Wenn in den Tagen vor der Periode die Stimmung gedrückt ist, die Brust schmerzt oder es schwerer fällt, sich zu konzentrieren, dann deutet das auf das prämenstruelle Syndrom (PMS) hin. Gut die Hälfte der Menstruierenden kennt PMS aus eigener Erfahrung.
PMS äußert sich in einer breiten Palette von körperlichen und psychischen Symptomen wie zum Beispiel Schlafstörungen, Kopfschmerzen oder Erschöpfung. Die schwerere Form hingegen ist kaum bekannt, betrifft aber – je nach Quelle – drei bis acht Prozent der Menstruierenden: Die prämenstruelle dysphorische Störung, kurz PMDS genannt.
PMDS schränkt die Leben der Betroffenen stark ein. Symptome sind zum Beispiel Aggressivität, Depression, körperliche Beschwerden wie Brustschmerzen oder erhebliche Konzentrationsstörungen. Viele Betroffene berichten, sich in der zweiten Monatshälfte selbst nicht wiederzuerkennen, so stark seien die Wesensveränderungen durch PMDS.
Überempfindliche Reaktion auf hormonelle Schwankungen
Grundsätzlich kann jede Person, die die weiblichen Fortpflanzungsorgane Uterus und Eierstöcke hat und im gebärfähigen Alter ist - also monatlich blutet - PMDS bekommen. Deshalb können auch trans Männer oder nicht-binäre Personen, denen bei der Geburt das weibliche Geschlecht zugeschrieben wurde, betroffen sein.
Wieso manche Personen an PMDS erkranken, ist unklar. Es wird aber angenommen, dass Patient*innen überempfindlich auf die natürlichen Schwankungen der Sexualhormone Östrogen und Progesteron reagieren. Dies wirke sich auf den Serotoninspiegel aus, der wiederum die Stimmung beeinflusse, erklärt Julia Sacher, Wissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für Neuro- und Kognitionswissenschaften in Leipzig.
Sacher ist die Leiterin einer kürzlich im Fachmagazin Biological Psychiatry erschienenen Studie über den Zusammenhang von PMDS mit dem Serotoninspiegel und hofft, dass ihre Forschung die Therapie von PMDS verbessert.
Serotoninhaushalt scheint flexibler zu sein als bisher gedacht
Sacher und ihre Kolleg*innen vom Uniklinikum Leipzig haben über mehrere Monatszyklen hinweg immer wieder Aufnahmen von den Gehirnen von 30 gesunden und 29 an PMDS erkrankten Studienteilnehmenden gemacht und diese miteinander verglichen. Dazu haben die Wissenschaftler*innen die Positronen-Emissions-Tomografie (PET) genutzt, eine Untersuchung, die es erlaubt, Stoffwechselaktivitäten im Gewebe - in diesem Fall im Gehirn - sichtbar zu machen.
Sachers Team machte eine überraschende Beobachtung: Sie stellten fest, dass die Konzentration von Serotonin im Gehirn auch kurzfristig schwanken kann. Im Vergleich zur gesunden Gruppe fanden die Forschenden heraus, dass bei den Erkrankten in der Zeit vor der Blutung weniger Serotonin zur Verfügung steht. Dieser Mangel kann die Symptome auslösen, so die Studie. Bisher war man davon ausgegangen, dass der Serotoninspiegel im Gehirn relativ stabil sei und sich höchstens alle zehn Jahre ein wenig verändere.
Antidepressiva können Betroffenen helfen
PMDS wird, wie andere psychische Erkrankungen auch, oft mit Medikamenten behandelt. Während manche Patient*innen ihre Symptome mit der Anti-Baby-Pille lindern können, benötigen andere Antidepressiva, die den Serotoninhaushalt regulieren und so die Stimmung verbessern sollen. Diese nehmen die Betroffenen entweder kontinuierlich ein, also an jedem Tag des Monats. Oder nur in der zweiten Zyklushälfte – das heißt, nur während der zwei Wochen des Monats, während derer die Symptome auftreten würden.
Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer, kurz SSRIs, heißen diese Antidepressiva. Hinter ihrem Wirkmechanismus steht die Annahme, dass der Serotoninspiegel, nebst den Hormonen Noradrenalin und Adrenalin, die Stimmung direkt beeinflusse. Diese Medikamente, beziehungsweise die ihnen zugrunde liegende Idee, sind allerdings seit längerem unter Wissenschaftler*innen stark umstritten (s. Infokasten). Streitpunkt ist die Rolle, die Serotonin für die Therapie von psychischen Erkrankungen spielen soll.
Verschiedene Therapieansätze aufeinander abstimmen
Die Forschung von Julia Sacher und ihrem Team beruht auf der Beobachtung, dass es viele bekannte Wechselwirkungen zwischen Östrogen und Serotonin gibt. Daher hält sie es trotz aller Kritik für vielversprechend, den Zusammenhang zwischen dem Monatszyklus und dem Serotoninhaushalt zu untersuchen, um PMDS besser zu verstehen.
Deswegen sei es hochproblematisch, wenn manche Patient*innen SSRIs wegen der Kritik abrupt absetzten, betont Sacher. Ohnehin sei PMDS ein Spezialfall: Andere klinische Studien hätten bereits gezeigt, dass PMDS-Erkrankte besser und vor allem schneller auf SSRIs ansprächen als Patient*innen mit anderen Diagnosen. Die Befunde von Sachers Studie könnten jetzt zum ersten Mal erklären, warum.
Individuelle Abstimmung der Therapie
Außerdem könnte die neue Forschung die Hürde senken, sich für eine Behandlung mit Medikamenten zu entscheiden, hofft die Forscherin. Denn wenn der Serotoninhaushalt bei menstruierenden Personen so spontan auf den Zyklus reagiere, könnte es reichen, nur in den Tagen direkt vor der Blutung SSRIs einzunehmen und nicht den ganzen Monat über. Das verringere auch die Belastung, die Antidepressiva für den Körper bedeuten können. Aber Sacher unterstreicht: Die genaue Abstimmung der Therapie sei sehr individuell und immer eine Geduldsarbeit.