Medizinethik

Kommentar: FDP will Zeitpunkt des Todes für Organspenden neu definieren

Stand
Autor/in
Stefan Troendle
Stefan Troendle, Reporter und Redakteur bei SWR Wissen aktuell und SWR Kultur Impuls.
Onlinefassung
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei Redakteur bei SWR Kultur DAS Wissen.

Die FDP will den Zeitpunkt des Todes neu definieren – als Voraussetzung für Organspenden. Künftig soll schon ein Herzstillstand Grundlage für die Entnahme von Organen sein. Dadurch soll die Anzahl der Spenden erhöht werden. Stefan Troendle aus der SWR-Wissenschaftsredaktion sieht das kritisch.

In Deutschland gibt es viel zu wenig Organspenden. Es gibt mehrere Gründe, warum das so ist. Unter anderem müssen Spenderin und Spender vor dem Tod, sonst Angehörige, aktiv zustimmen. In anderen Ländern ist das nicht so. Dort gilt die Widerspruchslösung, an deren Einführung die Politik bei uns gescheitert ist. Heißt: Organspender sind alle, die zu Lebzeiten einer Spende nicht aktiv widersprochen haben.

Dies ist einer der wichtigsten Gründe, warum die Zahl der Organspenden in anderen Ländern wie zum Beispiel Spanien höher ist.

In Deutschland gibt es zu wenig Organspenden. Es gibt daher aus der FDP die Forderung, das Organe nicht erst bei festgestelltem Hirntod, sondern bereits nach Herz-Kreislauf-Stillstand entnommen werden dürfen.
In Deutschland gibt es zu wenig Organspenden. Es gibt daher aus der FDP die Forderung, dass Organe nicht erst bei festgestelltem Hirntod, sondern bereits nach Herz-Kreislauf-Stillstand entnommen werden dürfen.

FDP will Zeitpunkt des Todes für Organspenden neu definieren

Und jetzt kommt zusätzlich die Ethik ins Spiel: Wann ist ein Mensch tot? Bei uns lautet die Definition, dass dafür der Hirntod eingetreten sein muss. Auch das wird in anderen Ländern teilweise anders gehandhabt. Hier gilt man schon nach einer gewissen Zeit nach einem Herzstillstand als tot. Beides ist schon deshalb nicht dasselbe, weil man gegen einen Herzstillstand etwas unternehmen kann. Oft genug gelingt es glücklicherweise, Menschen durch teils extrem lange Reanimationsmaßnahmen wieder zurückzuholen.

Einführung der Widerspruchslösung könnte hierzulande möglicherweise zu mehr Organspenden führen

Trotzdem gibt es Überlegungen, wie die der FDP, diese in anderen Ländern geltende Praxis auch bei uns einzuführen, um die Zahl der Organspenden nach oben zu treiben. Dass das tatsächlich funktioniert, wage ich stark zu bezweifeln. Viele, die sich nicht als Organspender melden, haben Angst davor, dass Organe entnommen werden, wenn sie noch nicht richtig tot sind. Vor einigen Jahren gab es Unregelmäßigkeiten bei Organentnahme und Weiterverteilung. Auch das hat dazu beigetragen, das Vertrauen in das Transplantationssystem zu schwächen.

Organspender wird man in Deutschland nur dann, wenn man sich zu Lebzeiten als Organspender registriert hat bzw. mit einem Organspendeausweis seine Bereitschaft zur Organspende dokumentiert hat. In einigen anderen Ländern Europas gilt die Widerspruchslösung. Die FDP will die Kriterien für den Zeitpunkt des Todes jetzt ändern.
Organspender wird man in Deutschland nur dann, wenn man sich zu Lebzeiten als Spender registriert hat bzw. mit einem Organspendeausweis seine Bereitschaft zur Spende dokumentiert hat. In einigen anderen Ländern Europas gilt die Widerspruchslösung. Die FDP will die Kriterien für den Zeitpunkt des Todes jetzt ändern.

Der nächste Schritt wäre für mich daher, erst mal die Widerspruchslösung einzuführen. Denn einfach mal die Kriterien für Organspende via Todeszeitpunkt verschieben, wie die FDP sich das vorstellt: so einfach ist das nicht. In meiner Vorstellung muss es dafür eine breite Diskussion von Fachleuten geben, die alle Vor- und Nachteile diskutiert und ganz klare Kriterien festlegt. Sonst regelt das der Markt, aber vermutlich anders, als die FDP sich das wünscht.

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