Verhaltensforschung

Lassen sich Schimpansen von Zuschauern unter Druck setzen?

Stand
Autor/in
Frank Wittig
Frank Wittig, Reporter für SWR Wissen aktuell
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Emily Burkhart
Portrait Bild der Autorin Emily Burkhart

Auch Schimpansen reagieren manchmal sensibel darauf, wenn man ihnen beim Lösen von Aufgaben "über die Schulter schaut". Das zeigt eine Studie der Universität Kyoto.

Nicht nur Menschen spüren gesellschaftlichen Druck, und seine Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit. Dies legt eine Studie der Universität Kyoto nahe, in der Schimpansen beim Lösen von „mathematischen“ Aufgaben beobachtet wurden.

Die Tiere saßen dabei vor Touch-Displays, auf denen sie unregelmäßig angeordnete Zahlen in aufsteigender Reihenfolge antippen mussten. Die Forschenden um Christen Lin vom Japanischen Primaten-Forschungszentrum gaben den Affen dabei menschliche Beobachter mit in die Versuchssituation. Einmal waren es Fremde, einmal waren es Menschen, die die Tiere kannten - etwa ihre Betreuer.

Die Affen interessieren sich beim Lösen der Aufgaben nur für Zuschauer, die sie kennen

Je mehr bekannte Beobachter anwesend waren, desto häufiger machten die Schimpansen Fehler - allerdings nur bei leichten Aufgaben. Wenn die Aufgabenstellung jedoch schwieriger wurde, also wenn die Zahlen nach dem ersten Antippen ausgeblendet wurden und die Primaten sich die Positionen der Zahlen merken mussten, dann sank die Fehlerrate bei den Tieren. 

Waren die Beobachter den Affen unbekannt, hatte ihre Anwesenheit keine Auswirkung auf ihre Leistungen. „Da Schimpansen ihnen bekannte und unbekannte Menschen unterscheiden können, erscheint es nur natürlich, dass sie sich stärker durch die Beurteilung der vertrauten Personen beeinflussen lassen“, erklären Lin und Kollegen. Bei uns Menschen ist dies schließlich ähnlich.

So sieht der Versuchsablauf aus: Einmal lösen Schimpanzen verschiedene Zahlenaufgaben mit einem Publikum das sie kennen, einmal mit Zuschauern die sie nicht kennen.
Wie sehr sich die Schimpansen unter Druck gesetzt fühlten, hing von der Schwierigkeit der Aufgabe und der Vertrautheit mit dem Publikum ab.

Auch Menschen lassen sich nicht gerne über die Schulter schauen

Als soziale Wesen legen auch wir Menschen bis heute großen Wert darauf, was andere von uns halten. Das wird auch bei uns besonders in Situationen deutlich, in denen uns andere bei einer Tätigkeit über die Schulter schauen. Wir mögen oft kein Publikum.

Sogenannte Publikumseffekte entstehen, wenn sich das Verhalten einer Person ändert, weil sie glaubt, dass jemand anderes sie beobachtet. Diese Effekte sind eine der ältesten in der Psychologie untersuchten Erscheinungen.

Aber obwohl Publikumseffekte schon seit über 100 Jahren bekannt sind, sind die kognitiven Mechanismen hinter Publikumseffekten noch immer unklar. Ungeklärt ist auch, ob es möglicherweise Unterschiede zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen und Kulturen gibt.

Nicht nur Schimpansen geraten durch Zuschauer unter Druck, sondern auch Menschen. Dieser Mann wird sichtlich nervös, als er vor einem Publikum mit Mikrofonen sprechen soll.
Auch Menschen lassen sich durch Zuschauende beeinflussen. Sogenannte Publikumseffekte sind beim Menschen schon seit über 100 Jahren bekannt.

Warum reagieren Schimpansen sensibel auf bekannte Zuschauer?

Die Interpretation dieser Untersuchung ist nicht ganz einfach. Setzen die bekannten Beobachter die Schimpansen bei einfachen Aufgaben unter Druck oder lenken sie diese einfach nur ab? Steigert sich die Leistungsfähigkeit der Affen bei der schwierigsten Aufgabe, weil sie vor ihren Bekannten kompetent wirken wollen oder helfen die vertrauten Anwesenden den Affen sich besser konzentrieren zu können?

Zumindest eines aber zeige die Studie, so Senior Autor Shinya Yamamoto: „dass die Art und Weise, wie sich Menschen für Beobachter interessieren, möglicherweise nicht ganz so spezifisch für unsere Art ist, wie wir bisher dachten.“

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