Eine rheumatoide Arthritis – umgangssprachlich Rheuma genannt – kann in jedem Alter auftreten. Meist beginnen die Beschwerden nach dem 50. Lebensjahr. Etwa ein Prozent der deutschen Bevölkerung ist von Rheuma betroffen, Frauen häufiger als Männer.
Fortschritte bei der Behandlung von Rheuma
Bei der rheumatoiden Arthritis handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung – das heißt: Das eigene Immunsystem greift den Körper an. Antikörper attackieren die Gelenke. In den letzten Jahren und Jahrzehnten gab es deutliche Fortschritte bei der Behandlung der Erkrankung, sagt Ricardo Grieshaber-Bouyer. Er ist Professor für klinische Systemimmunologie an der Uniklinik Erlangen.
Doch bei über 10 Prozent der Betroffenen würde so eine Remission nicht oder nicht dauerhaft erreicht – Tendenz steigend. Für solche schwer behandelbaren Patientinnen und Patienten gebe es aktuell nicht viele Behandlungsoptionen. Daher versuchten die Erlanger Forschenden etwas Neues:
Sie verabreichten Betroffenen in einer Studie ein Medikament, das bisher gegen bestimmte Blutkrebsarten angewendet wird. Hierbei kommt ein sogenannter „T-Cell-Engager“ zum Einsatz.
Hinter diesem Begriff verbirgt sich ein besonderer Antikörper. Der ist in der Lage, zwei Arten von Immunzellen festzuhalten: B-Zellen und T-Zellen.
Bei rheumatoider Arthritis richten sich Antikörper gegen die Gelenke
B-Zellen produzieren selbst Antikörper. Sie sind normalerweise ein wichtiger Bestandteil bei der Bekämpfung von Krankheitserregern. Doch bei Autoimmunerkrankungen bilden sie auch Antikörper, die den eigenen Körper angreifen. Das führt zu schweren Entzündungen, bei der rheumatoiden Arthritis zum Beispiel in den Gelenken.
Die sogenannten T-Cell-Engager greifen sich so eine B-Zelle, zusätzlich halten sie eine T-Zelle fest. Die sind in der Lage, B-Zellen zu zerstören. T-Cell-Engager bringen beide zusammen und sorgen so dafür, dass die T-Zell zuschlagen und zwar ziemlich effektiv, sagt Ricardo Grieshaber-Bouyer:
Studie zeigt: Nach Behandlung keine Beschwerden mehr
In ihrer Studie testete das Erlanger Forschungsteam, ob diese Methode auch bei einer Autoimmunerkrankung wirkt. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Nature Medicine“ veröffentlicht. Sechs Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer erhielten hierfür das Medikament mit dem T-Cell-Engager. „Alle Patientinnen und Patienten hatten zuvor mindestens fünf andere antientzündlichen Mitteln ausprobiert“, so Grieshaber-Bouyer.
Ohne Erfolg: Im Durchschnitt waren zu Beginn der Studie zehn Gelenke entzündet, die Erkrankung war weit fortgeschritten. „Die Therapie mit den T-Cell-Engagern führte dazu, dass es innerhalb kurzer Zeit bei den Patienten zu einer Remission kam.“, erklärt der Co-Studienautor. Das heißt: In den etwa 6 Monaten nach der experimentellen Therapie hatten die behandelten Personen keine Einschränkungen mehr durch ihre Erkrankung – das Ziel der Behandlung wurde voll erreicht.
Wie lange dieser Effekt hält, kann man aktuell noch nicht sagen. Schwere Nebenwirkungen wurden in der Studie in Erlangen nicht beobachtet. Ein Vorteil der T-Cell-Engager im Vergleich zu anderen Rheuma-Therapien ist, dass sie auch gut versteckte B-Zellen aufspüren und zerstören können.
Ist die Methode übertragbar auf andere Autoimmunerkrankungen?
Die Zerstörung der B-Zellen ist nicht nur bei der rheumatoiden Arthritis denkbar:
Diese Frage müsse in weiteren, größeren Studien untersucht werden. Auch in Erlangen werde aktuell eine größere Studie zum Einsatz der T-Cell-Engager gegen Autoimmunerkrankungen geplant.
Die Idee, dass moderne Therapien gegen Blutkrebs auch gegen Autoimmunerkrankungen wirken könnten, hat in den letzten Jahren Fahrt aufgenommen. Auch andere Methoden wie der Einsatz von sogenannten CAR-T-Zellen zeigten eine Wirkung. Hierbei konnte man schon einige, auch längerfristige Erfolge bei der Behandlung von Lupus und anderen Autoimmunerkrankungen zeigen.