Corona-Pandemie

Prognosetool soll Lage auf Intensivstationen einschätzen

Stand
Autor/in
Pascal Kiss
Onlinefassung
Antonia Weise

Informatiker*innen des Uniklinikums Freiburg arbeiten zusammen mit dem Robert-Koch-Institut an einem neuen Prognosetool für Kliniken und Behörden. Sie sollen dadurch besser einschätzen können, wie viele COVID-19-Patient*innen in den nächsten Tagen auf den Intensivstationen sind.

Prognose für bis zu zehn Tage

Mit wie vielen Patienten die Intensivstationen rechnen müssen und ob die Intensivbetten ausreichen, das ist bislang Spekulation gewesen. Denn viele Kliniken und Kommunen haben für ihren Kreis oft nur wenige Daten darüber.

In Zukunft sollen mit den neuen Prognosedaten des Robert-Koch-Instituts die Krisenstäbe die Lage besser einschätzen können und für bis zu zehn Tage möglichst genau zeigen, wie viele COVID-19-Patienten in den einzelnen Intensivstationen in Zukunft behandelt werden müssen. Diese Vorhersage soll dabei für jedes Krankenhaus erstellt werden und vor allem eine möglichst regionale Entwicklung prognostizieren. 

Ärzte versorgen Covid Patienten
Mit dem neuen Prognosetool soll ein besserer Überblick auf den Intensivstationen geschaffen werden.

Modelle sollen eine genaue Vorhersage geben

Für die neuen Prognosen werden die Computer täglich mit neuen Fallzahlen gefüttert. Zum Beispiel mit den gemeldeten Neuinfektionen, der aktuellen Altersverteilung und der Situation in den Intensivstationen. Wer liegt hier, wie lange und wann ist aufgrund der gemeldeten Neuinfektion mit vielen Patienten zu rechnen?

Möglichst genau sollen die Modelle diese Fragen beantworten. Jedoch steigt die Unsicherheit, wie bei einer Wettervorhersage, je weiter die Informatiker in die Zukunft schauen. Deshalb geben sie an, wie wahrscheinlich die einzelnen Prognosen auch tatsächlich eintreffen werden.

“Eine Linie, eine Vorhersage allein nutzt uns wenig. Wir brauchen auch irgendwie ein Maß für die Unsicherheit. Und das ist auch genau das rechenintensive.” 

Bei ihren Berechnungen versuchen die Informatiker sich auf Werte zu konzentrieren, die auf dem aktuellen Infektionsgeschehen beruhen.  

“Wir wollen nicht irgendeine Infektionsrate von einem anderen Land oder eine Basisreproduktionszahl von einem anderen Ort einsetzen!” 

Nicht unterschriebene Anträge verzögern Nutzung

Seit Ende April arbeiten die Wissenschaftler*innen an den Modellen, die jetzt bei den steigenden Fallzahlen immer besser funktionieren und verlässlichere Daten liefern. Innerhalb von wenigen Tagen wäre deshalb eine Nutzung möglich. Allerdings hat das Bundesgesundheitsministerium wichtige Förderanträge vom April bislang nicht unterschrieben.

“Das ist etwas, was in der aktuellen Situation ärgerlich ist, dass wir an manchen Stellen die Ressourcen nicht haben. An manchen Stellen bekommen wir die Ressourcen hervorragend und zeitnah bereitgestellt.” 

Frau unterschreibt Vertrag
Erst wenn die Förderanträge vom Bundesgesundheitsministerium unterschrieben sind, kann das Tool genutzt werden.

Beim Aufbau des Intensivbettenregisters im Frühjahr hat das Bundesgesundheitsministerium den Förderantrag innerhalb von zwei Wochen unterschrieben. Bis jetzt haben die beteiligten Partner und das Robert-Koch-Institut das Projekt ohne zusätzliche Fördergelder vorangetrieben. Aber sie sind auf die Unterschrift des Bundesgesundheitsministeriums angewiesen, denn erst danach kann das Prognosetool zur Verfügung gestellt werden.

Wann der Förderantrag bewilligt wird, darauf gab das Gesundheitsministerium auf SWR-Anfrage keine Antwort und verweist auf den “Gegenstand regierungsinterner Beratungen.” Solange diese nicht abgeschlossen seien, könnten leider keine weiterführenden Angaben gemacht werden.

Sorge um regionale Engpässe

Die beteiligten Forscher und Forscherinnen hoffen auf eine schnelle positive Entscheidung, denn immer mehr schwer kranke COVID-19-Patienten werden auf den Intensivstationen behandelt und die Prognose müsse jetzt im Herbst und Winter eingesetzt werden. Zwar rechnen Experten und das Robert-Koch-Institut derzeit nicht mit einer flächendeckenden deutschlandweiten Überforderung der Intensivstationen, aber die Sorge um regionale Engpässe ist vorhanden. 

Ärztin kümmert sich um Patienten
Mit steigenden Neuinfektionen ist eine Einschätzung umso wichtiger, damit bei Engpässen frühzeitig gehandelt werden kann.

“Wo wir aber große Sorgen haben, ist, dass es zu lokalen Engpässen kommt, dass also in einer Region, wo ein bestimmtes Infektionsgeschehen vorhanden ist, dass wir dort eben zu Behandlungsengpässen kommen könnten, dass Patienten dort vor Ort eben nicht mehr medizinisch adäquat behandelt werden können!” 

Mit dem Prognosetool hätten die Entscheidungsträger genügend Zeit, sich auf die COVID-19-Patient*innen zielgerechter einzustellen. Statt nur zu reagieren, könnten die Intensivstationen mit den Prognosen vor einer drohenden Überforderung besser geschützt werden. 

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Pascal Kiss
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Antonia Weise