Was passiert genau oben in der Atmosphäre? Diese Frage ist bisher entscheidend, um Wettervorhersagen besser zu machen. Supercomputer können immer kompliziertere physikalische Prozesse in der Atmosphäre berechnen. Doch das braucht Zeit - zu viel Zeit für schnelle Updates von Wettervorhersagen. KI-Modelle sollen das Problem in Zukunft lösen, schneller arbeiten und Wettervorhersagen deutlich genauer machen.
KI testet sich selbst, wird immer genauer
Die KI-Modelle arbeiten dabei ganz anders und basieren auf monatelangem Training mit alten Wetterdaten: "Ein KI-Modell lernt aus historischen Daten und kann lernen, wie sich das Wetter entwickelt", sagt Roland Potthast vom Deutschen Wetterdienst (DWD).
Das KI-Modell des DWD wurde mit den Wetterdaten der vergangenen 15 Jahre gefüttert. Im Trainingsprozess testet sich das KI-Modell immer wieder selbst. Auf Basis alter Wetterdaten werden ständig neue Vorhersagen erstellt. Die KI vergleicht ihre Vorhersagen mit den tatsächlichen Wetterverhältnissen. Das Training mit den historischen Daten ist die zentrale Grundlage für die KI. Sie analysiert die Veränderungen in der Atmosphäre und findet dabei völlig neue Muster.
KI-Wettermodelle sind teilweise schon besser
"Ich denke, dass wir vor etwa zwei Jahren einen Meilenstein genommen haben", sagt Potthast mit Blick auf die KI-Wettermodelle. In einigen Bereichen übertreffen KI-Modelle bereits die herkömmlichen Wetterberechnungen.
Das zeigt auch eine Analyse des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersagen (ECWMF). Bei der Vorhersage für die nächsten zehn Tage schneidet die KI vor allem gegen Ende des Vorhersagezeitraums besser ab als herkömmliche Modellierungen.
Aktuell liegen die KI-Modelle nur wenige Prozentpunkte vorn. Dennoch spricht das Forschungsteam des Deutschen Wetterdienstes bereits von einem Wendepunkt. Die derzeit noch geringen Vorteile der KI-Modelle würden künftig deutlich größer werden.
Schnellere Vorhersagen als Erfolgsfaktor
Ein Erfolgsfaktor ist die hohe Effizienz der KI-Modelle. Einmal aufwändig trainiert, können die KI-Modelle im Minutentakt Wettervorhersagen ganz ohne Supercomputer berechnen. Diese Effizienz ist eine Chance: "Das geht sehr, sehr schnell", so Potthast.
Derzeit werden Wettervorhersagen oft nur alle drei oder sechs Stunden neu berechnet. Mit einem KI-Modell hingegen entstehen neue Vorhersagen im Minutentakt. Ein paar Laptops reichen dann aus, um aufwändige Vorhersagen zu berechnen. So würde eine 15 Tage Vorhersage in weniger als 10 Minuten generiert.
Bei den herkömmlichen Wettermodellen dauert die Vorhersage zur Zeit mehrere Stunden und benötigt die Kapazität großer Hochleistungsrechner.
Regen-Vorhersagen sollen besser werden
"Die Wettervorhersagen können in Zukunft viel besser auf den Nutzer abgestimmt werden", sagt Stefanie Hollborn vom Deutschen Wetterdienst und denkt dabei an Angebote wie ein lokales Niederschlags- oder Regenradar, was bereits viele Wetterdienste anbieten.
Bisher stoßen die meisten Wetterdienste aber hier an ihre Grenzen. Ein Nowcasting-Modell versucht, aus den Niederschlägen der vergangenen 20 Minuten in die Zukunft zu blicken. Dabei wird der Niederschlag für die nächsten 90 bis 120 Minuten berechnet. Das Modell dahinter ist jedoch wenig komplex und macht häufig Fehler.
Die neuen KI-Modelle sollen das ändern. Die Regenwahrscheinlichkeiten vor allem für die nächsten Stunden sollen künftig deutlich präziser vorhergesagt werden.
Auch Google arbeitet an KI-Wettervorhersagen
Das Potential der KI-Wettervorhersagen haben auch große Tech-Unternehmen wie Google oder Microsoft erkannt. So sorgt das KI-Modell GenCast von Google immer wieder für Aufsehen.
Im Sommer erschien im Fachmagazin Nature eine Studie, die das Potential des KI-Modells untersucht hat. Mit folgendem Ergebnis: Das KI-Modell kann teilweise nicht nur mit herkömmlichen Wettermodellen mithalten, sondern ist teils sogar besser.
Natürlich beobachtet auch der Deutsche Wetterdienst diese Entwicklung und nutzt dabei einzelne Bausteine der großen KI-Anbieter: "Wie wollen natürlich auch so gut sein wie die anderen. Da gibt es einen munteren kleinen Wettlauf."
Dieser Wettlauf beginnt erst gerade. Da gibt es noch viel Luft nach oben. Denn große KI-Wettermodelle wie das von Google erstellen ihre Vorhersagen bislang fast ohne Fachwissen über die physikalischen Prozesse in der Atmosphäre, sagt Stefanie Hollborn.
"Das physikalische Verständnis ist erst mal etwas, was die KI scheinbar in diesem ersten Status nicht gebraucht hat. Sie hat Muster gelernt", sagt die Mathematikerin und fügt hinzu: "Das geht aber noch besser." Wenn die KI noch mehr physikalische Zusammenhänge versteht, wird die Qualität der KI-Vorhersagen höher - so die Hoffnung.
Trainingsdaten der Künstlichen Intelligenz sind entscheidend
Das Training der KI ist also entscheidend - vor allem die verwendeten Wetterdaten. Deshalb will der Deutsche Wetterdienst auch die Daten verbessern. So liefern zwar Satelliten, Bodenstationen und Flugzeuge ständig neue Daten, aber es gibt immer noch Lücken. Deshalb erstellt das Team eine Simulation, um das Wetter an jedem Punkt der Atmosphäre möglichst genau darzustellen. Diese Datenaufarbeitung fließt direkt in das neuronale Netzwerk der KI ein.
So kann das KI-Modell mit qualitativ besseren Daten arbeiten. "Diese Informationen helfen uns, den Anfangszustand genauer einzuschränken", sagt der Meteorologe Jan Keller vom DWD. Damit die KI, trotz der Lücken in den Beobachtungsdaten, einen genaueren Überblick über den aktuellen Wetterzustand der Erde bekommt.
Präzisere Vorhersagen helfen auch der Energieversorgung
Bessere Wettervorhersagen werden nach Ansicht des Forschungsteams immer wichtiger - zum Beispiel, um die Sonnenscheindauer besser vorhersagen zu können. Das seien wichtige Daten für die Betreiber von Photovoltaikanlagen, sagt der Meteorologe Jan Keller: "Das ist für die Stromnetzbetreiber wichtig zu wissen."
Kennen die Betreiber die Sonnenscheindauer im Voraus, dann können sie die gesamte Stromproduktion und Netzstabilität besser steuern. Dieser Aspekt wird mit dem steigenden Anteil erneuerbarer Energien immer wichtiger.
Extremwetterereignisse sollen durch KI besser vorhergesagt werden können
Ein weiterer Nutznießer sind Landwirte. Sie sind im Zeitalter der raschen Klimaerwärmung ebenfalls auf präzise Vorhersagen angewiesen. Auch kurzfristige Warnungen vor gefährlichen Unwetterlagen sollen besser werden und schneller verbreitet werden, da häufiger Updates gerechnet werden. So besteht die Hoffnung, dass der genaue Ort von Starkregenereignissen genauer im Vorhinein abgeschätzt werden kann. Auch lokale Gefahrenlagen für Tornados könnten so künftig besser eingegrenzt werden.
Doch auch für moderne KI-Modelle ist eine derartige Vorhersage komplex. Denn auch das beste KI-Modell ist abhängig von der Qualität und vor allem der Anzahl von Beobachtungsdaten. Für eine perfekte Vorhersage müsste die KI in allen Luftschichten auf zahlreiche Parameter wie Luftdruck, Temperatur, Feuchtigkeit, Partikel-Konzentrationen zugreifen können. Das zu realisieren ist allerdings utopisch.
Wettervorhersagen immer genauer geworden
In den vergangenen 50 Jahren sind die Wettervorhersagen immer besser geworden. Ein Vergleich: Eine Wettervorhersage für fünf Tage ist heute so genau wie eine Wettervorhersage vor 50 Jahren für nur einen Tag. Fünf statt einem Tag - mit genau der gleichen Qualität.
Durch KI könnten sich die Vorhersagen nun ungewöhnlich schnell verbessern. In ein bis drei Jahren sollen die KI-Modelle für die Wettervorhersagen eingesetzt werden.
Wenn Chatbots zum "Wetterfrosch” werden
Auch KI-Chatbots werden in Zukunft bei den Wettervorhersagen mitmischen. Der Zugang zu aktuellen und vor allem personalisierte Wetterinformationen wird so viel einfacher. So könnte der WEtter-Chatbot proaktiv vor einem herannahenden Unwetter warnen und direkt Niederschlagsmengen und Wahrscheinlichkeiten nennen - soweit die Vision.
Doch die Atmosphäre bleibt ein chaotisches System. Mit KI wächst zwar die Hoffnung, dieses Chaos noch besser zu verstehen. Doch auch KI-Modelle werden an ihre Grenzen stoßen. Wo sie liegen, wird die Zukunft zeigen. Das Zeitalter der KI-Wettervorhersagen beginnt gerade erst.