Interview

Phubbing: Exzessive Handynutzung schädigt Beziehungen

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Interview
SWR2 Redakteurin Christine Lange im Gespräch mit Psychologin Prof. Anne Milek

Noch kurz Nachrichten checken, Termine organisieren, durch Instagram scrollen – Smartphones fressen Zeit und lenken ab. In einer Beziehung kann das zu Frust führen, zu Misstrauen und schlechtem Sex, wenn das Handy als zusätzlicher Partner in der Beziehung oder sogar im Bett ist. SWR2 Redakteurin Christine Langer spricht mit der Psychologin Prof. Anne Milek über das sogenannte "Phubbing" und wie sich Beziehungen davor schützen lassen.

Der Begriff "Phubbing" setzt sich aus den Worten „Phone“ und „snubbing“ zusammen. Letzteres heißt auf Deutsch so viel wie brüskieren und bedeutet eigentlich, dass man sich statt mit dem Interaktionspartner lieber mit seinem Telefon beschäftigt.

Häufiges Phänomen – wenig untersucht

Christine Langer, SWR2: Wie weit ist dieses Phubbing-Phänomen verbreitet? Gibt es dazu verlässliche Untersuchungen?

Anne Milek, Psychologin und Forscherin an der Universität Witten-Herdecke: Jeder hat das sicherlich schon mal erlebt, aber so richtig verlässliche Daten, die auf Querschnittsstudien oder auf großen Studien basieren, gibt es dazu nicht. Es gibt einzelne Studien, die das in Amerika ein bisschen untersucht haben, aber eine breite Datenbasis haben wir nicht.

Eifersucht auf Smartphone ist nicht ungewöhnlich

Christine Langer: Wie kann sich die exzessive Handynutzung auf eine Beziehung auswirken?

Anne Milek: Wenn zum Beispiel beide Partner abends auf dem Sofa sitzen und jeder das Handy zückt, kann es um ganz belanglose Dinge gehen. Aber der jeweils andere weiß nicht, was der Partner am Telefon macht. In so einem Moment kann man das Gefühl bekommen, das Telefon sei wichtiger als man selbst. Das kann dann auch zur Eifersucht und einem unguten Gefühl in einer Beziehung führen.

Frau schaut eifersüchtig auf ihre Freundin, die am Handy sitzt.
Die Handynutzung kann für dicke Luft in Beziehungen sorgen. Einer Umfrage zufolge führt sie in jeder zehnten Partnerschaft zu Streit. Acht Prozent gaben dabei an, dass das Handy im Schlafzimmer für ein schlechteres Sexualleben sorge.

Handy steht intimen Momenten im Weg

Christine Langer: Es gibt ja auch Menschen, die benutzen ihr Telefon zum Beispiel im Bett. Was sagen Sie denn zu so etwas?

Anne Milek: Es gibt Studien, die nahelegen, dass das keine gute Idee ist, weil man sich dann mit dem Handy statt mit dem Partner beschäftigt und Momente verpasst, in denen intime Zweisamkeit entstehen könnte. Zum Beispiel, wenn beide nebeneinander liegen und man den Partner nicht stören möchte, wenn er vielleicht etwas Wichtiges am Handy macht.

Frau liegt im Bett und schaut auf ihr Handy.
Wer auch im Bett am Handy ist läuft Gefahr, intime Momente zu verpassen. Der Partner könnte den Eindruck haben, es sei etwas Wichtiges zu erledigen und unterbricht die Person am Smartphone daher nicht.

"Kein Handy am Esstisch" – Absprachen können helfen

Christine Langer: Wenn man das bei sich oder in der eigenen Beziehung beobachtet, was sollte man dann tun?

Anne Milek: Ein wichtiger Punkt ist sicherlich, den Partner darauf anzusprechen, vielleicht auch in einer Situation, in der die Handys beiseite gelegt sind. Dann hat man die Gelegenheit, in Ruhe darüber zu sprechen und nachzufragen, wie das Gegenüber die Situation wahrnimmt und welche Gedanken und Gefühle mit reinspielen.

Mann schaut auf sein Smartphone und lacht, währenddessen er isst.
Das Smartphone ist aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Doch nicht in allen Situationen nutzt man es, weil es notwendig ist, sondern vielmehr zur Ablenkung und Unterhaltung.

Christine Langer: Mittlerweile braucht man das Handy ständig. Funktioniert das überhaupt noch, sich zu einigen, das Handy auch mal wegzulegen?

Anne Milek: Tatsächlich ist das im heutigen Alltag nicht mehr so einfach. Wenn man beispielsweise ein Busticket kaufen will, geht das nicht mehr ohne Handy. „Digital Detox“ ist gar nicht so leicht.

Gleichzeitig kann man sehr wohl Regeln abmachen, wie zum Beispiel beim Abendbrot das Handy beiseite zu legen. Das sind dann individuelle Absprachen, die das Paar trifft, und die dazu führen können, dass man sich auch weniger über solche Themen streitet.

Forschungsbedarf: Spielen die Smartphone-Inhalte eine Rolle?

Christine Langer: Spielt es noch eine Rolle, was ich am Handy mache? Oder ist das relativ egal, weil beim Partner auch ein falscher Eindruck entstehen kann?

Anne Milek: Das wissen leider noch nicht so genau. Wir wollen uns jetzt genauer anschauen, ob es eine Rolle spielt, ob man denkt, dass der Partner gerade das Facebook-Profil des interessanten Arbeitskollegen oder -kollegin anschaut oder vielleicht noch eine E-Mail schreibt. Ob das wirklich einen Unterschied macht, können wir bisher auf Basis der Datenlage noch nicht sagen.

Christine Langer: Sie arbeiten jetzt an der Uni Witten-Herdecke ganz konkret an einer Studie zu diesem Thema. Was genau wollen Sie denn herausfinden? Und wie machen Sie das?

Anne Milek: Wir haben eine Studie, bei der wir beide Partner einladen, an der Studie teilzunehmen. Zusätzlich zur Befragung lesen wir hier auch die Smartphones aus. Wir schauen, welche Art von Apps sie benutzt haben, wenn sie zusammen waren, und wie oft. Das machen wir über zwei Wochen. Wir schauen uns an, ob es Unterschiede gibt bei den Inhalten in Gegenwart des Partners, und ob es einen Zusammenhang gibt, wie nahe sich die Paare fühlen. Da haben wir eine Reihe von Fragen, die wir hoffen, mit dieser Studie beantworten zu können.

Studienteilnehmer gesucht

Anne Milek: Wir würden uns sehr freuen, wenn der eine oder andere Interesse hätte, an unserer Studie teilzunehmen. Die ist komplett digital, man muss nicht vor Ort sein. Auf der Anmeldungsseite kann man alle Informationen zur Studie finden.

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