gewinnt die Seniorin jetzt ihre Kraft, ihre Mobilität und ihre Unabhängigkeit auf zwei Beinen zurück. Viele Rollatornutzer würden sich diesen Schritt gar nicht trauen, berichtet Sportlehrer Lechler. Sie seien überzeugt, dass es ohne Gehhilfe eben nicht mehr gehe.
Über ein Training für besseres Gleichgewicht und mehr Kraft wird dagegen eher selten nachgedacht. Dabei steht dies Versicherten laut Sozialgesetzbuch sogar kostenlos zu.
Rollatoren können sinnvoll sein
Bei bestimmten Indikationen seien Rollatoren sinnvoll - etwa nach einer Operation an Knochen und Gelenken, bei ständigem Schwindel, einer Parkinson-Erkrankung, einer Demenz, oder nach einem Schlaganfall, erklärt Sportwissenschaftlerin und Rehabilitationstrainern Marion Oldekamp-Koop. "Weil ich da einfach diese Bewegungskontrolle nicht habe oder auch nerval nicht mehr die Kontrolle über die Muskulatur habe, wie ich es mir wünsche und wie es eigentlich sein sollte."
Oldekamp-Koop rät zuerst zu einem speziellen Training, um den Rollator richtig zu bedienen. Danach ginge es aber darum, den Rollator abzutrainieren und sich selbständig durch den Tag bewegen zu können.
Mitunter tun es auch ein Gehstock oder zwei Nordic-Walking-Sticks - besonders, wenn der Rollator eher aus subjektivem Sicherheitsempfinden heraus benutzt wird.
Krankenkassen raten von unnötiger Nutzung ab
Die Gefahr, dass durch den Rollator auf lange Sicht Mobilität und Gehsicherheit zurückgehen, dafür aber Sturzgefahr und Pflegebedürftigkeit stark steigen, ist den meisten Menschen nicht bewusst.
Doch selbst Krankenkassen warnen nachdrücklich davor, dauerhaft einen Rollator zu nutzen, sofern keine schweren und irreversiblen Beeinträchtigungen der Orientierungsfähigkeit und des Gangbildes dafür sprechen.
"Ist die Nutzung eines Rollators angebracht, sollte die Nutzungsdauer unbedingt zeitlich begrenzt werden. Denn sich den Rollator nach längerer Nutzung oder im Alter wieder abzugewöhnen, ist erst schwierig, dann so gut wie unmöglich.", erklärt beispielsweise die Krankenkasse Barmer.
Rollatoren: Anpassung und Einweisung gibt es häufig nicht
Reha-Trainer Lechler sieht noch einen anderen Grund für die Beliebtheit von Rollatoren. Es gehe ums Verkaufen. "Oftmals werden Rollatoren auch nach Hause geliefert", berichtet er. "Wie so oft im Gesundheitssystem spart man sich die Qualität weg, eine Reduzierung von Betreuungspersonal, weil es letztlich wieder auf den maximalen Gewinn hinausläuft."
Oft sind Rollatoren weder an die Körpergröße noch die individuelle Schrittlänge der Benutzenden angepasst. Auch die wichtige Einweisung für die Benutzung findet in Arztpraxen in der Regel nicht statt, selten in Sanitätshäusern und schon gar nicht bei Billigmodellen vom Discounter.
Der Spitzenverband der Krankenkassen empfiehlt Ärzten und Anbietern lediglich eine individuelle typgerechte Beratung vorzunehmen. Verpflichtet sind sie dazu bis heute nicht.
Übungen für Gleichgewicht und Fitness helfen, Stürze zu verhindern
Daher sieht man viele Nutzende, die gebeugt und zu stark nach vorne geneigt hinter ihrem Rollator herlaufen. Geht es dann noch bergab oder über Kopfsteinpflaster, sind Stürze fast vorhersehbar. Denn Rollatoren verändern das individuelle Gangbild und stören den natürlichen Bewegungsablauf.
Häufige Folgen seien Rückenschmerzen, Muskelschwund und Verspannungen sowie Verlust von Kondition und Koordination und dadurch auch eine erhöhte Sturzgefahr, warnen die Krankenkassen. Stürze seien dann mitunter sogar heftiger als ohne Rollator.
Ein Sportkurs auf Rezept für gezielte Gleichgewichts-, Kraft- und Koordinationsübungen ist oft der bessere Weg. Dann kann es im Alltag auch ohne Rollator klappen.
Knochenbrüche vermeiden Stürze verhindern – gutes Sehen und Hören sind entscheidend
Schon ab 50 Jahren steigt das Risiko, vermehrt zu stürzen, deutlich an. Neben der allgemeinen Fitness ist es daher auch wichtig, die Seh- und Hörleistung regelmäßig zu testen.