Corona-Pandemie

Corona-Impfstoffpatente aufheben – was spricht dafür, was dagegen?

Stand
Autor/in
Stefan Troendle
Sabine Geipel
Onlinefassung
Julia Otto

Die Aufhebung des Patentschutzes bei Corona-Impfstoffen ist ein umstrittenes Thema. Stefan Troendle aus der SWR Wissenschaftsredaktion und Sabine Geipel aus der SWR Wirtschaftsredaktion vertreten mit ihren Argumenten unterschiedliche Meinungen.

Die US Regierung will, dass die Listen der Inhaltsstoffe der Corona-Impfstoffe weltweit zugänglich sind – auch in ärmeren Ländern. Das würde aber die Grundgesetze der Pharmabranche aufheben – und könnte Milliarden kosten. Die WHO spricht von einer "historischen Entscheidung". Den Patentschutz für Corona-Impfstoffe aufzuheben ist also gerade überall ein großes Thema – und es gibt unterschiedliche Ansichten.

Pro

Stefan Troendle aus der SWR Wissenschaftsredaktion befürwortet die Aufhebung des Patentschutzes:

Sie sind schon geimpft? Wie schön – aber freuen Sie sich besser nicht zu früh. Denn diese Pandemie kriegen wir nur global in den Griff.  

Und genau deswegen bin ich dafür, den Patentschutz auszusetzen und armen Ländern bei der Impfstoffproduktion zu helfen. Gefühlt alle drei Tage kommen doch Berichte über neue Mutanten. B117, B1617 wir lernen Variantenzahlen wie Telefonnummern und jedes Mal stellt sich die Frage, ob die Impfstoffe noch dagegen wirken. Ich befürchte, irgendwann tun sie das nicht mehr.

Abgesehen davon: während wir in Deutschland über die schlechte Logistik der Bundesregierung schimpfen, sind die Menschen in den überbevölkerten Entwicklungsländern noch nicht mal in die Nähe einer Impfstoffspritze gekommen. Mangelnde Hygiene, miese Lebensbedingungen – ideale Bedingungen dafür, dass das Virus neue Varianten entwickelt. Für alle, die es nicht so mit Mitmenschlichkeit haben: Dass wir global impfen – und das sowohl finanziell wie logistisch unterstützen, liegt auch in unserem eigenen Interesse.

Impfstoffpatente aufheben pro und contra
In den überbevölkerten Entwicklungsländern sind die Menschen noch nicht mal in die Nähe einer Impfstoffspritze gekommen. Mangelnde Hygiene, miese Lebensbedingungen – ideale Bedingungen dafür, dass das Virus neue Varianten wie in Indien entwickelt.

Daher ist es wichtig, dass möglichst schnell Impfstoffe für alle zur Verfügung stehen und das geht nur wenn man den Patentschutz tatsächlich aufhebt, was nicht heißen muss, dass die Pharmakonzerne keine Entschädigung bekommen.

Erinnern Sie sich noch an die künstlich hochgehaltenen Preise für HIV-Medikamente in Afrika? So darf es diesmal nicht laufen. Denn Patente sorgen dafür, dass Impfstoffe knapp bleiben. Nur wer Geld hat, kann sich impfen lassen? Wenn das so bleibt, schauen nicht nur die anderen in die Röhre, sondern letztlich wir alle.

Contra

Sabine Geipel aus der SWR Wirtschaftsredaktion sagt: Die Aufhebung kann auch massive Nachteile haben.

Ja, es klingt so edel und so gut. Einfach den Patentschutz aufheben und für eine gerechtere Welt sorgen. Impfstoff für alle! – der Impuls liegt nahe – und bei manchen aber auch gleich in der Nähe zum Bild von der profitgierigen Pharmaindustrie, die partout ihre Lizenz zum Gelddrucken nicht hergeben will. Aber das ist meiner Meinung nach zu kurz gedacht.

Einmal, weil allein das Wissen um das Patent nicht reichen würde, um mirnichtsdirnichts Impfstoff zu produzieren. Dazu braucht es mehr. Der Aufbau einer Produktion, noch dazu, wenn sie Millionen zusätzliche Dosen liefern soll, kann nicht einfach aus dem Boden gestampft werden – das haben wir ja bereits gelernt. Was wäre also gewonnen?

Und vor allem aber: der Schutz von Patenten, von geistigem Eigentum, hat seinen Sinn. Egal ob es um die Entwicklung von Halogen-Scheinwerfern, um Nudelmaschinen oder Corona-Impfstoffe geht. Denn nur wer weiß, dass sich seine Investitionen, geistige und finanzielle, irgendwann auszahlen, der nimmt sie auf sich.

Impfstoffpatente aufheben pro und contra
Das Patent ist in der Pharmaindustrie das Kernstück im Zusammenspiel aus Forschung, Entwicklung, Risiko und Geschäft. Ohne Patent würde der Anreiz für geistige und finanzielle Investitionen wegfallen.

Das Patent – in der Pharmaindustrie ist es das Kernstück im Zusammenspiel aus Forschung, Entwicklung, Risiko und Geschäft. Den Patentschutz aufheben – das wäre ein Affront nicht nur für risikofreudige Geldgeber sondern vor allem für die schlauen Köpfe, die in Rekordgeschwindigkeit einen Impfstoff entwickelt haben. Von einer historischen Entscheidung spricht der Chef der WHO – ich halte sie für fatal.

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Stefan Troendle
Sabine Geipel
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