Im hohen Alter einen Baum hochklettern kann ganz schön mühsam sein. Auch Schimpansen merken, dass sie älter werden – sie sind nicht mehr so agil, brauchen länger, um Nahrung zu finden.
Im Vergleich zu Schimpansen können wir sprechen und komplizierte Entscheidungen treffen. Doch genau das kann uns beim Altern zum Verhängnis werden, sagt Felix Hoffstaedter vom Institut für Neurowissenschaften und Medizin am Forschungszentrum in Jülich.
Weiterentwickelte Bereiche des Gehirns beim Menschen am anfälligsten für Altern
In einer Studie, die jetzt in der Fachzeitschrift Nature Advances veröffentlicht wurde, hat Hoffstaedter die Alterung von Menschen und Affen verglichen. Er sagt:
"Interessanterweise konnten wir feststellen, dass zwar ähnliche Bereiche bei Menschen und Schimpansen altern, aber nur beim Menschen in den Bereichen die größten Alterungseffekte zu sehen , die sich am meisten verändert haben in letzter Zeit."
Das beschreibt laut Neurowissenschaftler Hoffstaedter, dass die Evolution, genauer: die letzten entscheidenden Entwicklungen zum Menschen, wohl ihren Preis haben. Denn wir werden durch die Weiterentwicklung der Gehirnbereiche zwar älter, aber gerade diese Bereiche sind auch sehr altersanfällig.
Was sich im Gehirn als letztes entwickelt hat, baut sich als erstes ab
Die Erkenntnisse der Studie stützen das Prinzip „Last in, first out“. Die Gehirnareale, die sich als letztes entwickeln, bauen sich auch als erstes wieder ab. Dazu gehört die Region des präfrontalen Kortexes. Hier treffen wir Entscheidungen oder lösen Probleme. Doch warum altern genau diese Bereiche am schnellsten?
"Das weiß keiner so genau. Wir können zwar relativ gut zeigen, wie das Gehirn altert. Die Zellen werden weniger, eine Ausdünnung findet statt, aber die findet in manchen Bereichen mehr statt als in anderen", erklärt Hoffstaedter.
Da diese Bereiche besonders stark beansprucht werden, könnte es zu Abnutzungserscheinungen kommen - so die Theorie des Forschungsteams.
"Gehirn-Uhr" soll Geschwindigkeit der Hirnalterung zeigen
Ein anderes Team aus Chile versuchte mittels einer „Gehirn-Uhr“ vorherzusagen, ob das menschliche Gehirn schneller altert, als sein chronologisches Alter vermuten lässt.
Dafür berechneten sie mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz die sogenannte „Hirnalterslücke“, also die Differenz des tatsächlichen chronologischen Alters und des ermittelten Hirnalters.
Das maßen sie anhand der Interaktion der einzelnen Hirnregionen. Konkret gesagt bedeutet etwa ein Altersunterschied von zehn Jahren, dass die Gehirnleistung etwa der einer zehn Jahre älteren Person entspricht.
Einfluss von Umweltfaktoren und Lebensweise
Ein Forschungsteam in Chile fand weitere Faktoren, die das Altern des Gehirns beeinflussen. Umweltverschmutzung, Kultur, soziökonomische Bedingungen und Ernährung können unser Altern beschleunigen oder hinauszögern.
Besonders bei Menschen in Ländern mit stärkerer sozialer Ungleichheit altert das Gehirn tendenziell schneller als in Vergleichsgruppen aus Europa oder Asien.
Gerade Frauen in Ländern mit großer geschlechtsspezifischer sozialer Ungleichheit, wie zum Beispiel in Lateinamerika oder der Karibik, hatten laut der chilenischen Studie größere Unterschiede zwischen Hirnalter und tatsächlichem Alter als Männer in diesen Ländern.
Bestimmte Krankheitsverläufe ähneln der gesunden Alterung des Gehirns
Zum normalen Alterungsprozess kommen neurodegenerative Krankheiten wie Alzheimer. "Die Alterung des Gehirns, also die gesunde Alterung, ist nicht grundsätzlich unterschiedlich zu bestimmten Krankheitsverläufen. Sie findet aber auf natürlich auf einer sehr viel langsamere Weise statt.", so Neurowissenschaftler Felix Hoffstadter.
Die genetischen Grundvoraussetzungen, die uns anfälliger fürs Altern machen, können wir nicht beeinflussen. Doch laut Hoffstaedter können wir das Altern doch noch etwas hinauszögern. Nämlich durch gesunde Lebensführung, Ernährung, Bewegung und soziale Kontakte.