Auch eine Intensivstation mit freien Betten kann „voll“ sein – wenn es kein Personal mehr gibt, das die Kranken versorgen kann. Weil das Personal-Limit bald erreicht ist, ist auf vielen Intensivstationen die Lage angespannt, obwohl noch nicht alle Betten belegt sind.
Die Zahl der Covid-19-Patienten in intensivmedizinischer Behandlung nähert sich dem Höchstwert der letzten Corona-Welle im Januar. Drei von vier Patienten werden beatmet, das ist besonders personalaufwändig. Deswegen sind ungefähr zwei Drittel der Intensivstationen in Deutschland schon an dem Punkt, dass sie nicht ohne Weiteres neue Patienten aufnehmen können. Oft geht es zwar noch, aber nicht, ohne jemand anderes auf die Normalstation zu verlegen, obwohl die Person die Intensivbetreuung noch gut gebrauchen könnte.
Notfallreserve und Hilfe von anderen Kliniken
Im Klinikum Mittelbaden in Baden-Baden wurden bereits sechs zusätzliche Intensivbetten aufgebaut. Solch eine Notfallreserve gibt es in den meisten Krankenhäusern. In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sind es rund 1.760 Intensivbetten, die die Kliniken noch zusätzlich aufstellen könnten – ein Plus von etwa 50 Prozent der aktuell betreibbaren Intensivbetten (Stand 21.04.2021). Die „Personalreserve“ sieht dagegen so aus, dass Pflegekräfte aus anderen Teilen des Klinikums das Intensivpflegeteam unterstützen. Sie seien am Limit, bestätigt Anke Windischmann, Pflegerische Leitung Intensiv am Klinikum Mittelbaden in Baden-Baden.
Regionale Unterschiede
Es gibt zum Teil sehr große regionale Unterschiede, allerdings ohne klare Trends; es ist zum Beispiel kein Nord-Süd-Gefälle zu erkennen oder dass es auf dem Land grundsätzlich besser aussehen würde als in den Städten. Für den Südwesten gesprochen, ist es in Baden-Württemberg eher angespannter und in Rheinland-Pfalz etwas entspannter. In beiden Bundesländern sind knapp ein Viertel der Intensivbetten mit Covid-19-Patienten belegt.
Auslastung schlecht am Inzidenzwert abzulesen
Die Lage auf den Intensivstationen deckt sich nicht unbedingt mit der lokalen Inzidenz. Zu sehen ist das auf Karten der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, kurz DIVI, die täglich die Zahl der Corona-Intensivpatienten in Deutschland erfasst. Deswegen ist während der Pandemie auch häufiger vom DIVI-Intensivregister die Rede.
Die Inzidenz kann nur bedingt die Belastung auf den Intensivstationen widerspiegeln. Zur Erinnerung: Die sogenannte 7-Tage-Inzidenz ist die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche. Während bislang die 7-Tage-Inzidenz als wichtige Kennzahl herangezogen wurde, kam der Vorschlag auf, eine weitere Kennzahl aus der Zahl der Intensivpatienten abzuleiten. Geschaut würde dabei, wie viele Menschen mit einer Coronainfektion auf die Intensivstation kommen – und zwar wieder pro 100.000 Einwohner pro Woche.
Helmut Küchenhoff von der Ludwig-Maximilians-Universität München schlägt als Hausnummer einen Grenzwert von fünf Neuaufnahmen pro 100.000 Einwohnern pro Woche vor. Er nennt das ganz bewusst erstmal „Hausnummer“ und nicht Grenze, weil er die Zahl als Diskussionsgrundlage sieht.
Eine ernstzunehmende Sorge in der Pandemie ist: Wir dürfen nicht in eine Situation kommen, in der wir die Kranken nicht mehr behandeln können. Auch PD Dr. Thomas Iber sorgt sich, der als Leiter der Intensivstation im Klinikum Mittelbaden die derzeitige Auslastung erlebt.
Noch ist es nicht so weit, aber freie Betten können mittlerweile nicht mehr für ruhigen Schlaf auf den Intensivstationen sorgen.